Название: Das Zeichen der Vier
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955012304
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Mein Vater war, wie Sie wohl bereits vermuten, John Sholto, ehemals Major der indischen Armee. Er nahm vor etwa elf Jahren seinen Abschied, um seinen Lebensabend auf Pondicherry Lodge in Upper Norwood zu verbringen. Er hatte in Indien sein Glück gemacht und kehrte mit einer beträchtlichen Summe Geldes, einer großen Sammlung wertvoller Kuriositäten und einer indischen Dienerschaft in die Heimat zurück. So ausgestattet konnte er das Haus erwerben und dort ein Leben in großem Stil führen. Mein Zwillingsbruder Bartholomew und ich waren seine einzigen Kinder.
Ich erinnere mich noch sehr gut, welch ein Aufsehen das Verschwinden Captain Morstans erregte. Wir erfuhren die Einzelheiten aus den Zeitungen, und da wir wußten, daß er ein Freund unseres Vaters gewesen war, erörterten wir den Fall ganz offen in seinem Beisein. Er pflegte dann mit uns zusammen Spekulationen darüber anzustellen, was ihm wohl zugestoßen sein mochte. Nie im Leben wären wir auf den Gedanken gekommen, daß er dieses Geheimnis in seiner Brust verborgen hielt, daß er der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, der Arthur Morstans Schicksal kannte.
Wir bemerkten allerdings, daß irgendein dunkles Geheimnis, eine ernste Gefahr das Leben unseres Vaters überschattete. Er fürchtete sich sehr davor, alleine auszugehen, und hatte stets zwei Preisboxer angestellt, die in Pondicherry Lodge das Pförtneramt versahen. Williams, der Sie heute abend kutschiert hat, ist einer von ihnen. Er war früher englischer Meister im Leichtgewicht. Unser Vater hätte uns nie gesagt, was die Ursache seiner Furcht war, er hatte jedoch eine äußerst auffällige Aversion gegen Männer mit einem Holzbein. Bei einer Gelegenheit griff er sogar zum Revolver und schoß auf einen Mann mit einem Holzbein, der sich dann als, harmloser Handelsreisender auf der Suche nach Aufträgen entpuppte. Wir mußten eine stattliche Summe bezahlen, um die Sache zu vertuschen. Mein Bruder und ich hielten das Ganze für eine Marotte meines Vaters; aber die Ereignisse, die folgten, sollten uns eines Besseren belehren.
Anfangs 1882 erhielt mein Vater einen Brief aus Indien, der ihm einen großen Schreck versetzte. Als er ihn am Frühstückstisch öffnete, fiel er beinahe in Ohnmacht, und von jenem Tage an kränkelte er dem Tod entgegen. Was in dem Brief stand, erfuhren wir nie; aber als ihn mein Vater in der Hand hielt, sah ich, daß er kurz und daß die Handschrift krakelig war. Vater hatte schon seit Jahren an Milzschwellung gelitten, nun aber verschlimmerte sich sein Zustand rasch, und gegen Ende April teilte man uns mit, daß es für ihn keine Hoffnung mehr gab und daß er eine letzte Aussprache mit uns wünschte.
Als wir zu ihm ins Zimmer traten, saß er, von Kissen gestützt, da und atmete schwer. Er beschwor uns, die Tür abzuschließen und zu beiden Seiten an sein Bett zu treten. Dann faßte er uns bei den Händen und machte mit einer von Gemütsbewegung und Schmerzen gebrochenen Stimme das folgende bemerkenswerte Geständnis, das ich Ihnen soweit als möglich in seinen eigenen Worten wiedergeben will.
›Es gibt nur eines‹, hob er an, ›was mir im Angesicht des Todes auf der Seele lastet: mein Verhalten gegenüber der Waise des armen Morstan. Die verfluchte Geldgier, von der ich mein Leben lang besessen war, hat ihr einen Schatz vorenthalten, dessen Hälfte zumindest ihr zustand. Und dabei habe ich selbst gar keinen Gebrauch davon gemacht, so blind und töricht ist der Geiz. Das bloße Gefühl des Besitzens war mir so teuer, daß ich es nicht ertragen konnte, es zu teilen. Seht ihr das Perlendiadem dort neben der Chininflasche? Selbst davon vermochte ich mich nicht zu trennen, obwohl ich es in der Absicht hervorgeholt hatte, es Morstans Tochter zu schicken. Ihr, meine Söhne, werdet Morstans Tochter einen gerechten Anteil am Agra-Schatz geben. Aber sendet ihr nichts, auch nicht das Diadem, bevor ich unter der Erde liege. Denn es ist schließlich schon vorgekommen, daß kränkere Leute als ich sich wieder erholt haben.
Ich will euch erzählen, wie Morstan den Tod fand‹, fuhr er fort. ›Er hatte schon seit Jahren ein schwaches Herz, was er aber vor aller Welt verheimlichte. Ich allein wußte davon. In Indien waren wir beide durch eine seltsame Verkettung von Umständen in den Besitz eines bedeutenden Schatzes gelangt. Diesen hatte ich nach England gebracht, und als Morstan hier eintraf, suchte er mich noch am selben Abend auf, um seinen Anteil zu verlangen. Er kam zu Fuß vom Bahnhof hierher und wurde von meinem getreuen alten Lal Chowdar eingelassen, der nun nicht mehr unter uns weilt. Morstan und ich konnten uns nicht einigen, wie der Schatz geteilt werden sollte, und es kam zu einer hitzigen Auseinandersetzung. Morstan war eben von rasender Wut gepackt aus seinem Stuhl gesprungen; da plötzlich preßte er die Hand auf die Brust, sein Gesicht wurde aschfahl, und er fiel rücklings zu Boden, wobei er mit dem Kopf gegen eine Ecke der Schatztruhe schlug. Als ich mich über ihn beugte, stellte ich mit Entsetzen fest, daß er tot war.
Lange Zeit saß ich benommen da und wußte weder aus noch ein. Mein erster Impuls war natürlich, Hilfe herbeizuholen, aber dann wurde mir klar, daß ich mit größter Wahrscheinlichkeit des Mordes bezichtigt würde. Die Tatsache, daß er während eines Streites gestorben war, und die kläffende Wunde an seinem Hinterkopf würden mich aufs schwerste belasten. Außerdem kämen bei einer offiziellen Untersuchung zwangsläufig gewisse Einzelheiten in Zusammenhang mit dem Schatz ans Licht, die ich um jeden Preis geheimhalten wollte. Morstan hatte mir gesagt, daß keine Menschenseele wußte, wohin er gegangen war, und ich sah nicht ein, warum je eine Menschenseele davon erfahren sollte.
Ich brütete noch über der Sache, als ich aufblickte und meinen Diener Lal Chowdar in der Tür stehen sah. Er kam verstohlen herein und verriegelte die Tür hinter sich. »Sei ohne Furcht, Sahib«, sagte er. »Niemand braucht zu erfahren, daß du ihn umgebracht hast. Wir wollen ihn beiseite schaffen, und wer sollte uns dann auf die Schliche kommen?« – »Ich habe ihn nicht umgebracht«, erwiderte ich. Lal Chowdar schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe alles gehört, Sahib« sagte er. »Ich habe euch streiten gehört, und ich habe den Schlag gehört. Aber meine Lippen sind versiegelt. Das ganze Haus liegt in tiefem Schlaf. Schaffen wir ihn gemeinsam fort.« Damit war die Sache entschieden. Wenn nicht einmal mein eigener Diener an meine Unschuld glaubte, wie konnte ich dann hoffen, ein Geschworenengericht von zwölf dummen Handwerkern zu überzeugen? In jener Nacht beseitigten Lal Chowdar und ich die Leiche, und schon nach wenigen Tagen waren alle Londoner Zeitungen voll von dem geheimnisvollen Verschwinden Captain Morstans. Aus dem, was ich euch erzählt habe, könnt ihr ersehen, daß ich mir in dieser Sache kaum etwas vorzuwerfen habe. Gefehlt habe ich darin, daß ich nicht nur die Leiche, sondern auch den Schatz verschwinden ließ und daß ich mich an Morstans Anteil klammerte wie an meinen eigenen. Es ist deshalb mein Wille, daß ihr Rückerstattung leistet. Neigt eure Ohren zu mir. Das Versteck des Schatzes ist ...‹
In diesem Augenblick ging eine schreckliche Veränderung in seinem Gesicht vor; seine Augen starrten wild, sein Kiefer sackte herab, und er schrie mit einer Stimme, die ich nie vergessen werde: ›Laßt ihn nicht rein! Um Gottes Willen, laßt ihn nicht rein!‹ Wir fuhren herum und schauten zu dem Fenster, auf dem sein starrer Blick lag. Ein Gesicht blickte aus der Dunkelheit zu uns herein. Wir sahen eine Nase, die sich weiß gegen das Glas preßte, Bart, Haare und wilde, grausame Augen, in denen der Ausdruck geballter Feindseligkeit lag. Mein Bruder und ich stürzten ans Fenster, aber der Mann war bereits verschwunden. Als wir zu meinem Vater zurückkehrten, war ihm der Kopf auf die Brust gesunken, und sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Noch am selben Abend durchsuchten wir den Garten, fanden jedoch keine Spur von dem Eindringling außer einem Fußabdruck in einem Blumenbeet unter dem Fenster. Ohne diesen Anhaltspunkt hätten wir die wilde, grimmige Fratze wohl für eine Ausgeburt unserer Phantasie gehalten. Bald schon erhielten wir jedoch einen weiteren und handgreiflicheren Beweis dafür, daß um uns her dunkle Mächte am Werk waren. Am nächsten Morgen stand das Fenster zum Zimmer meines Vaters offen, all seine Schränke und Truhen waren durchwühlt, und auf seiner Brust war ein Fetzen Papier befestigt worden, auf den die Worte ›Das Zeichen der Vier‹ gekrakelt waren. Was diese Worte bedeuten und wer unser heimlicher Besucher gewesen sein mag, wissen wir bis heute nicht. Soweit wir feststellen konnten, war nichts, was meinem Vater gehörte, entwendet worden, obwohl das Unterste zuoberst gekehrt war. Natürlich brachten mein Bruder und ich diesen СКАЧАТЬ