Das Zeichen der Vier. Arthur Conan Doyle
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Название: Das Zeichen der Vier

Автор: Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955012304

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СКАЧАТЬ habe sie mitgebracht«, antwortete sie und kramte sechs Zettel hervor.

      »Sie sind wirklich eine Muster-Klientin; Sie haben einen Instinkt dafür, worauf es ankommt. Dann wollen wir einmal sehen ...« Er breitete die Zettel auf dem Tisch aus und ließ seinen Blick von einem zum anderen huschen. »Alles mit verstellter Handschrift geschrieben, mit Ausnahme des Briefes«, sagte er nach einer Weile, »aber die Urheberschaft steht außer Frage. Schauen Sie, wie unbezwingbar das griechische ›e‹ durchbricht, und beachten Sie den Schnörkel beim ›s‹ am Wortende. Das ist ohne Zweifel alles von derselben Person geschrieben. Ich möchte keine falschen Hoffnungen in Ihnen wecken, Miss Morstan, aber besteht irgendeine Ähnlichkeit zwischen dieser Handschrift und derjenigen Ihres Vaters?«

      »Der Unterschied könnte nicht größer sein.«

      »Das habe ich mir gedacht. Wir erwarten Sie also um sechs Uhr. Mit Ihrer Erlaubnis werde ich die Papiere hierbehalten. Es könnte sein, daß ich mir die Sache vor dem Abend nochmals ansehe. Es ist erst halb vier. Also dann, au revoir.«

      »Au revoir«, erwiderte unsere Besucherin, schenkte jedem von uns einen freundlichen, strahlenden Blick, barg das Etui mit den Perlen wieder an ihrem Busen und eilte davon.

      Ich stand am Fenster und blickte ihr nach, wie sie rasch die Straße entlangschritt, bis der graue Hut mit der weißen Feder nur noch als winziger Punkt in der dunklen Menge zu erkennen war.

      »Was für eine außerordentlich attraktive Frau!« rief ich aus, als ich mich meinem Gefährten zuwandte.

      Er hatte sich seine Pfeife wieder angesteckt und saß weit zurückgelehnt, mit gesenkten Augenlidern da. »Tatsächlich?« versetzte er träge. »Das ist mir gar nicht aufgefallen.«

      »Sie sind ein richtiger Automat, eine Rechenmaschine!« rief ich. »Zuweilen haben Sie etwas entschieden Unmenschliches an sich.«

      Er lächelte liebenswürdig.

      »Es ist von größter Wichtigkeit«, sagte er, »sein Urteil nicht beirren zu lassen durch die Vorzüge oder Mängel einer Person. Ein Klient ist für mich nicht mehr als eine abstrakte Einheit, ein Faktor in einem Problem. Gefühlsregungen sind dem klaren Denken feind. Ich kann Ihnen versichern, daß die anziehendste Frau, der ich je begegnet bin, am Galgen endete, weil sie ihre drei kleinen Kinder um des Versicherungsgeldes willen vergiftet hatte, und daß der abstoßendste Mann, den ich kenne, ein Philanthrop ist, der beinahe eine Viertelmillion für die Armen Londons gespendet hat.«

      »Aber in diesem Fall ...«

      »Ich mache nie eine Ausnahme. Ausnahmen setzen die Regel außer Kraft. Hatten Sie schon einmal die Gelegenheit, anhand einer Handschrift Charakterstudien anzustellen? Was halten Sie von dem Gekritzel dieses Burschen?«

      »Die Schrift ist gut lesbar und regelmäßig«, antwortete ich; »wohl ein Geschäftsmann mit einer starken Persönlichkeit.«

      Holmes schüttelte den Kopf.

      »Betrachten Sie einmal die Oberlängen«, sagte er. »Sie ragen kaum über das mittlere Niveau hinaus. Dieses ›d‹ hier könnte ebensogut ein ›a‹ sein, und dieses ›l‹ ein ›e‹. Bei einem Mann von starker Persönlichkeit heben sich die Oberlängen klar ab, wie unlesbar seine Schrift im übrigen auch sein mag. Zudem verrät sein ›k‹ Wankelmut und seine Großbuchstaben Selbstüberschätzung. – Ich gehe jetzt aus; ich muß ein paar Auskünfte einholen. Darf ich Ihnen dieses Buch empfehlen? Winwood Reades6 Martyrium der Menschheit, eines der bemerkenswertesten Werke, die je verfaßt wurden. In einer Stunde bin ich wieder da.«

      Ich saß im Erker, das Buch in der Hand, aber meine Gedanken waren weit entfernt von den waghalsigen Spekulationen seines Verfassers. Sie kreisten um unsere Besucherin, um ihr Lächeln, den warmen, vollen Klang ihrer Stimme und das seltsame Geheimnis, das ihr Leben überschattete. Wenn sie zum Zeitpunkt des Verschwindens ihres Vaters siebzehn gewesen war, so mußte sie jetzt siebenundzwanzig sein – das schöne Alter, wenn die Jugend ihre Befangenheit abgelegt und im Leben draußen ein wenig Besonnenheit erlangt hat. So saß ich da und sann vor mich hin, bis schließlich Gedanken von solcher Gefährlichkeit in meinem Kopf aufstiegen, daß ich an mein Pult stürzte und mich mit wildem Arbeitseifer in den jüngsten Artikel über Pathologie vergrub. Wer war ich denn schon, daß ich mir anmaßte, mit solchen Gedanken zu spielen? Ein Militärarzt mit einem angeschlagenen Bein und einem noch angeschlageneren Bankkonto! Sie war eine abstrakte Einheit, ein Faktor – und sonst nichts. Wenn meine Zukunft düster aussah, dann war es gewiß besser, sich ihr wie ein Mann zu stellen, als sie mit den Irrlichtern der Phantasie aufhellen zu wollen.

      Es war bereits halb sechs, als Holmes nach Hause zurückkehrte. Er war heiter, lebhaft und bester Laune, eine Stimmung, die bei ihm mit Anfällen schwärzester Depression abwechselte.

      »Es gibt nichts besonders Mysteriöses an diesem Fall«, sagte er, während er den Tee trank, den ich für ihn eingegossen hatte; »die Tatsachen scheinen nur eine einzige Erklärung zuzulassen.«

      »Was, haben Sie die Lösung schon?«

      »Nun, das wäre ein bißchen zuviel gesagt. Ich habe eine aufschlußreiche Tatsache entdeckt, das ist alles. Aber sie ist wirklich sehr aufschlußreich. Die Einzelheiten fehlen mir noch. Ich habe lediglich die alten Jahrgänge der Times zu Rate gezogen und dabei herausgefunden, daß Major Sholto, wohnhaft in Upper Norwood, ehemaliger Offizier des 34th Bombay Infantry, am 28. April 1882 verstorben ist.«

      »Ich bin wahrscheinlich sehr schwer von Begriff, Holmes, aber ich kann nicht sehen, was daran so aufschlußreich sein soll.«

      »Ach ja? Das überrascht mich. Versuchen Sie einmal, die Sache folgendermaßen anzuschauen. Captain Morstan verschwindet. Die einzige Person in London, die er aufgesucht haben könnte, ist Major Sholto. Major Sholto bestreitet, von Captain Morstans Anwesenheit in London auch nur gewußt zu haben. Vier Jahre später stirbt Sholto. Eine Woche nach seinem Tod erhält Captain Morstans Tochter ein kostbares Geschenk, was sich seither alljährlich wiederholt und nun darin gipfelt, daß sie einen Brief erhält, in dem gesagt wird, es sei ihr unrecht getan worden. Was könnte anderes damit gemeint sein als das Unrecht, daß man ihr den Vater geraubt hat? Und warum sollte die Geschenkserie unmittelbar nach Sholtos Tod einsetzen, wenn nicht aus dem einfachen Grund, daß Sholtos Erbe etwas von dieser dunklen Sache weiß und den Wunsch nach Wiedergutmachung hat? Oder haben Sie eine andere Erklärung, die mit den Fakten übereinstimmt?«

      »Aber was für eine seltsame Art der Wiedergutmachung! Und wie seltsam arrangiert! Und weshalb sollte er ihr heute einen Brief schreiben, wenn er es vor sechs Jahren nicht getan hat? Und noch etwas, im Brief wird davon gesprochen, daß ihr Gerechtigkeit widerfahren soll. Was für eine Gerechtigkeit kann das sein? Man muß ja doch wohl annehmen, daß ihr Vater nicht mehr am Leben ist. Und soviel wir wissen, liegt kein anderes Unrecht gegen sie vor.«

      »Es gibt da Ungereimtheiten; ganz gewiß gibt es da noch ein paar Ungereimtheiten«, sagte Sherlock Holmes nachdenklich, »aber unsere Expedition von heute abend wird Licht in die Sache bringen. Aha, da ist eben ein Wagen vorgefahren, und Miss Morstan sitzt darin. Sind Sie bereit? Dann sollten wir hinuntergehen, es ist schon kurz nach sechs.«

      Ich griff nach meinem Hut und meinem massivsten Spazierstock, es entging mir jedoch nicht, daß Holmes seinen Revolver aus der Schublade nahm und in seine Tasche gleiten ließ. Er war offensichtlich darauf gefaßt, daß unser nächtliches Vorhaben eine ernste Wendung nehmen könnte.

      Miss СКАЧАТЬ