Schattengeister. Frances Hardinge
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Читать онлайн книгу Schattengeister - Frances Hardinge страница 15

Название: Schattengeister

Автор: Frances Hardinge

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783772541445

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СКАЧАТЬ anderen sog sie mit erzwungener Ruhe in ihre Lungen und versuchte gleichzeitig, ihren Herzschlag zu verlangsamen. Sie schob die Angst, dass Bär sie von innen heraus zerfetzen würde, beiseite.

      Ganz ruhig, flüsterte sie ihm in Gedanken zu.

      Wieder stellte sie sich den Bären vor, aber jetzt stand sie im Geiste neben ihm, die Arme ausgestreckt, genau wie in jenem Moment, als sie versucht hatten, sich gegenseitig zu beschützen.

      Ganz ruhig. Ganz ruhig, Bär. Ich bin’s.

      Das stumme Brüllen wurde leiser und ging in ein unruhiges Knurren über. Vielleicht erkannte er sie, nur ein bisschen. Vielleicht verstand er allmählich, dass er nicht angegriffen wurde.

      Ich bin dein Freund, sagte sie zu ihm. Und dann: Ich bin deine Höhle.

      Höhle. Er kannte keine Worte, aber Makepeace fühlte, wie er die Vorstellung zögernd annahm, wie einen Apfel, den sie ihm darbot. Vielleicht hatte er niemals in der Wildnis gelebt, sondern war bereits in Gefangenschaft geboren worden. Aber er war immer noch ein Bär, und tief in seiner Seele wusste er, was eine Höhle war. Eine Höhle war kein Gefängnis. Eine Höhle war Geborgenheit.

      Während er sich allmählich beruhigte, fragte sich Makepeace, wie ihr seine Gegenwart in ihrem Kopf nur hatte entgehen können. Vielleicht waren ihre Übelkeit und ihr merkwürdiges Verhalten das Resultat ihres Bestrebens gewesen, in ihrem Geist Platz für ihn zu schaffen.

      Und er war riesig, wenn ein solches Wort auf ein Geistwesen überhaupt zutreffen konnte. Makepeace spürte nun seine gedankenlose Stärke. Vermutlich könnte er ihren Geist genauso leicht zerschmettern wie seine Pranken ihre Kehle hätten herausreißen können, als er noch am Leben gewesen war. Aber er war jetzt ruhiger, und sie merkte, wie er die Kontrolle über ihren Körper ein Stück weit an sie zurückgab. Wenigstens konnte sie wieder schlucken, ihre Schultern entspannen und ihre Finger bewegen.

      Makepeace raffte ihren ganzen Mut zusammen und öffnete langsam die Augen. Sie schaute bewusst nicht zum Fenster. Gitter bedeuteten Gefangenschaft für Bär, und sie wollte nicht, dass er wieder in Panik geriet. Stattdessen blickte sie auf ihre Hände.

      Sie ließ Bär sie sehen und krümmte langsam die Finger, damit er begriff, dass dies die einzigen Tatzen waren, die er jetzt noch hatte. Sie zeigte ihm die zerbrochenen und gesplitterten Nägel und die blutigen Fingerspitzen. Keine Krallen, Bär. Tut mir leid.

      Ein kleines, dunkles Beben durchzog Bär. Dann senkte er Makepeaces Kopf und leckte mit ihrer Zunge über die verwundeten Finger.

      Er war ein Tier und kannte weder Schuld noch Sühne. Er war ein Geist, dem man nicht vertrauen konnte. Vielleicht versorgte der Bär einfach nur instinktiv seine Verletzungen. Aber das Lecken war sehr sanft, als ob sie ein verwundetes Bärenjunges wäre.

      Als der junge Diener mit einer Gerte das Zimmer betrat, um Makepeace zu züchtigen, weil sie «wie eine Heidin geheult und alle Teufel aus der Hölle herbeigerufen» hatte, war Makepeaces Entschluss gefasst. Sie würde Bär nicht verraten.

      Lord Fellmotte hatte behauptet, es sei gefährlich, einen wilden Geist im Kopf zu haben, und vielleicht sprach er die Wahrheit. Aber sie mochte Obadiah nicht. Unter seinem Blick hatte sie sich wie eine Maus im Eulenrevier gefühlt. Wenn sie ihm von Bär erzählte, würde er Bär aus ihr herauszerren und vernichten.

      Es war riskant, einem solchen Mann etwas vorzuenthalten. Wenn er jemals herausfand, dass Makepeace ein solches Geheimnis hatte, dann würde er vermutlich sehr wütend werden. Vielleicht würde er sie auf dem Moor aussetzen, wie er gedroht hatte, oder sie nach Bedlam schicken, wo man sie ankettete und auspeitschte.

      Aber sie war froh, dass niemand auf ihre Hilferufe reagiert hatte. Bär hatte im Leben nie eine Chance gehabt. Sie war alles, was Bär hatte. Und Bär war alles, was sie hatte.

      Und so sagte sie nichts, als die Gerte ein halbes Dutzend Mal auf ihre Schultern und ihren Rücken niedersauste. Die Hiebe stachen, und Makepeace wusste, dass sie Striemen hinterlassen würden. Sie kniff die Augen zusammen und gab sich alle Mühe, Bär in ihrem Geist ruhig zu halten. Wenn sie wieder die Kontrolle verlor und zuschlug, dann würde früher oder später jemand auf die Idee kommen, dass sie womöglich einen geisterhaften Passagier in sich trug.

      «Das bereitet mir kein Vergnügen, weißt du», sagte der junge Mann mit frömmelnder Stimme, und Makepeace dachte, dass er das vermutlich tatsächlich glaubte. «Es ist zu deinem eigenen Besten.» Er hatte wahrscheinlich noch niemals so viel Macht über einen anderen Menschen gehabt.

      Als er ging, standen Tränen in Makepeaces Augen, und sie hatte den Eindruck, als würde jemand rot glühende Eisen in das Fleisch auf ihrem Rücken drücken. Das Gefühl löste Erinnerungen aus, die aber nicht ihre eigenen waren.

      Gitarrenklänge und Tamburinrasseln vibrierten in ihren Knochen und erschufen ein Bild von glühenden Kohlen unter ihren weichen, kindlichen Tatzen, die sie zum Tanzen zwangen. Sie torkelte und wollte sich auf alle viere fallen lassen, was ihr einen Schlag auf ihre empfindliche Schnauze einbrachte.

      Es waren die Erinnerungen von Bär an seine frühe Kindheit, als man ihn abgerichtet hatte. Sie fühlte, wie sie um seinetwillen wütend wurde, und umarmte sich selbst, weil dies die einzige Möglichkeit war, wie sie ihn umarmen konnte.

      In diesem Moment teilten Makepeace und Bär eine Erkenntnis. Manchmal musste man geduldig sein, weil man ansonsten noch mehr Schmerzen erlitt. Manchmal musste man alles aushalten und einstecken. Wenn man Glück hatte und wenn alle Welt dachte, man sei gezähmt und gebändigt … dann mochte eine Zeit kommen, wo man zurückschlagen konnte.

       KAPITEL 6

      Makepeace erwachte von einem leisen Geräusch. Tink, tink, tink. Einen Augenblick lang war sie verwirrt, bis ihre schmerzenden und wunden Glieder sie wieder daran erinnerten, wo sie war. Man hatte ihr weder eine Kerze noch ein Binsenlicht anvertraut, und so kam die einzige Helligkeit von dem Fenster.

      Verblüfft erkannte sie einen Kopf am Fenster, der dunkel vor dem violetten Abendhimmel stand. Während sie noch hinstarrte, kam eine Hand in Sicht, die an die Gitterstäbe klopfte. Tink, tink, tink.

      «Hey!», tönte ein Flüstern.

      Schwankend stand Makepeace auf und humpelte zum Fenster. Zu ihrer Überraschung sah sie, dass sich ein schlaksiger Junge von etwa vierzehn Jahren an die Außenwand klammerte. Er schien auf einer Art schmalem Vorsprung zu balancieren und hielt sich mit einer Hand an den Gitterstäben fest. Er hatte kastanienbraunes Haar und ein freundliches, hässliches, eigenwilliges Gesicht. Dass hinter ihm ein vier Stockwerke tiefer Abgrund gähnte, schien ihn nicht zu kümmern. Seine Kleidung war besser als ihre, fast zu gut für einen Dienstboten.

      «Wer bist du?», fragte sie.

      «James Winnersh», antwortete er, als ob das alles erklären würde.

      «Was willst du?», zischte sie. Sie war sich ganz sicher, dass er eigentlich nicht hier sein durfte. Sie hatte auch gehört, dass manche Leute Bedlam nur deswegen besuchten, um sich über die Wahnsinnigen lustig zu machen, und sie war nicht in Stimmung für Hohn und Gekicher.

      «Ich wollte dich sehen!», sagte er immer noch flüsternd. «Komm her. Ich will mit dir reden.»

      Zögernd näherte sie sich dem Fenster. Sie spürte, dass Bär sich in der Nähe von Menschen unbehaglich fühlte, und sie wollte nicht, СКАЧАТЬ