Название: Die Memoiren des Sherlock Holmes
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783955012380
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Von da an war alles ganz klar. Straker hatte das Pferd in eine Senke geführt, wo man sein Licht nicht würde sehen können. Simpson hatte auf der Flucht sein Halstuch fallen lassen, und Straker hatte es aufgehoben, vielleicht in der Absicht, damit dem Pferd das Bein festzubinden. In der Senke war er hinter das Pferd getreten und hatte ein Streichholz entzündet, doch Silberstern, von dem plötzlichen Aufleuchten erschreckt und aus dem seltsamen Instinkt heraus, der Tiere spüren läßt, wenn jemand Übles im Sinn hat, schlug aus, und das Hufeisen traf Straker voll an der Stirn. Trotz des Regens hatte er schon seinen Mantel ausgezogen, um sein heikles Vorhaben auszuführen, und so schlitzte das Messer seinen Oberschenkel, als er fiel. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
»Wunderbar!« rief der Colonel aus. »Wunderbar! Als wären Sie dabeigewesen.«
»Mein letzter Schuß war, das gebe ich zu, ein ausgesprochener Glückstreffer. Es kam mir in den Sinn, daß ein geriebener Mensch wie Straker etwas so Heikles wie das Anschneiden einer Sehne nicht ohne ein wenig Übung wagen würde. Woran konnte er üben? Mein Blick fiel auf die Schafe, und ich stellte eine Frage, die, sehr zu meiner Überraschung, ergab, daß meine Vermutung zutraf.«
»Sie haben es vollkommen klar gemacht, Mr. Holmes.«
»Als ich nach London zurückkam, sprach ich bei der Putzmacherin vor, die Straker sofort als ausgezeichneten Kunden namens Darbyshire erkannte, der eine höchst elegante Frau mit einer großen Vorliebe für kostspielige Kleider habe. Ich zweifle nicht daran, daß diese Frau ihn bis über beide Ohren in Schulden gestürzt und so zu diesem nichtswürdigen Komplott verleitet hat.«
»Sie haben alles erklärt, mit einer Ausnahme«, rief der Colonel. »Wo war das Pferd?«
»Ach, es ging durch, und einer Ihrer Nachbarn hat sich seiner angenommen. In dieser Hinsicht sollten wir eine Amnestie ergehen lassen, denke ich. Das ist Clapham Junction, wenn ich mich nicht irre, und wir werden in weniger als zehn Minuten in Victoria sein. Sollten Sie Lust haben, in unseren Räumen eine Zigarre zu rauchen, Colonel, würde ich mich glücklich schätzen, Ihnen alle weiteren Details zu erläutern die Sie vielleicht noch interessieren.«
Das gelbe Gesicht
Bei der Veröffentlichung dieser kurzen Skizzen, die auf den zahlreichen Fällen beruhen, an denen ich, dank den einzigartigen Fähigkeiten meines Freundes, als Zuhörer und in manch seltsamem Drama gar als Akteur teilhatte, ist es nur natürlich, daß ich eher auf seine Erfolge denn auf seine Mißerfolge eingehe. Und dies geschieht nicht so sehr um seines Rufes willen, denn tatsächlich waren seine Energie und Vielseitigkeit immer dann am bewundernswertesten, wenn er mit seinem Latein am Ende war, sondern weil es dort, wo er scheiterte, sehr oft vorkam, daß auch kein anderer Erfolg hatte und die Geschichte für immer ohne Abschluß blieb. Dann und wann allerdings geschah es, daß die Wahrheit, selbst wenn er fehlging, trotzdem ans Licht kam. Ich habe Aufzeichnungen von einem runden halben Dutzend derartiger Fälle, von denen die Affaire des zweiten Flecks12 und die, von der ich jetzt berichten will, wohl die interessantesten Merkmale aufweisen.
Sherlock Holmes war ein Mensch, der sich selten um der Bewegung willen Bewegung machte. Wenige Männer waren zu größeren Kraftanstrengungen fähig, und er war in seiner Gewichtsklasse zweifellos einer der besten Boxer, die ich je gesehen habe; doch er betrachtete zweckfreie körperliche Betätigung als Energieverschwendung, und er rührte sich selten, außer wenn es irgendeinem beruflichen Ziel diente. Dann war er absolut ausdauernd und unermüdlich. Daß er sich unter solchen Umständen in Form halten konnte, ist bemerkenswert, andererseits war seine Kost überaus kärglich und seine Gewohnheiten einfach bis an die Grenze der Selbstkasteiung. Bis auf den gelegentlichen Gebrauch von Kokain hatte er keine Laster, und er nahm seine Zuflucht zu der Droge nur aus Protest gegen die Monotonie des Daseins, wenn die Fälle rar und die Zeitungen uninteressant waren.
Eines Tages zu Beginn des Frühjahrs hatte er sich so weit entspannt, daß er mich auf einen Spaziergang in den Park begleitete, wo auf den Ulmen die ersten zarten, grünen Schößlinge sprossen und die klebrigen Speerspitzen der Kastanien gerade zu fünffingrigen Blättern aufzuplatzen begannen. Zwei Stunden lang bummelten wir umher, zumeist schweigend, wie es zwei Männern ansteht, die miteinander vertraut sind. Es war schon fast fünf, als wir in die Baker Street zurückkehrten.
»Verzeihung, Sir«, sagte unser junger Hausdiener, als er die Tür öffnete; »da ist ein Gentleman dagewesen und hat nach Ihnen gefragt, Sir.«
Holmes warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Das hat man von Nachmittagsspaziergängen!« sagte er. »Dann ist dieser Gentleman also gegangen?«
»Ja, Sir.«
»Hast du ihn nicht hereingebeten?«
»Doch, Sir; er ist hereingekommen.«
»Wie lange hat er gewartet?«
»Eine halbe Stunde, Sir. Es war ein sehr unruhiger Gentleman, Sir, die ganze Zeit herumgelaufen und -gestampft, solange er da war. Ich hab vor der Tür gewartet, Sir, und ich hab ihn hören können. Schließlich geht er auf den Flur hinaus und ruft: ›Kommt denn dieser Mensch nie?‹ Das waren genau seine Worte, Sir. ›Sie brauchen nur noch ein bißchen zu warten‹, sage ich. ›Dann warte ich an der frischen Luft, denn ich bin schon halb erstickt‹, sagt er. ›Ich bin gleich wieder zurück‹, und damit springt er auf und geht hinaus, und was ich auch sagen konnte, hielt ihn nicht zurück.«
»Schon gut, du hast dein Bestes getan«, sagte Holmes, als wir unser Zimmer betraten. »Es ist freilich sehr ärgerlich, Watson. Ich brauchte dringend einen Fall, und das sieht aufgrund der Ungeduld des Mannes so aus, als wäre es etwas Wichtiges. Sieh da! Das ist nicht Ihre Pfeife auf dem Tisch! Er muß seine liegengelassen haben. Eine hübsche alte Bruyère, mit einem guten langen Mundstück aus dem, was die Tabakhändler Bernstein nennen. Ich frage mich, wieviel echte Bernsteinmundstücke es in London gibt. Manche meinen, eine darin eingeschlossene Fliege sei ein Zeichen dafür. Dabei ist das Einfügen imitierter Fliegen in imitierten Bernstein ein regelrechtes Gewerbe. Nun ja, er muß durcheinander gewesen sein, daß er eine Pfeife liegenließ, die er sichtlich hochschätzt.«
»Woher wissen Sie, daß er sie hochschätzt?« fragte ich.
»Nun ja, ich würde den ursprünglichen Preis der Pfeife mit sieben Shilling sechs Pence veranschlagen. Nun ist sie aber, wie Sie sehen, zweimal repariert worden: einmal am hölzernen Stiel und einmal am Bernstein. Jede dieser Reparaturen, die, wie Sie erkennen können, mit einem silbernen Ring ausgeführt worden sind, muß mehr als den ursprünglichen Preis der Pfeife ausgemacht haben. Der Mann muß die Pfeife hochschätzen, wenn er sie lieber flicken läßt, als sich für das gleiche Geld eine neue zu kaufen.«
»Noch etwas?« fragte ich, denn Holmes drehte die Pfeife in der Hand hin und her und starrte sie auf seine eigentümliche, gedankenvolle Weise an.
Er hielt sie hoch und klopfte mit seinem langen, dünnen Zeigefinger darauf, wie ein Professor, der über einen Knochen doziert.
»Pfeifen sind gelegentlich von außerordentlichem Interesse«, sagte er. »Nichts hat mehr Individualität, Uhren und Schnürsenkel vielleicht ausgenommen. Die Merkmale hier sind allerdings weder sehr ausgeprägt noch sehr wichtig. Der Besitzer ist offensichtlich ein kräftiger Mann, Linkshänder, mit ausgezeichnetem Gebiß, achtlos in seinen Gewohnheiten und nicht auf Sparsamkeit angewiesen.«
Mein Freund machte die Angaben ganz beiläufig, aber ich sah, daß er mir einen vielsagenden Blick zuwarf, um zu erkennen, ob ich seinem Gedankengang hatte folgen können.
»Sie meinen, СКАЧАТЬ