Apropos Gestern. Georg Markus
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Название: Apropos Gestern

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

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isbn: 9783902998927

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СКАЧАТЬ des »Herrn Udo«, der »frischen Wind« in das alte Gemäuer bringen wollte. »Von der Würde und Grazie, die der bisherige Demel-Besitzer Baron Federico Berzeviczy an den Tag legte, ist bei Herrn Proksch nicht viel zu merken«, schrieb ich in meinem Bericht. Die Schweizer Gesellschafter hätten sich, so war mir zugetragen worden, wegen seines Ideenreichtums für Proksch als Geschäftsführer entschieden. Zu seinen bisherigen Ideen zählten Sprengübungen und andere Narreteien eines Waffenfanatikers, die Herstellung von Designerbrillen sowie die Gründung des »Klubs der Senkrechtbegrabenen« – ein Totenkult, den er jetzt auch im Demel fortzuführen gedachte: »Eines Tages«, kündigte er mir gegenüber an, »wird auch eine nackte Marzipanfrau, vielleicht im Sarg, in der Auslage stehen.«

      Ich dachte mir im Stillen, dass es sich bei Udo Proksch um einen Verrückten handelte – was ich nicht vorhersehen konnte, war die kriminelle Energie, die in diesem Mann steckte. Rätselhaft blieb mir auch die Faszination, die er auf Frauen ausübte.

      »Die Frau Grete« faszinierte er keineswegs. Sie war fast ein halbes Jahrhundert der gute Geist bei Ch. Demel’s Söhne gewesen, ein Denkmal zwischen Cremeschnitten und Esterhazytorte. Viel mehr als die Frage »Haben schon gewählt?« war ihr nicht gestattet, seit sie 1929 von der legendären Anna Demel angestellt wurde. Als ich sie Jahre später wieder traf, brach sie ihr Schweigen. Udo Proksch saß zu diesem Zeitpunkt bereits wegen sechsfachen Mordes im Gefängnis.

      Es waren zwei Welten, in die die letzte Demelinerin vom alten Schlag geraten war. Zwei Welten, denn von der Queen – die sie in der Konditorei am Kohlmarkt bedient hatte – bis zum »Herrn Udo«, der von einem Tag zum anderen ohne jede Vorwarnung ihr neuer Chef wurde, war’s ein weiter Weg. Die zweite ihrer beiden Welten war nicht erst mit der »Lucona« versunken, erklärte die Frau Grete, das sei schon geschehen, als Herr Proksch am Kohlmarkt das Regiment übernommen hatte. »Wollen hören, wie das war?«, fragte die einstige Klosterschülerin (»Nur Mädchen aus dem Kloster wurden von Frau Demel akzeptiert«), selbstverständlich in der dritten Person.

      Wenn sie noch einmal beginnen dürfte, würde sie wieder bei Demel arbeiten, sagte die Frau Grete. »Besser gesagt, bis zu dem Tag, an dem der äh … Herr Udo gekommen ist.« Die Situation, wie dieser sich präsentierte, war tatsächlich befremdend. In jenem Etablissement, das er, wär’s nach der Frau Grete gegangen, gar nicht hätte betreten dürfen.

      Denn Jahre bevor er die Geschäftsführung übernahm, hatte sie über ihn Lokalverbot verhängt. »Der Herr Udo war damals mit Freunden hereingestapft, als wären wir irgendein Beisl. Als die Herren dann Tennisbälle gegen die wertvollen geschliffenen Gläser warfen und die ersten Scherben flogen, habe ich gesagt: ›Ich muss bitten, das Lokal zu verlassen. Das können bei uns nicht machen.‹«

      Grete Hromada hieß sie mit bürgerlichem Namen. »Pardon«, korrigierte sie mich, »haben sich geirrt«, in Wahrheit hieß sie nämlich Paula. »Wie ich aufgenommen wurde, hat es schon eine Paula gegeben, und da hat die Frau Demel entschieden, dass ich Grete genannt werde.« So hieß sie dann für den Rest ihres Lebens, »sogar mein Mann hat immer nur Grete zu mir gesagt«.

      Von dem Tag an, da der Herr Udo die Geschäftsführung übernommen hatte, sei alles anders gewesen. »Was gengan mi Ihnare Herrschaften an?«, brüllte er und: »Wenn i in an Lokal schlecht bedient wer’, dann schlag i denen die Bude ein.« Diese Worte in den geheiligten Hallen des ehemals kaiserlichen Hoflieferanten waren zu viel für die Frau Grete, die daher 1974 um ihre Versetzung in den dauernden Ruhestand ansuchte.

      Es vergingen mehr als zwei weitere Jahrzehnte, ehe ich der Frau Grete noch einmal begegnen sollte. Diesmal in einer Situation, die mir – wie der Leser gleich verstehen wird – persönlich sehr naheging. Man schrieb den Spätsommer 1995, als mir die traurige Pflicht oblag, meiner Mutter die letzten Besuche in einem Wiener Krankenhaus abzustatten. Ich saß da, oft stumm, viel konnte nicht mehr gesagt werden.

      Eines Tages erhob sich eine alte Frau aus dem Bett, das neben dem meiner Mutter stand. Sie kam auf wackeligen Beinen auf mich zu und sagte: »Können sich noch erinnern?«

      Es war die Frau Grete.

      In der Nacht darauf ist meine Mutter gestorben. Die Frau Grete hat ihr, wie sie mir am nächsten Morgen mitteilte, in der Stunde ihres Ablebens die Hand gehalten.

      MEIN ERSTER HINAUSWURF

      Im Geheimtreff »Torberg-Stüberl«

      Ich hatte bald herausgefunden, dass Nachwuchsreporter, die nur über Themen berichten, die ihnen zugewiesen werden oder die von Nachrichten- und PR-Agenturen per Fernschreiber hereinkommen, für Zeitungen von eher geringem Nutzen sind. Was zählt, ist die Exklusivgeschichte, nur was die Konkurrenz nicht weiß, ist interessant. Und so begann ich, mir ein Netz von Informanten aufzubauen, zu denen neben Anwälten, Ärzten und Hoteliers auch Künstler und sonstiges »fahrendes Volk« zählten. Fünf Jahre lang arbeitete ich parallel: Ich saß am Polizeifunk, um dann zu Mord und Totschlag aufzubrechen, verfasste aber auch Interviews mit Prominenten – vielfältiger konnte meine Tätigkeit nicht verlaufen.

      »Adabei« Roman Schliesser war zu diesem Zeitpunkt längst ein prominenter Journalist der »Kronen Zeitung«, nun wollte der »Kurier« eine ähnliche Kolumne aufbauen – und ich sollte sie schreiben. Immer noch sprach man in der Redaktion davon, dass ein Reporter, der so gute Kontakte zu Gunther Philipp hatte, über ein besonderes Naheverhältnis zur Prominenz verfügen müsste.

      Ich wollte es – auch wenn von einem Naheverhältnis zu Promis keine Rede sein konnte – versuchen. Als Erstes sprach ich bei Gerhard Bronner vor, von dem ich wusste, dass er jeden Abend in seiner Fledermaus-Bar auftrat. Der Schöpfer des »G’schupften Ferdl«, des »Bundesbahnblues« und der »Alten Engelmacherin« betrieb in einem Nebenraum der Fledermaus das »Torberg-Stüberl«, in dem sich spätnachts noch die Wiener Künstlerprominenz traf.

      Das Glück schien mir hold, Bronner saß an der Bar, als ich die Fledermaus betrat, ich setzte mich zu ihm und wir kamen ins Gespräch: »Ich soll eine Gesellschaftskolumne schreiben und bitte Sie, mich zu verständigen, wenn besondere Besucher in Ihre Bar kommen, wenn Sie eine Premiere feiern oder wenn sich sonst irgendetwas Interessantes ereignen sollte.«

      Bronner hörte mir zu und sagte dann, ohne mich eines Blickes zu würdigen: »Wissen S’ was, lecken S’ mich in Arsch.«

      Das war also der Einstand in meine künftige Funktion als Society-Kolumnist (die ich im Übrigen Gott sei Dank nie antrat). Damals hatte ich nicht vermuten können, dass der so übellaunige Gerhard Bronner in ferner Zukunft zu meinen Freunden zählen sollte.

      Doch auch ohne Kolumne bürgerte sich ein, dass man mich zu Prominenten-Events, auf Bälle und sonstige Veranstaltungen schickte. So war ich dabei, als Carl Zuckmayer vom Wiener Bürgermeister der Ehrenring der Stadt Wien überreicht und im Anschluss daran im Burgtheater eine Festvorstellung seines »Hauptmanns von Köpenick« mit Werner Hinz in der Titelrolle aufgeführt wurde. Beim Heurigen hatte ich dann Gelegenheit, ein paar Worte mit dem Dichter zu sprechen. »Solche Ehrungen«, sagte er, »macht man so oft mit, dass sie schon zur Gewohnheit werden. Niemals zur Gewohnheit kann es mir hingegen werden, wenn ich meinen ›Köpenick‹ sehe – noch dazu in so glänzender Aufführung und Besetzung.«

      Mir war mit meinen 21 Jahren kaum bewusst, welche Jahrhundertfigur mir da gegenüberstand.

      BURT LANCASTERS PISTOLE

      Ein Versteck hinter Palmen

      Im Sommer 1972 begleitete ich die Wiener Dreharbeiten des Films »Scorpio, der Killer« mit Alain Delon und Burt Lancaster. Zu einer Szene, die im Palmenhaus von Schloss Schönbrunn СКАЧАТЬ