Название: O du fröhliche, o du tödliche
Автор: Mila Roth
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Spionin wider Willen
isbn: 9783967110319
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Das Institut fiel ihr ein und die Schurken, die sie im vergangenen halben Jahr gemeinsam mit Markus Neumann hinter Gitter gebracht hatte. Aber die waren alle noch genau dort – im Gefängnis. Anscheinend wurde sie allmählich paranoid.
»Ich geh mal kurz mit Bella nach draußen«, beschloss sie, auch wenn sie sich innerlich eine dumme Gans schalt. Da draußen war überhaupt niemand.
Als die Hündin ihren Namen hörte, sprang sie freudig auf und hüpfte um Janna herum, die sich rasch eine Jacke überwarf und nach der Taschenlampe griff, die im Flur auf einem Regalbrett der Garderobe lag. »Bin gleich wieder da, dann können wir anfangen, das Chaos zu beseitigen«, rief sie betont fröhlich und verließ das Haus durch die Seitentür in der Küche. Bella folgte ihr und machte sich draußen sofort auf ihren üblichen Rundgang über das Grundstück.
Es nieselte leicht, die Luft roch nach nasser Erde und Laub. Die Lichterketten auf dem gesamten Grundstück ließen den Gutshof heimelig und zugleich verwunschen wirken. Janna liebte ihr Zuhause und konnte sich nicht vorstellen, jemals woanders zu leben. Der Anblick ihrer Familie, als sie um das Haus herumging und vom Garten aus durch eines der Wohnzimmerfenster hineinblickte, wärmte ihr das Herz. Ein sanftes Glücksgefühl durchfloss sie. Besser konnte sie es ganz sicher nicht haben.
Als in einiger Entfernung der Motor eines Autos ansprang, zuckte sie zusammen. Der Wagen fuhr nicht am Gutshof vorbei, sondern entfernte sich in die andere Richtung. Janna lächelte über ihre Schreckhaftigkeit, runzelte aber gleich darauf die Stirn, als der Fahrer des Wagens deutlich Gas gab. Die Stille des Winterabends trug die Geräusche besonders weit, und sie hätte schwören können, den Klang des Motors zu erkennen.
Aber das war erst recht völliger Unsinn, oder? Und ihr leicht erhöhter Herzschlag sowieso. Sie war wirklich ein dummes Huhn, ärgerte sie sich und rief nach Bella, die Augenblicke später schwanzwedelnd auf sie zu gerannt kam. »Komm, Süße, wir gehen wieder rein und gucken Kevin allein zu Haus. Das bringt mich wenigstens auf andere Gedanken.«
Warum sie nicht gleich die Hintertür nahm, sondern erst noch einmal zum Tor ging und rechts und links die Straße entlangblickte, darüber wollte sie gar nicht weiter nachdenken. Nur zur Sicherheit, redete sie sich ein. Nicht, dass am Ende doch jemand Fremdes hier herumlungerte. Obwohl Bella in diesem Fall längst Alarm geschlagen hätte. Die Hündin war jedoch zum Haupteingang des Gutshauses gestromert und schnüffelte dort an einer Schachtel herum, deren blaue Zierschleife im Schein der Lichterketten glänzte.
Überrascht ging Janna zu der dreistufigen Steintreppe, die zur Eingangstür hinaufführte, und nahm das Päckchen in die Hand. Ein Umschlag war daran befestigt, auf der in kantiger Männerhandschrift ihr Name stand. Die Schrift erkannte sie auf den ersten Blick nicht, sondern erst, als sie die Karte aus dem Umschlag zog und den Namen des Absenders las. Ihr Herz hüpfte erneut – vor Überraschung, was sonst? Also war Markus tatsächlich hier gewesen. Sie hatte sich, was das Motorengeräusch anging, nicht getäuscht. Es hatte zu seinem Z3 gepasst. War er es auch gewesen, dessen Blicke sie auf sich gespürt hatte? Nein, so ein Quatsch. Weshalb sollte er sie heimlich beobachten? Andererseits ...
Mit einer Mischung aus Freude und Nachdenklichkeit betrachtete sie die Schachtel teurer Pralinen und die Karte mit dem einfachen Weihnachtsgruß. Dann schmunzelte sie. Eines war mal sicher, Markus würde sich, was sein Verhältnis zu minimalistischen Geschenkverpackungen anging, hervorragend mit Till verstehen.
Sie rief erneut nach Bella und ging zusammen mit der Hündin zurück ins Haus. Die Pralinen deponierte sie sicherheitshalber in einem der Küchenschränke, denn sie wollte sich keine Erklärung einfallen lassen müssen, woher sie kamen.
Im Wohnzimmer waren die Kinder inzwischen eifrig dabei, das Papier, die bunten Schleifen und anderes Verpackungsmaterial in einem großen Karton zu verstauen. Linda nahm gerade die DVD des gewünschten Films aus der Hülle und legte sie in den Player.
Still setzte Janna sich in einen Sessel. Vom Anfang des Films bekam sie nicht allzu viel mit, denn ihre Gedanken kreisten ohne ihr Zutun immer wieder um die Pralinen und den Mann, der sie auf der obersten Stufe zu ihrem Haus hinterlassen hatte. Warum hatte er sich nicht gemeldet? Er hätte ihr eine SMS schreiben oder sogar anrufen können. Stattdessen hatte er sein Geschenk einfach abgelegt und war wieder verschwunden. Wie ein Geist ... oder ein Geheimagent eben. Wahrscheinlich hatte er einfach nicht stören wollen, aber weshalb hatte er den Weg überhaupt auf sich genommen? Er hätte ihr die Pralinen auch mit der Post schicken oder ein andermal überreichen können.
Janna knabberte an der Unterlippe. Kaum jemand, den sie kannte, käme um diese Zeit am Heiligen Abend auf die Idee, durch die Weltgeschichte zu fahren. Ihre Freunde und Bekannten waren jetzt ganz sicher alle damit beschäftigt, mit ihren Lieben zu feiern.
Da lag vielleicht der Hund begraben, überlegte sie. Markus hatte keine »Lieben«, mit denen er feiern konnte. Sicher, da waren sein Vater und dessen Frau, aber soweit sie es verstanden hatte, herrschte zwischen Vater und Sohn nicht die innige Verbundenheit, die sie aus ihrer eigenen Familie kannte. Markus hatte ihr erzählt, dass er am Weihnachtsabend meistens zum Essen ins HellHole ging, den kleinen Irish Pub in der Bonner Innenstadt. Vermutlich war es nicht nur das Essen, sondern auch die Gesellschaft anderer Menschen, die er dort suchte. Wer wollte an Weihnachten schon ganz allein sein?
Während sich Macaulay Culkin mit den beiden Einbrechern herumschlug und um Janna herum immer wieder schallend gelacht wurde, nagte dieser Gedanke an ihr. Markus war ihr in den vergangenen Monaten so etwas wie ein Freund geworden. Und selbst er, der sich normalerweise weigerte, jedwede Bindung einzugehen, hatte sie bei ihrem letzten gemeinsamen Abenteuer wissen lassen, dass er sich ihr durchaus freundschaftlich verbunden fühlte. Eine Tatsache, über die sie noch nicht weiter nachgedacht hatte, denn sie vermied es meistens, sich über den verschlossenen und manchmal auch arroganten Agenten zu viele Gedanken zu machen. Nun hatte er sich jedoch hartnäckig in ihrem Kopf festgesetzt und ließ sich nicht mehr vertreiben. Das machte sie unruhig, und in ihr wuchs das Bedürfnis, sich persönlich für das Geschenk zu bedanken. Ob sie ihn anrufen sollte? Vielleicht hatte er ja gerade nur schnell die Pralinen hier abgelegt und war dann zu seiner Freundin gefahren. Wie hieß sie noch gleich? Celine!
Sie versuchte sich die junge Frau vorzustellen, deren Stimme sie einmal kurz übers Handy gehört hatte. Fröhlich und ein bisschen keck, vollkommen unkompliziert. Mit solchen Frauen umgab sich Markus sicherlich schon immer, boten oberflächliche Beziehungen mit ihnen doch kaum Fallstricke. Wenn er genug von einer hatte, zog er zur nächsten weiter.
Halt, nein, er konnte gar nicht mit Celine zusammen sein. Hatte er nicht auf der Rückfahrt vom Schwarzwald, wo sie ihr letztes gemeinsames Abenteuer bestanden hatten, erzählt, dass sie über die Feiertage zum Skifahren in den Alpen sein würde?
Um Janna herum brandete erneut Gelächter auf, und sie bemühte sich, ihre Aufmerksamkeit auf den Film zu richten. Es gelang ihr nicht. Nach weiteren fünf Minuten des Haderns mit sich richtete sie sich im Sessel auf. »Ich muss noch mal weg.«
»Was?« Überrascht setzte sich auch Linda auf. »Wohin denn?«
Da sich die Augen aller Anwesenden auf Janna richteten, drückte Bernhard rasch die Pausetaste auf der Fernbedienung.
Janna hätte sich ohrfeigen mögen, doch nun musste sie sehen, wie sie aus der Sache heil herauskam. »Ja, wisst ihr, ich bin noch von ein paar Leuten eingeladen worden ... vom Institut.«
»Dem Meinungsforschungsinstitut, für das du neuerdings so oft arbeitest?« Feli grinste. »Sind da ein paar gute Typen dabei? Dann komme ich mit.«
»Äh, nein, nicht wirklich.« СКАЧАТЬ