Das Zeichen der Vier. Arthur Conan Doyle
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Название: Das Zeichen der Vier

Автор: Arthur Conan Doyle

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783955012304

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СКАЧАТЬ »es würde mich davon abhalten, eine zweite Dosis Kokain zu nehmen. Es wird mir ein Vergnügen sein, mich mit jeglichem Problem zu befassen, das Sie mir vorzulegen belieben.«

      »Ich habe Sie verschiedentlich sagen hören, es sei kaum möglich, einen Gegenstand täglich in Gebrauch zu haben, ohne Spuren darauf zu hinterlassen, die einem geübten Beobachter Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Besitzers gestatteten. Nun denn, ich habe hier eine Uhr, die erst kürzlich in meinen Besitz gelangt ist. Würden Sie so gut sein, mir Ihre Meinung über den Charakter oder die Gewohnheiten des früheren Eigentümers mitzuteilen?«

      Ich reichte ihm die Uhr mit einem Anflug von heimlicher Schadenfreude, denn die Aufgabe war, so glaubte ich, unlösbar, und ich beabsichtigte, ihm wegen des professoralen Tones, den er gelegentlich anschlug, eine Lehre zu erteilen. Er wog die Uhr in der Hand, musterte eingehend das Zifferblatt, öffnete das Gehäuse und untersuchte das Uhrwerk, zuerst von bloßem Auge, dann mit Hilfe eines starken Vergrößerungsglases. Als er schließlich die Uhr wieder zuklappte und mir zurückgab, konnte ich mir angesichts seiner niedergeschlagenen Miene nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen.

      »Es sind kaum Anhaltspunkte vorhanden«, bemerkte er. »Die Uhr ist vor kurzem gereinigt worden, und das bringt mich um die aufschlußreichsten Hinweise.«

      »Ganz recht«, bestätigte ich, »die Uhr wurde gereinigt, ehe sie mir übersandt wurde.«

      Insgeheim machte ich meinem Gefährten den Vorwurf, sich für sein Versagen einer äußerst faulen und nichtssagenden Ausrede zu bedienen. Was für Anhaltspunkte konnte er denn von einer nicht gereinigten Uhr erwarten?

      »Obgleich unbefriedigend, war meine Untersuchung doch nicht gänzlich fruchtlos«, bemerkte er, während er mit gedankenverlorenem, stumpfem Blick zur Decke starrte. »Ihre Berichtigung vorbehalten, würde ich meinen, daß die Uhr Ihrem ältesten Bruder gehörte, der sie von Ihrem Vater geerbt hat.«

      »Das schließen Sie zweifellos aus dem ›H.W.‹ auf der Rückseite.«

      »Genau. Das ›W.‹ weist auf Ihren Namen hin. Das Datum auf der Uhr liegt etwa fünfzig Jahre zurück, und das Monogramm ist gleich alt wie die Uhr; also muß sie für die letzte Generation gemacht worden sein. Es ist üblich, daß Familienschmuck auf den ältesten Sohn übergeht, und dieser trägt in den meisten Fällen denselben Vornamen wie sein Vater. Wenn ich mich recht erinnere, ist Ihr Vater bereits vor vielen Jahren verstorben. Die Uhr muß also zuletzt im Besitz Ihres ältesten Bruders gewesen sein.«

      »Soweit richtig«, sagte ich. »Sonst noch etwas?«

      »Er war ein liederlicher Mensch – sehr liederlich und nachlässig. Er hatte ursprünglich gute Aussichten, aber er vertat sein Glück, lebte längere Zeit in Armut, kam ab und zu mal für kurze Zeit zu Geld, verfiel schließlich der Trunksucht und starb. Das ist alles, was ich herausfinden kann.«

      Ich sprang vom Stuhl auf und humpelte erregt im Zimmer auf und ab; mein Herz war voller Bitternis.

      »Das ist Ihrer unwürdig, Holmes«, sagte ich. »Ich hätte nie geglaubt, daß Sie so tief sinken könnten. Sie haben Nachforschungen über meinen unglücklichen Bruder angestellt, und jetzt geben Sie vor, das, was Sie bereits wissen, mit viel Phantasie zu deduzieren. Sie können nicht im Ernst von mir erwarten, daß ich glaube, Sie hätten all das aus seiner alten Uhr herausgelesen. Das ist ausgesprochen unfreundlich, und – mit Verlaub zu sagen – es hat einen Hauch von Scharlatanerie.«

      »Mein lieber Doktor«, erwiderte er freundlich, »ich muß Sie um Entschuldigung bitten. Ich habe die Angelegenheit als abstraktes Problem betrachtet und dabei außer acht gelassen, wie persönlich und schmerzlich es Sie treffen könnte. Gleichzeitig versichere ich Ihnen, daß ich bis zu dem Moment, da Sie mir diese Uhr reichten, nicht einmal wußte, daß Sie einen Bruder hatten.«

      »Wie in aller Welt sind Sie dann zu diesen Fakten gekommen? Sie sind absolut richtig bis in jede Einzelheit.«

      »Ach, da war Glück dabei. Ich konnte nur die Wahrscheinlichkeiten abwägen. Ich habe gar nicht erwartet, es so genau zu treffen.«

      »Aber Sie haben nicht einfach nur geraten?«

      »Nein, nein, ich rate nie. Raten ist eine abscheuliche Angewohnheit; es zerstört die Fähigkeit, logisch zu denken. – Was Ihnen seltsam erscheint, ist es nur so lange, als Sie meinem Gedankengang nicht folgen oder jene kleinen Details übersehen, aus denen sich weitreichende Schlußfolgerungen ergeben können. Ich habe beispielsweise mit der Feststellung begonnen, daß Ihr Bruder nachlässig war. Wenn Sie den unteren Teil dieses Uhrengehäuses betrachten, sehen Sie, daß es nicht nur an zwei Stellen eingedellt, sondern über und über mit kleinen Kerben und Schrammen bedeckt ist, was von der Gewohnheit herrührt, die Uhr zusammen mit anderen harten Gegenständen, wie etwa Münzen oder Schlüsseln, in der Tasche zu tragen. Da liegt doch die Annahme nahe, daß jemand, der mit einer Fünfzig-Guineen-Uhr so achtlos umspringt, ein nachlässiger Mensch ist. Ebenso scheint die Folgerung nicht besonders weit hergeholt, daß für einen Mann, der einen Gegenstand von solch beachtlichem Wert erbt, auch anderweitig recht gut vorgesorgt ist.«

      Ich nickte, um ihm zu bedeuten, daß ich seiner Argumentation folgte.

      »Bei den Pfandleihern hier in England ist es üblich, die Nummer des Pfandscheines mit einer Nadelspitze in die Innenseite des Gehäusedeckels zu ritzen, wenn sie eine Uhr in Gewahrsam nehmen. Das ist praktischer als ein Etikett, da die Nummer auf diese Weise nicht verlorengehen oder verwechselt werden kann. Im Inneren dieses Gehäuses hier sind mit Hilfe meines Vergrößerungsglases nicht weniger als vier solche Nummern zu erkennen. Daraus folgt: Bei Ihrem Bruder war öfter mal Ebbe. Daraus folgt des weiteren: Von Zeit zu Zeit kam er mal wieder zu Geld, sonst hätte er das Pfand nicht auslösen können. Schließlich möchte ich Sie noch darum bitten, sich die innere Abdeckplatte mit dem Schlüsselloch anzusehen. Schauen Sie: Tausende von Kratzern rings um das Schlüsselloch, Spuren eines Schlüssels, der abgeglitten ist. Wie könnte ein nüchterner Mann solche Kerben zustandebringen? Aber auf der Uhr eines Trinkers werden Sie sie immer finden: Er zieht die Uhr nachts auf und hinterläßt dabei diese Spuren seiner unsicheren Hand. – Was ist denn nun so rätselhaft an alledem?«

      »Jetzt ist alles sonnenklar«, antwortete ich. »Ich bedaure, Ihnen unrecht getan zu haben. Ich hätte mehr Vertrauen in Ihr wunderbares Talent haben sollen. Darf ich fragen, ob Sie gegenwärtig mit einer Untersuchung beschäftigt sind?«

      »Nein, nichts. Deshalb das Kokain. Ich kann nicht leben ohne Arbeit für mein Hirn. Wofür lohnt es sich sonst zu leben? Stellen Sie sich hierher, ans Fenster. Gab es je etwas Öderes, Trübseligeres, Unergiebigeres als diese Welt? Schauen Sie, wie der gelbe Nebel durch die Straße wallt und zwischen den fahlgrauen Häusern dahintreibt. Was könnte hoffnungsloser prosaisch und materialistisch sein? Was nützt es denn, Doktor, Fähigkeiten zu besitzen, wenn es kein Feld sie anzuwenden gibt? Das Verbrechen ist banal, das Dasein ist banal, und von allen möglichen Eigenschaften gelten einzig die banalen etwas auf dieser Welt.«

      Ich hatte bereits den Mund geöffnet, um seiner Tirade zu entgegnen, als ein knappes Klopfen ertönte und unsere Wirtin mit dem Messingtablett in der Hand eintrat, auf dem eine Visitenkarte lag.

      »Eine junge Dame für Sie, Sir«, sagte sie, zu meinem Gefährten gewandt.

      »Miss Mary Morstan«, las er vor. »Hm, der Name sagt mir nichts. Bitten Sie die junge Dame herein, Mrs. Hudson. Nein, gehen Sie nicht, Doktor! Es wäre mir lieb, wenn Sie blieben.«

      Miss Morstan betrat das Zimmer festen Schrittes und dem Anschein nach gefaßt. Sie war jung, blond, klein und СКАЧАТЬ