O du fröhliche, o du tödliche. Mila Roth
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Название: O du fröhliche, o du tödliche

Автор: Mila Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Spionin wider Willen

isbn: 9783967110319

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      »Ja, damit sie wenigstens schön aussehen.«

      »Dann bist du doch jetzt zufrieden und ich hab meine Ruhe.«

      Janna musste über seinen altklugen Tonfall schmunzeln; es fiel ihr schwer, ernst zu bleiben. »Kinder, vertragt euch. Es ist Weihnachten.« Um sie abzulenken, scheuchte sie die beiden ins Bad, damit sie sich noch einmal die Hände wuschen. Augenblicke später klingelte das kleine Glöckchen, mit dem Jannas Vater früher bereits sie und ihre Geschwister zur Bescherung gerufen hatte.

      ***

      Landstraße zwischen Rheinbach und Gut Tomberg

      Samstag, 24. Dezember, 19:10 Uhr

      Um der gefühlt eintausendsten Wiederholung von Last Christmas im Radio zu entgehen, hatte Markus Neumann einen USB-Stick mit seinen Lieblingsjazzstücken herausgesucht und genoss nun die weichen Klavier- und Klarinettentöne, die aus den Lautsprechern über ihn hinwegrieselten. Das half, die lästige Stimme in seinem Kopf zu ignorieren, die ihn beständig fragte, was er um diese Zeit am Heiligen Abend hier auf der Landstraße zu suchen hatte. Im Grunde war es ja auch vollkommen logisch. Janna Berg hatte ihm postalisch ein Päckchen mit selbst gebackenen Plätzchen und Lebkuchen sowie eine ausgesprochen nette Weihnachtskarte zukommen lassen. Dabei war ihm ganz kurz unwohl gewesen, dass sie seine Postadresse kannte. Doch immerhin hatte er sie vor einiger Zeit im Rahmen eines Einsatzes einmal kurz mit zu seiner Wohnung genommen.

      Das Päckchen war heute bei ihm eingetroffen und hatte ihn, obwohl er sich für verrückt erklärte, doch ein wenig in Bedrängnis gebracht. Ein paar langjährige Kolleginnen und Kollegen sowie Leute, mit denen er gut bekannt war, hatten von ihm bereits in der vergangenen Woche kleine Geschenke bekommen. Die Frauen Pralinen, die Männer je nach entsprechendem Geschmack eine Flasche Wein, Whiskey oder Scotch.

      Janna hatte er in dieser Hinsicht standhaft aus seinen Gedanken ausgeklammert und auch nicht damit gerechnet, dass sie ihn zu Weihnachten mit einem Geschenk bedenken würde. Noch dazu einem von ihr selbst hergestellten. Die Plätzchen waren ganz hervorragend, und die Lebkuchen hatten garantiert die Kinder so hübsch bunt verziert.

      Das hatte ihn dazu bewogen, sich mehr oder weniger den gesamten Tag den Kopf zu zerbrechen, was er ihr auf die Schnelle noch kaufen könnte. Erschwert wurde die Sache dadurch, dass die meisten Geschäfte spätestens kurz nach Mittag ihre Pforten geschlossen hatten.

      Am Ende hatte er sich, verärgert über sich selbst, für die letzte verbliebene Schachtel Pralinen entschieden, die nur übrig war, weil er sich beim Einkaufen verzählt hatte. Immerhin waren es feine belgische Trüffel. Teuer. Edel. Mit einer hübschen blauen Schleife versehen. Eine Karte hatte er auch noch gefunden und einen kurzen Weihnachtsgruß hineingeschrieben.

      Es war natürlich vollkommen irrational, das Geschenk noch heute zu ihr zu bringen. Dazu wäre ein andermal auch noch Zeit gewesen. Doch den morgigen Tag würde er wohl oder übel mit seinem Vater und seiner Stiefmutter verbringen müssen, und er konnte nicht garantieren, dass seine Stimmung danach noch salonfähig sein würde. Also doch lieber heute. An Heiligabend hatte er nie viel vor. Wenn er nicht arbeiten musste, ging er entweder bei gutem Wetter wandern oder machte es sich bei schlechtem Wetter – wie heute – mit ein paar guten Filmen auf der Couch bequem.

      Als er den Abzweig zu dem Gut nahm, auf dem Janna mit ihrer Familie lebte, setzte zum wiederholten Male an diesem Abend leichter Nieselregen ein. Weiße Weihnachten waren weit und breit nicht in Sicht. Das Thermometer zeigte vier Grad an, für den morgigen ersten Feiertag hatten die Wetterfrösche bis zu neun Grad und weiteren Regen vorhergesagt.

      Um sich nicht im Schlamm festzufahren, parkte Markus seinen schwarzen Z3 diesmal nicht auf dem Feldweg neben dem kleinen Gesindehaus, so wie er es zuvor immer getan hatte. Stattdessen stellte er den Wagen auf einem kleinen Wandererparkplatz ab und ging die letzten knapp zweihundert Meter zu Fuß.

      Das riesige Grundstück war an drei Seiten von mannshohen Hecken umgeben, lediglich zur Straße hin stand noch die vermutlich bereits jahrhundertealte Bruchsteinmauer mit dem schmiedeeisernen Tor, das wie immer weit und einladend offen stand. Links und rechts der Zufahrt gab es zwei antik wirkende Lampen, in denen moderne Energiesparbirnen leuchteten. Doch heute fielen sie fast gar nicht auf.

      Markus blieb vor dem Tor stehen und kam sich fast vor wie in eine andere Welt versetzt. Die Mauer war mit einer warm glitzernden Lichterkette und Tannengirlanden geschmückt, in der goldene und silberne Kugeln und Ornamente das Licht der Lämpchen reflektierten. Links vor dem Tor stand ein ebenso geschmückter und beleuchteter mannshoher Tannenbaum.

      Obgleich er wie immer vorsichtig darauf bedacht war, von niemandem gesehen zu werden, trat Markus nun doch durch das Tor und sah sich eingehend um.

      Links stand das kleine Gesindehaus, in dem Janna mit den Kindern bisher gewohnt hatte. Die Fenster waren mit Lichterketten, Pyramiden und Fensterbildern dekoriert. Die Dachrinne zierten beleuchtete Eiszapfen. Auch einige Büsche und Bäumchen ringsum wurden durch LED-Lichterketten erleuchtet und verwandelten den Hof trotz fehlenden Schnees in ein Winterwunderland. Neben der Eingangstür des Gesindehauses gab es einen Korb mit weihnachtlichem Gesteck, daneben ein grinsendes Rentier aus bemaltem Steingut. Ein großes ovales, ganz sicher von den Kindern gebasteltes und bemaltes Schild aus Salzteig an der Tür verkündete Frohe Weihnachten.

      Da im Gesindehaus weiter kein Licht brannte, ging Markus linksherum, auf die Rückseite des Grundstücks, und von dort aus zum großen Gutshaus. Janna hatte ihm erzählt, dass sie vor dem Jahresende dort einziehen und mit ihren Eltern die Wohnungen tauschen würde. Er selbst hatte im Oktober bei der Renovierung eines der Kinderzimmer geholfen. Allerdings nicht ganz freiwillig und nur, weil ihm eine anderweitige Beschäftigung gefehlt hatte, während er eine Zeit lang den Personenschutz für Janna übernommen hatte. Er nahm an, dass der Umzug mittlerweile über die Bühne gegangen war. Aber selbst wenn nicht, würde doch bestimmt die ganze Familie gemeinsam Weihnachten feiern. Janna war, im Gegensatz zu ihm, ein absoluter Familienmensch und genoss es, Zeit im Kreis ihrer Lieben zu verbringen. Allerdings hatte sie, anders als er, eine Familie, die man tatsächlich so nennen konnte.

      Auch das Gutshaus war rundum mit Lichtern, Tannengirlanden, Weihnachtsschmuck und allerlei Krimskrams geschmückt. Wenn er diesen überschwänglichen Tribut an das Christfest mit der einfachen Weihnachtspyramide verglich, die er alljährlich in seinem Wohnzimmerfenster aufstellte, kam er sich wirklich wie auf einem anderen Planeten vor. Was das Gefühl des Unwohlseins prompt wieder verstärkte.

      Als Kind hatte er zu Weihnachten höchstens einen aufklappbaren künstlichen Weihnachtsbaum gekannt, falls seine Mutter überhaupt daran gedacht hatte. Später dann, als sein Vater ihn bei sich aufgenommen hatte, lernte er den gehobenen Chic kennen, mit dem seine Stiefmutter Agnetta das Haus zu dekorieren pflegte. Alles war stets farblich aufeinander abgestimmt und von exquisiter Qualität gewesen, der Tannenbaum immer eine Nordmanntanne ohne den geringsten Makel. Auch morgen, bei seinem Feiertagspflichtbesuch, würde er ein perfekt gestyltes Haus in Weihnachtsstimmung vorfinden. Nicht, dass er dagegen etwas einzuwenden hatte. Agnetta war eine nette Person, er mochte sie und war ihr dankbar, dass sie sich um den verwilderten und rebellischen Jungen gekümmert hatte, der er gewesen war.

      Doch als Markus seitlich im Schatten eines Strauchs an eines der großen Wohnzimmerfenster trat, versetzte ihm das Bild, das sich ihm bot, einen heftigen Stich in die Magengrube. Zuerst fiel ihm der zimmerhohe Tannenbaum ins Auge. Perfekt geformt schien er nicht zu sein, doch das konnte man unter den Unmengen von bunten Kugeln, Girlanden, Ornamenten und Lichterketten kaum mehr erkennen. Echtes Lametta, nicht dieses flatterige, hässliche Zeug, das oftmals in der Bonner Altstadt die Weihnachtsdeko vervollständigte, reflektierte das Licht der elektrischen Kerzen. Markus, geschult darin, Details wahrzunehmen, entdeckte sogar Baumschmuck aus echten Lebkuchen СКАЧАТЬ