Название: Wunsch Traum Fluch
Автор: Frances Hardinge
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9783772540332
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Aus dem Wasserbecken stieg eine Blase empor, als ob Joshs Armbanduhr die Luft angehalten und schließlich doch aufgegeben hätte. Ryan glaubte, das winzige, geisterhafte Gesicht unter der Oberfläche zucken zu sehen, aber über das Wasser huschten so viele Lichter, dass er sich nicht sicher war.
Ryan blinzelte. Plötzlich war ihm übel. Der Wasserbogen, der aus der Öffnung neben seinem Kopf spritzte, schimmerte wie ein Stück Metall. Die Tropfen, die aus den Zacken der Zahnräder sprangen, wirkten bleischwer, und er erwartete, dass sie im Niederfallen klirren und klappern würden. Er senkte die Augenlider, und seine Wimpern verwandelten die Welt in sanfte goldene Scheiben, die – geisterhaften Münzen gleich – um Josh schwebten. Josh thronte in der Mitte, wie in einer Schatzhöhle, mit gelb gefärbten Pennys auf seinen Augen.
Josh, dachte er, mach, dass du wegkommst …
«Josh!» Chelle kreischte auf. «Geh weg da!»
Der Stab im Herzen der Uhr fing an zu beben und zu rucken. Die Zahnräder im Zentrum des Uhrwerks sprangen mitfühlend in die Höhe und landeten wieder knirschend auf ihrer Position, wobei sie allerdings die Verbindung zueinander verloren. Eine Schraube zwängte sich mit einem Pock aus der Verankerung, und Josh machte einen Satz rückwärts, als ein großer Metallkolben auf ihn niederstürzte und ein Stück vor ihm auf dem Gras aufprallte. Aus einem Rohr zischte es, und Wasser sprühte nach allen Seiten.
«Wir waren’s nicht!», schrie Chelle.
«Ich hab’s nicht angefasst!», rief Josh gleichzeitig.
Während sie sich eilig zurück in die Clematis-Ranken schoben, hörte Ryan, wie Josh hastig davonlief und dabei dieses schlürfende Platschen von sich gab, das Gummistiefel auf nassem Gras manchmal machen. Chelle und Ryan sprangen zu Boden und entfernten sich im Laufschritt, damit niemand auf die Idee kam, sie könnten etwas mit dem Getöse zu tun haben, das die untergehende Wasseruhr hinter ihnen von sich gab.
Die Lasagne, die es zum Abendessen gab, lag ihm schwer wie Zement im Magen, aber Ryan spülte sie mit so viel Milch herunter, wie er nur trinken konnte.
Er war sich nicht sicher, ob Milch tatsächlich gegen Radioaktivität half, aber das Lexikon der Medizin war wieder einmal verkleidet. Seine Mutter mochte es nicht, wenn die Schutzumschläge der Bücher eingerissen wurden, also nahm sie sie ab und verstaute sie in einer Schublade. Wenn ein wichtiger Gast zu Besuch kam, schob sie die Umschläge hastig wieder auf die Einbände, achtete aber nur darauf, ob die Größe passte, und nicht, ob die Titel übereinstimmten. Im Moment versteckte sich das Lexikon möglicherweise hinter dem Aufstieg und Fall des Römischen Reiches oder etwas Ähnlichem.
Beim Essen dachte Ryan über Radioaktivität nach. Vielleicht würde es von selbst wieder besser werden, und dann müsste niemand davon erfahren …
Wenigstens brachte er selbst keine Glühbirnen zum Explodieren oder ließ Fernseher grün anlaufen. Aber er war ja auch nicht so wie Josh in den Brunnen hinuntergestiegen … allerdings hatte er geholfen, seine Jacke auszuwringen, und vielleicht kamen daher diese sonderbaren Warzen, die auf seiner Hand wuchsen. Die Gabel in seiner Hand wurde warm, und er legte sie beiseite. Gaben Leute, die verstrahlt waren, die Radioaktivität auch an andere Dinge weiter? Mit einem plötzlichen Schreck betrachtete er seine Eltern, die sich ihm gegenüber am Tisch unterhielten.
«Ich … ich werde wohl heute früh ins Bett gehen.» Seine Mutter und sein Vater schauten auf, als er den Stuhl geräuschvoll zurückschob.
«Was ist los? Bist du krank?» Ryan wich zurück, als seine Mutter die Hand ausstreckte und seine Stirn anfühlen wollte.
«Mir geht’s gut, ich bin nur etwas müde.» Hätte er doch bloß behauptet, dass er noch ein bisschen in seinem Zimmer lernen wollte. Während er die Treppe hinaufging, versicherte er Gott, dass Er ihn radioaktiv machen konnte, solange Er seinen Eltern nichts zuleide tat. Gleichzeitig wusste er, dass in dieser Behauptung die versteckte Hoffnung mitschwang, dass Gott von seiner Tapferkeit beeindruckt sein und beschließen würde, ihn ebenfalls nicht zu verstrahlen.
Er duschte ausgiebig. Die Seife brannte auf den Warzen auf seiner verletzten Hand, und niedergeschlagen erkannte er, dass sich auf der anderen Hand ebenfalls eine Erhebung bildete. Er umwickelte seine Hände mit feuchten Waschlappen und ging ins Bett.
Während er wach lag, fühlte er sich schon elend genug, aber es wurde noch schlimmer, als sein Geist in den Schlaf abglitt und er seine Gedanken nicht mehr kontrollieren konnte. Der Rest seines Körpers schien zu verschwinden; nur der bohrende, heiße Juckreiz auf seinen Handrücken blieb. Eine Zeit lang stellte er sich vor, dass, wenn er die Augen öffnete, die Warzen schwach im Dunkeln leuchten würden. Auf diesen Gedanken folgte die wachsende Gewissheit, dass er vergessen hatte, die Dusche abzustellen.
Er musste aufstehen und nachsehen, denn er war der Überzeugung, dass sich immer mehr Dampf im Haus ausbreitete und das Wasser über den Flur in die Schlafzimmer strömte. Mit geschlossenen Augen setzte er sich auf und schwang seine Beine über die Bettkante. Der Boden unter seinen Fußsohlen war eiskalt und ungewöhnlich glatt, und in dem schauderhaften Moment, als seine Füße diesen Boden berührten, wusste Ryan, wo er war.
Er schlug die Augen auf. Richtig, er war wieder im Glashaus.
Seine nackten Füße hinterließen Spuren auf dem beschlagenen Glas des Bodens, durch den er bis ins Wohnzimmer sehen konnte, wo sein Vater auf einem Glassofa saß und in einem gläsernen Buch blätterte. Ryan kam diesmal nicht auf die Idee, durch den Flur zu schlittern. Er ging ins Badezimmer, wo aus der Dusche still der Dampf strömte, und stellte sie ab.
Durch die Decke erkannte er ein verschwommenes Gewirr aus gläsernen Dachbalken und dahinter einen Himmel, der die Farbe von altem Papier hatte. Unter den durchsichtigen Stufen sah er die Konturen des ebenfalls durchsichtigen Staubsaugers im Wandschrank. Die Luft roch nach Gewächshaus und Stockflecken an der Wand.
In ihrem kleinen Arbeitszimmer schnitt seine Mutter Zeitungsartikel aus, die so transparent waren, dass die Schrift in der Luft zu schweben schien.
Erst beim zweiten Versuch gelang es Ryan, den Griff der Hintertür zu packen. Der Griff war so feucht, dass seine Finger abrutschten. Die Tür öffnete sich.
Der Garten war verschwunden. Stattdessen lag vor Ryan eine raue, asphaltierte Fläche wie ein Schulhof oder ein Parkplatz. Die Farben der Landschaft waren alt und verblasst und erinnerten ihn an Fotos vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Am Rand der Asphaltfläche stand eine Mauer, und Ryan bekam ein weiches Gefühl in den Beinen, als ob ihm gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden wäre. Einkaufswagen, in einer langen Reihe aneinandergekettet, bewegten sich sacht hin und her und zerrten an ihren Fesseln, und Ryan glaubte, dazwischen zwei oder drei menschliche Gestalten zu sehen, die ebenfalls angekettet waren und sich auf dieselbe ruhelose – und sinnlose – Art hin und her bewegten.
Er ging zur Mauer und zog sich hoch, sodass seine Brust auf dem Mauersims ruhte und seine Füße in der Luft baumelten. Er schaute nach unten und sah das struppige Wäldchen von Magwhite unter sich liegen. Die Bäume sahen allerdings merkwürdig aus, älter und mit Pilzen überkrustet. Gelbes Moos schob sich aus der Rinde wie Senf aus einem Frikadellenbrötchen, tropfte zu Boden und wuchs wieder in den gleichen Ritzen der Stämme nach. Den Zweigen, die im Wind schwankten, entglitt das Laub, und Sekunden später saß es plötzlich wie von Zauberhand wieder am Holz fest.
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