Название: Apropos Gestern
Автор: Georg Markus
Издательство: Bookwire
Жанр: Афоризмы и цитаты
isbn: 9783902998927
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EIN KUGELSCHREIBER FÜR DIE MAJESTÄT
Königin Fabiola bedankt sich
Im September 1971 durfte ich das belgische Königspaar Baudouin und Fabiola fünf Tage lang auf seinem Staatsbesuch quer durch Österreich begleiten, wobei ich in Salzburg in geradezu persönlichen Kontakt mit der Monarchin geriet: Es war einer älteren Dame gelungen, mit ihrem Autogrammheft alle Absperrungen zu überwinden und zu Fabiola vorzudringen. Die Königin wollte unterzeichnen, musste jedoch feststellen, dass sie kein Schreibgerät bei sich hatte. Während sie nun Hilfe suchend in die Runde der sie begleitenden Sicherheitskräfte und Reporter blickte, reichte ich ihr meinen Kugelschreiben Ein freundliches Merci beaucoup aus königlichem Munde war der Dank, ehe mir Ihre Majestät den Griffel retournierte. Ein anderes Mal begab ich mich im Schlepptau der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi in die Wiener Staatsoper, in die Spanische Hofreitschule und in die Albertina, um möglichst ausführlich über deren offiziellen Besuch zu berichten.
Obwohl das natürlich spannende Aufgaben waren, die man mir als jungem Spund schon überließ, blieb der Wunsch aufrecht, den ich bei meinem Vorstellungsgespräch Herrn Jäger gegenüber geäußert hatte: Ich wollte Künstler interviewen, wie das – so weiß ich es mittlerweile – leider alle Nachwuchsreporter wollen. Maxi Böhm und Familie sprangen mit Freuden ein, ich schrieb in der »Kurier«-Farbbeilage unter dem Titel »Maxis Mini« über die schauspielerischen Ambitionen seiner Tochter Christine, die mit ihren siebzehn Jahren bereits in einer Otto-Schenk-Inszenierung von Molnárs »Liliom« auftrat. Wer hätte gedacht, dass ich wenige Jahre später über den tragischen Tod der bezaubernden Christine berichten musste.
»NICHT IMMER NUR DER WURSTEL SEIN«
In Gunther Philipps Garderobe
In meinem Archiv habe ich eine frühe Reportage gefunden, an die ich mich insofern gerne erinnere, als sie mir in der Redaktion – unverdienterweise – Ansehen und Renommee verschaffte. Den Hintergrund dazu verstehe ich bis heute nicht ganz. Maxi Böhm, der treue Freund, sollte damals in den Wiener Kammerspielen die Rolle von Gunther Philipp in der Komödie »Ein Mädchen in der Suppe« übernehmen, weil dieser anderweitigen Verpflichtungen nachkommen musste. Maxi lud mich ein, ihn in eine der letzten Vorstellungen mit der Erstbesetzung zu begleiten, und danach gingen wir hinter die Bühne, um Gunther Philipp zu besuchen.
Maxi stellte mich seinem Kollegen mit den Worten »Das ist der Georg Markus vom ›Kurier‹« vor.
Darauf Gunther Philipp: »Also gut, wenn Sie unbedingt wollen, gebe ich Ihnen ein Interview.«
Ich war perplex, zumal ich kein Wort von einem Interview gesagt hatte, geschweige denn, dass ich »unbedingt« eines wollte.
Dennoch meldete ich mich am nächsten Morgen bei Kurt Kahl, damals Chef der Farbbeilage am Samstag, und erklärte ihm, dass ich ein Interview mit Gunther Philipp bekommen könnte.
Kahl sah von seinem Schreibtisch auf und machte den Eindruck, als könnte er meinen Worten keinen Glauben schenken. »Gunther Philipp gibt Ihnen ein Interview?«
»Ja, so hat er’s gesagt.«
»Das ist ja unglaublich. Meine Leute versuchen das seit Wochen, seit er in den Kammerspielen gastiert, aber er hat es jedes Mal abgelehnt.«
Ich traf den berühmten Komiker zu dem vereinbarten Interview und schrieb den Artikel, der unter dem Titel »Nicht immer nur der Wurstel sein« erschien.
Von diesem Tag an hatte ich in der Redaktion einen wesentlich besseren Stand, galt ich doch plötzlich als derjenige, der mit der Prominenz auf Tuchfühlung stand, denn wer bekommt schon ein Interview mit Gunther Philipp?
Lange war mir das Ganze, wie gesagt, unklar geblieben, ich hatte den Komiker weder gekannt, noch ihn zu überreden versucht – er selbst war es, der sich angeboten hatte. Viele Jahre später, als ich für den ORF das Drehbuch für ein Hans-Moser-Fernsehporträt schrieb, das Gunther Philipp moderieren sollte, ging ich auf ihn zu und fragte ihn, warum um Himmels willen er damals ausgerechnet mir ein Interview gegeben hätte. Er sagte: »Ich glaub, weil Sie mir sympathisch waren.«
Damit sprach er etwas aus, das für mein ganzes schreiberisches Leben galt und gilt: Wenn »die Chemie stimmt«, wird Unmögliches möglich. Viele der Großen einer mittlerweile dahingegangenen Generation gaben mir Auskunft, haben sich mir anvertraut – egal ob für einen Zeitungsartikel oder ein Buch –, weil es mir immer wichtig war, sie korrekt zu zitieren und, um Missverständnisse zu vermeiden, sie ihre Zitate vor Drucklegung lesen zu lassen. So habe ich mir über Jahrzehnte eine Vertrauensbasis geschaffen, auf die ich mich immer wieder berufen konnte. Zu den wertvollen Informanten zählten und zählen nicht nur Künstler, sondern auch zahllose »kleine Leute« – Zeitzeugen, die »dabei« waren, sowie vor allem auch Historiker und Archivare, die mich davon unterrichteten, wenn ihnen ein wertvoller Fund gelungen war. Und das ist für mich das Faszinierende an der Geschichte, dass sie nicht »tot« ist, sondern immer wieder durch auftauchende Erkenntnisse lebendig bleibt und neu geschrieben werden kann. So war es mir oft möglich, einen als »abgeschlossen« geltenden historischen Fall aufzurollen, weil bis dahin unbekannte Dokumente, Unterlagen oder Zeugenaussagen aufgetaucht sind.
Aufgrund der Gunther-Philipp-Geschichte schrieb ich viele weitere Artikel für die Farbbeilage des »Kurier«, unter anderem über das Schauspieler-Ehepaar Vilma Degischer–Hermann Thimig und über Publikumsliebling Alfred Böhm, der mir erklärte, warum er sich ein Jahr lang vom Theater in der Josefstadt beurlauben ließ: Direkt vor seinem Wohnhaus in einem Gemeindebau schräg gegenüber des Theresianums wurde damals Tag und Nacht an Wiens U-Bahn gebaut. Der Lärm war so enervierend, dass »Fredi« Böhm nicht mehr schlafen konnte, also übersiedelten er und seine Frau Traudl in ihr Landhaus in Wieselburg. Von hier regelmäßig zu den Vorstellungen zu fahren, wäre aber unmöglich, erklärte Böhm – also ließ er sich am Theater beurlauben. Die U-Bahn war schuld daran.
»DES IS DOCH KA BERUF FÜR MICH«
Das abrupte Ende einer Karriere
Schön langsam begann ich zu erkennen, worauf es im Journalistenberuf ankommt. Längst mussten meine Artikel nicht mehr umgeschrieben werden und ich bemerkte, dass die Lokalredaktion – heute nobler »Chronikressort« genannt – die beste Schule für junge Journalisten ist. In der »Kultur«, in der »Innenpolitik« oder in der »Wirtschaft« bekommt man von Theater-, Regierungs- oder sonstigen Pressestellen wichtige Grundinformationen, aber wenn man für die »Chronik« zu einem wie dem oben erwähnten Bankraub fährt, musste man bei Null anfangen, alles über Opfer, Zeugen und Täter in Erfahrung bringen, und da gab es damals jedenfalls niemanden, der einem bei der Recherche behilflich war – auch die Polizei hatte am Tatort anderes zu tun, als Reporter mit Informationen zu versorgen.
Einer meiner aufregendsten Einsätze war in dieser Zeit der Gefängnisausbruch dreier Häftlinge aus der Strafanstalt Stein, die ab 4. November 1971 mehrere Tage lang mit Geiseln durch Wien fuhren und dann vom Polizeipräsidenten Josef Holaubek mit den legendär gewordenen Worten »I bin’s, der Präsident« zur unblutigen Aufgabe überredet werden konnten.
Der Beruf des Journalisten ist ein schöner, ein interessanter Beruf, auch wenn es durchaus vorkommen kann, dass man zwölf, vierzehn Stunden im Einsatz ist, wenn man einer oder vielleicht sogar gleich mehreren Storys hinterherläuft. Wie oft ist СКАЧАТЬ