Ab 40 wird's einfach nicht schwer. Sylvia Kling
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Название: Ab 40 wird's einfach nicht schwer

Автор: Sylvia Kling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783956691492

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СКАЧАТЬ lachte Frau Schröder. Silke fühlte sich wohl in diesem Wohnzimmer und es roch unglaublich frisch. Wieso erwartete man bei alten Leuten eigentlich immer einen abgestandenen, unangenehmen Geruch? Angeblich hinge das ja mit dem Stoffwechsel zusammen, aber auch mit Medikamenten. Dazu kam noch, dass man alten Leuten nachsagte, sie lüfteten weniger, weil sie schneller froren. Das hatte Silke zumindest mal gelesen. Worüber sie sich aber auch immer Gedanken machte! Staunend sah sie sich um. Frau Schröder hatte Geschmack. Auf den zwei Anrichten standen nur wenige Schmuckstücke, dazwischen ein Strauß roter Rosen. Auch auf dem Echtholztisch vor der Couch thronte ein Strauß weißer Rosen. Die Couch schmückten nur zwei riesige, rot-weiße Kissen. Eigentlich war das kaum ein Wohnzimmer alter Leute, es hätte durchaus zu ihrem Alter gepasst. Einzig die vergilbten Fotos in braunen Rahmen deuteten darauf hin, dass hier Menschen wohnten, deren Verwandte noch den Krieg erlebt hatten.

      Sie unterhielten sich über viele Dinge, auch über Kunst und Kultur. Silke war erstaunt, wie gebildet die beiden waren. Als Herr Schröder von der Musik Chopins und Beethovens erzählte und Details beschrieb, klappte Silke die Kinnlade runter.

      »Ich habe sogar mal die Klaviersonate Nr. 1 gespielt. Es glaubt mir nur niemand«, meinte Herr Schröder. Sie kam aus dem Staunen kaum mehr heraus.

      »Er war mal Dozent an einer Hochschule für Musik«, erklärte Frau Schröder stolz. Silke lauschte Herrn Schröder gern, der oft überlegen musste, was er schon erzählt hatte und was noch nicht. Frau Schröder hing an seinen Lippen, obwohl sie das sicher schon sehr oft gehört hatte. Ein süßes Paar, dachte Silke, nicht ohne Wehmut. Nach über zwei Stunden verabschiedete sie sich erschöpft, aber glücklich. Die Schröders könnten im Laufe der Zeit zu lieben Vertrauten werden. Vielleicht sollte es so sein, denn mit ihrer Mutter konnte sie nichts anfangen. Und ihr Vater? Der lebte auf einer eigenen Insel und versiegelte seine Vergangenheit. Wahrscheinlich träumte er von Erich Honecker und Egon Krenz oder Mielke oder sonst welchen alten, roten Socken und fuhr wieder Trabi, um sich den Geruch der alten Zeit einzuverleiben. Ewig zurückgeblieben.

      Als Silke wieder in ihr Haus hinüberging und die gewohnte Stille sie empfing, kamen ihr Tränen. Verdammt! Diese Einsamkeit. Es ist nichts hier. Nur diese Lautlosigkeit, die mir einen erneuten Abend ohne freundliche und liebevolle Augen einbringt. Immer wieder, dachte sie und ließ sich auf ihre weiße Ledercouch fallen. Ihr Kater kroch von seiner Lieblingsdecke auf der anderen Seite der Couch zu ihr. Hier waren Augen, Katzenaugen! Immerhin. Sie griff nach ihrem Laptop. Ohne viel darüber nachzudenken, öffnete sie eine kostenlose Kontaktbörse und meldete sich an.

      »Lass uns reden«, hieß die Plattform, deren Name nicht sehr einfallsreich war, aber besser als nichts. Schnell hatte sie ein Profil angelegt und ein Foto von sich eingestellt. Vorlieben, Lieblingsessen, Lieblingsbücher, Lieblingsfilme, Charaktereigenschaften … Warum musste man eine Single-Plattform aufsuchen, um so intensiv über sich nachzudenken? Über eine Stunde beschäftigte sie sich mit den Fragen für ihr Profil. Dann sah sie es: fünfundzwanzig Nachrichten innerhalb weniger Minuten. Alle von Männern: junge Männer im Alter von Julian, Männer in ihrem Alter, Männer um die sechzig und Männer im Greisenalter. Um Himmels willen! So viel wollte sie nun auch wieder nicht reden. Sind die alle so einsam wie ich?, dachte sie und öffnete die Nachrichten, eine nach der anderen. Nach der zehnten loggte sie sich aus. Ihr Herz raste. Das durfte doch nicht wahr sein! Waren das die Männer von heute; die Welt von heute? War das die neue Kommunikation? Silke goss sich noch ein Glas Wein ein, machte es sich auf der Couch bequem und starrte vor sich hin. Einen liebevollen Partner finden – wie denn? So? In ihrem Kopf tauchten die Nachrichten wie auf einem Bildschirm auf, eine nach der anderen.

      JOGI123: »Hey süße Frau schönes Pic« »Satzzeichen unbekannt« hätte sein Nickname lauten müssen.

      Biertrinker6: »Alles klar bei dir? schöne Augen.« Autsch!

      leckwilliger65: »Schreib mir mal oder komm gleich vorbei, ich zeig’s dir.« Niemals!

      bunterhund: »Hallo« Aha.

      montenbike59: »Wow! Hast Lust auf nen Sex-Chat?« Nö.

      lehrjahre: »Bin alleine, du auch?« Du nicht, hast ja immer einen mitlaufen.

      kraftprotz: »Brauche dich, bist du bereit?« Na klar, zum Abschießen.

      lastminute: »Nichts los heute hier, außer dich.« Hilfe!

      derandere: »Lass uns doch treffen, jetzt.« Noch was?

      lebendigsein58: »Ey, Lust zu chatten?« Lieber will ich tot sein.

      Das waren nur die ersten zehn. War’s das also für mich? Das ist unsere neue Welt? Keine Begrüßung, kein freundliches Wort, mit der Tür ins Haus fallen; stillos. Wo sind die Männer von damals, die mit den witzigen Frisuren, mit den Briefen, Anrufen, den ersten Dates?, dachte Silke verzweifelt. Wo waren die Jungs von damals, die sie zum Tanzen aufforderten, ihr Zettel mit »Willst du mit mir gehen? Kreuze an: Ja/Nein/Vielleicht« in die Tasche steckten, wo die witzigen Einfälle der Männer vor fünfundzwanzig Jahren? Sie waren jetzt alle auch so alt wie sie – hatten sie inzwischen alles vergessen?

      Am nächsten Tag öffnete sie wieder ihr Postfach der Singlebörse »Lass uns reden«. Und ihr graute. Vierzig Nachrichten! Sie hechelten hinter ihr her. Wie die Ausgebrannten, Vergessenen, Vereinsamten.

      »Deine Möse ist bestimmt dauernass, oder?«, schrieb Hemmungsloser80. Igitt! Erster Kontakt … Es kam noch schlimmer.

      »Hast du es schon mal mit einem Hund getrieben?«, fragte Planloser. Der Nickname war sicher berechtigt … Silke graute es. Doch es kam noch viel schlimmer. Legendärer schrieb eine lange Nachricht. Das war schon ein Höhepunkt, an dem sie nicht vorbeiklicken wollte:

      »Simone …« (Wie bitte? Schon jetzt Namensverwechslungen oder nur copy und paste?)

      »Dich möcht, will, muss ich unbedingt kennenlernen, um Dich im Optimalfall zu entsingeln … betrachte dich schon mal als vom Markt genommen … damit Du schon mal bissl weisst wie ich tick: ich bin selbstverständlich toll, wunderbar, dauerarm aber ansonsten ziemlich perfekt … die letzten Jahre mit nem ollen Bus, arbeitend, durch ganz Europa getingelt um wieder hier in der Gegend zu landen und mich in nen Minihexenhäusl zu verknallen welches ich grad zur ›Burg‹ ausbau. Ich hab der Berufe mehrere gelernt, trink kein Bier, geh liebend gern früh zum Bäcker … hasse allerdings ansonsten jedwedes Eingekaufe (der Job wird wohl an Dir hängen bleiben) … ich mag meinen Morgenkaffee mit ganz viel normaler Milch … was mich aber trotzdem nich zum augenbrauenzupfenden Betamännchen werden lässt. Ich liebe das Leben, steh auf Kurztrips und möcht teilen … ja tatsächlich nen Ankommen auch wenn’s arg nach Klischee klingen mag … ich will vögeln mit Vertrauen, Hingabe und Gefühl, wies nur in ner Partnerschaft geht. Fakt is, wir haben alle nur verdammt wenig Zeit zum Leben, so ists um jede verschenkte oder verzögerte Minute, welche nicht mit gemeinsam Glücklichsein verbracht wird … echt Schade.«

      Bei der Nachricht hatte der Typ sicher schon drei Achtel auf dem Kessel! Das Dilemma war leider noch nicht beendet und überrascht von so viel unglaublicher Selbstüberschätzung, schlechtem Deutsch und dazu noch Dummheit, musste sie weiterlesen:

      »… und bei allem Humor is das recht ernst gemeint … zumal so Internetkennlerngeschreibsel ja gar nicht so einfach is und Du gefällst mir nun mal … na irgend ne Gier nu geweckt … ich will ganz viel wissen … wie wohnst? Bunt? Ikea? Modern? Schwarz? Konservativ oder oder? Mit was bist zu begeistern? Mit was zu ärchern? Was hast für Vorlieben? Was für Nogos? Wie gehen wir das Ding mit dem Weltfrieden an? Wann stehste da, um sich zeitnah gegenseitig zu beriechen mit irgendwas aus Flaschen … im Optimalfall mit gegenseitig kosten? Was willst noch vom Leben? Was hast für Träume? Was für Ängste? Was Deine Schlechtigkeiten? Und und und … alles halt … all so Zeugs musst, darfst, СКАЧАТЬ