Fremdsprachenunterricht aus Schülersicht. Julia Fritz
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СКАЧАТЬ als den Französischunterricht bewerten, sind es in der Jahrgangsstufe 10 bereits 53 %. Umgekehrt sinkt die Zahl derer, die den Französischunterricht interessanter als den Englischunterricht einschätzen, von 28,3 % in Klasse 8 auf 20,4 % in Klasse 10 (vgl. Düwell 1979:144).

      Auch wenn der Schwierigkeitsgrad der Fremdsprachen im Verlauf der Jahrgangsstufen deutlich höher wahrgenommen wird, schneidet Französisch gegenüber Englisch hier besser ab. Fast zwei Drittel (64,1 %) der in der Studie von Hermann-Brennecke und Candelier (1993:250) befragten 518 SchülerInnen empfinden Englisch in der Jahrgangsstufe 8 schwerer als zu Beginn. Nur 33,9 % geben an, dass Englisch leichter sei. Im Fach Französisch halten 52,8 % der fortgeschrittenen Lernenden die Sprache für schwerer, 45,3 % für leichter. Insgesamt kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass Französischlernende im Hinblick auf die erwartete Lernbarkeit der Sprache weniger enttäuscht sind als in Englisch.

      Der Blick auf die Wahrnehmung des Fremdsprachenunterrichts über die Jahrgangsstufen hinweg weist insofern auf Veränderungen hin. Deutlich wird, dass sich die Motive für die Wahl oder Abwahl einer bestimmten Fremdsprache im Laufe der Sekundarstufe I sowie der Einfluss von unterrichtsexternen hin zu unterrichtsimmanenten Faktoren verschieben:

      Während bei Eintritt in die Sekundarstufe und zu Beginn des Fremdsprachenunterrichts schulisches und berufliches Nützlichkeitsdenken dominieren, treten nun die Auswirkungen der persönlichen Begegnung mit dem fremdsprachlichen Medium in den Vordergrund. (Hermann-Brennecke & Candelier 1993:240)

      Durch die voranstehenden Darstellungen wurde deutlich, dass die Einstellungen zum Fremdsprachenlernen, das Interesse, die Leistungsbereitschaft und die Motivation im Fremdsprachenunterricht von zahlreichen, auch außerunterrichtlichen Faktoren (z.B. schulsprachenpolitische Rahmenbedingungen, Auslandsaufenthalte, Familie etc.) beeinflusst werden. Dennoch sind es vor allem unterrichtsimmanente, im Rahmen des schulischen Fremdsprachenunterrichts gemachte Lernerfahrungen, die Einfluss auf die Sprachlernhaltung nehmen. Zwischen Merkmalen der schulischen Lernumwelt (z.B. Vertrauen in die Lehrperson, Fach- und Unterrichtskompetenz der Fremdsprachenlehrkraft, Leistungsdruck im Fremdsprachenunterricht, Konkurrenzstreben und Anerkennung durch MitschülerInnen) und den verschiedenen motivationalen Orientierungen bestehen stärkere Wechselwirkungen, als dies bei Merkmalen der familiären Lernumwelt (z.B. Fremdsprachenkenntnisse der Mutter, Stellenwert des Fremdsprachenunterrichts für die Eltern sowie Häufigkeit der Konflikte wegen ungenügender Schulleistungen) der Fall ist (vgl. Holder 2005:162ff.).

      Es konnte außerdem gezeigt werden, dass sich die Bewertung des Unterrichts im Verlauf der Sekundarstufe I verschlechtert, weshalb Caspari (2008:22) die Abwahl der zweiten Fremdsprache Französisch auch als „Ergebnis von mehreren Jahren erlebten Unterrichts“ bewertet. Auch Meißner et al. stellen die Sprach(en)lernerfahrung in der Jahrgangsstufe 9 als den Faktor heraus, der den größten Einfluss auf die Sprachlernhaltung hat: „Die positivsten Attitüden waren bei jenen Schülern zu beobachten, die auch ein positives Unterrichts- und Lernerlebnis nachwiesen.“ (Meißner et al. 2008:79, Hervorh. d. Verf.) Nachfolgend soll deshalb der Begriff „Unterrichtserlebnis“ näher beleuchtet werden.

      3.4 Das Unterrichtserlebnis: Begriffsbestimmung und Konzeptualisierung

      Erklärungsansätze, die bei der Begründung individueller Unterschiede beim Fremdsprachenlernen mit dem Lern- bzw. Unterrichtserlebnis argumentieren und/oder es als Forschungsdesiderat benennen, tauchen in der Literatur immer wieder auf (vgl. u.a. Kallenbach 1996:191; Edmondson 1997:102ff.; Meißner 1997:19; Burk et al. 2001:119; Caspari 2008:22; Bär 2012:249; Beckmann 2016:351).

      In der MES-Studie erfolgt die Beschreibung und Interpretation des Unterrichtserlebnisses über die Formulierung von sechs Items, die zu dem Index „Die Wahrnehmung des Unterrichts der belegten Fremdsprachen“ zusammengefasst werden (vgl. Meißner et al. 2008:85). Anhand einer vierstufigen Skala müssen die Lernenden ihre Zustimmung zu diesen Aussagen einschätzen:

      1 Im Unterricht mache ich echte Fortschritte.

      2 Die Übungen sind langweilig.

      3 Der Unterricht macht mir immer ein bisschen Angst.

      4 Ich mag die Art, wie der Lehrer diese Sprache unterrichtet.

      5 Die Sprache interessiert mich wenig.

      6 Ich bin froh, diese Sprache zu lernen. (ebd.: 49)

      Die Zusammenstellung dieser Items zeigt, welche Vorannahmen in die Definition des Konstrukts „Unterrichtserlebnis“ eingeflossen sind. Wie in der Forschung zum Schul- und Unterrichtsklima spielt auch hier die Wahrnehmung der Lernenden eine zentrale Rolle. Berücksichtigt werden sowohl die Wahrnehmung unterrichtsmethodischer Aspekte (Item 2), der Lehrperson (Item 4), die Selbsteinschätzung (Item 1), das emotionale Erleben (Item 3) sowie die Einstellung zu einer bestimmten Fremdsprache bzw. zum Erlernen derselben (Item 5 und 6), wobei zu hinterfragen bleibt, ob die Aussagen der Items 5 und 6 wirklich dem Unterrichtserlebnis oder eher anderen Faktoren zuzurechnen sind.

      Doch wenngleich die Auswahl dieser Items durchaus nachvollziehbar erscheint, bleibt ungeklärt, worauf diese beruht. Gleichzeitig werden an dieser Stelle die Grenzen eines quantitativen Vorgehens bei der Erforschung des Unterrichtserlebnisses deutlich. Denn obwohl bspw. die Beantwortung des vierten Items darüber Auskunft gibt, ob den SchülerInnen die Art der Lehrkraft beim Unterrichten der Fremdsprache gefällt, liefert es keine tieferen Einsichten, was den Lernenden genau daran gefällt. Wenn man sich dem Unterrichtserlebnis der Lernenden nähern will, ist dies also nicht hinreichend über vordefinierte Items möglich, da ein solches auf Vorannahmen der Forschenden basierendes Verständnis zu kurz greift. Nun ging es bei der MES-Studie nicht in erster Linie darum, das Unterrichtserlebnis zu erforschen, sondern die Einstellungen der SchülerInnen zu erfassen. Trotzdem wird die zentrale Bedeutung des Unterrichtserlebens bei der Erklärung von Einstellungsunterschieden als eines der zentralen Ergebnisse der Studie hervorgehoben (s.o.), sodass eine nähere Beschäftigung mit dem Konstrukt unerlässlich erscheint.

      Auch Beckmann nennt „das Unterrichtserlebnis der Schüler und Studierenden“ (Beckmann 2016:9) als einen wichtigen Aspekt ihres Erkenntnisinteresses, macht in ihrer Untersuchung jedoch nicht explizit, wie sie das Unterrichtserlebnis konzeptualisiert. So lässt der Fragebogen ein Konstrukt „Unterrichtserlebnis“ vermissen und es kann nur angenommen werden, dass die Fragengruppe 9 des Schülerfragebogens auf die Erfassung des Unterrichtserlebnisses abzielt.1 Hier werden die Lernenden zunächst gebeten, die Priorisierung von Kompetenzen bzw. Unterrichtsgegenständen in allen belegten Schulfremdsprachen einzuschätzen und die Antwortalternativen „Hörverstehen, Leseverstehen, Schreiben, Sprechen, Grammatik und kulturelle Aspekte des Landes der Zielsprache“ (ebd.: 154) entsprechend ihrer Berücksichtigung im Unterricht zu sortieren. Im Anschluss an diese Frage sollen die Lernenden einschätzen, inwiefern die Prioritäten, die im Unterricht gesetzt werden, mit ihren Interessen übereinstimmen (vgl. ebd.). Das Verständnis, welches Beckmann bei der Interpretation des Unterrichtserlebnisses zugrunde legt, entspricht hier also der Frage, ob der Fremdsprachenunterricht den eigenen Interessen – im Sinne von (Kompetenz‑)Zielen – gerecht wird.

      Damit sei stellvertretend auf zwei quantitativ ausgerichtete Fragebogenstudien aus dem Bereich der fremdsprachendidaktischen Forschung verwiesen, die mit dem Begriff des Unterrichtserlebnisses arbeiten, diesen jedoch nicht genauer definieren. Für eine präzise Begriffsbestimmung soll ein Rückgriff auf die Pädagogik weiterhelfen, wo die terminologische Auseinandersetzung bereits auf eine viel längere Tradition zurückblickt.

      Historisch und systematisch betrachtet lassen sich die Termini „Erleben“ oder „Erlebnis“ im Bereich der Lebensphilosophie verorten und finden bereits Erwähnung in den Arbeiten von Nietzsche und Dilthey (vgl. Reinhold et al. 1999:135). Eine Zusammenschau der Verbreitung, Verwendung und Entwicklung des Begriffs legt Klaas (2013) vor.2 Dabei verweist er auf die Unterscheidung СКАЧАТЬ