Dekonstruktion. Peter Engelmann
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Название: Dekonstruktion

Автор: Peter Engelmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Passagen forum

isbn: 9783709250143

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СКАЧАТЬ geschlossene Weltbild, das in der Ideologie der totalitären Staaten produziert wird, liegt der Staatsform der totalen Herrschaft als Prinzip zugrunde und legitimiert sie.

      Hannah Arendt hat den Zusammenhang von Faschismus und ideologischem System analysiert. Sie hat damit über diesen konkreten Zusammenhang hinaus Leitbegriffe für die Beschreibung und Analyse eines Gesellschaftstyps entwickelt und die Basis für eine philosophische Totalitarismustheorie geschaffen. Die Totalitarismustheorie wendete diese Leitbegriffe auch auf andere politische Systeme des 20. Jahrhunderts an und erkannte und beschrieb Strukturgleichheiten des Faschismus mit den kommunistischen Diktaturen. Dies führte jedoch auch zu heftigen Diskussionen darüber, ob mit einem übergreifenden Totalitarismusbegriff nicht die Verbrechen des Nationalsozialismus und insbesondere der Holocaust verharmlost würden.3

      Dieser von Arendt nachgewiesene Zusammenhang zwischen ideologischen, philosophischen und politischen Strukturen des Faschismus wird hier auch für die Betrachtung des politischen Systems des realen Sozialismus in der Sowjetunion und den von ihr beherrschten Ländern herangezogen. Nach dem Faschismus des Dritten Reichs wird die DDR als zweiter totalitärer Staat in Deutschland angesehen. Ich gehe davon aus, dass wie beim Faschismus, zwischen dem politischen System der DDR und dem zugrunde liegenden Weltbild, dem ideologischen System und seinem philosophischen Referenzsystem, ein Zusammenhang besteht. Ziel der Beschreibung und Analyse dieser Zusammenhänge ist es, Auswege aus, Alternativen zu und Warnungen vor Wiederholungen totalitärer Herrschaftssysteme zu formulieren.

      Der ideologische Leitdiskurs des realen Sozialismus und damit auch der DDR war der Marxismus, der sich wiederum zumindest in seiner Variante als dialektischer Materialismus als materialistische Umstülpung des hegelschen Systems verstand. Daher gehe ich der Frage nach, welcher Zusammenhang zwischen dem ideologischen Muster des dialektischen Materialismus als Legitimationsdiskurs totalitärer Herrschaft und dem hegelschen System als philosophisches Referenzsystem des Legitimationsdiskurses totalitärer Herrschaft festgestellt werden kann. Das hegelsche System wird wiederum als Form eines Diskurstyps betrachtet, der als Identitätsphilosophie Philosophien der Differenz gegenübersteht. Die Frage lautet hier, ob totalitäre Herrschaft an den einen oder anderen Typ philosophischer Diskursivität gebunden ist.

      Die Dekonstruktion geht aber über diese Frage noch hinaus. Sie argumentiert, dass nicht die Diskurstypen Identitätsphilosophie oder Differenzphilosophie über die Nutzbarkeit in Legitimationsdiskursen totalitärer politischer Strukturen entscheiden. Denn beiden sei gemeinsam, dass sie dem gleichen Typ der elementaren Bedeutungskonstitution auf der Ebene des Zeichens zugehören. Diskurstypen seien auf einer grundlegenderen Ebene hinsichtlich der Bedeutungskonstitution nicht verschieden. Die Frage müsse in der Perspektive der Dekonstruktion daher auf der Ebene der elementaren Bedeutungskonstitution des Zeichens wiederholt werden und dort lauten, ob es eine Weise der elementaren Bedeutungskonstitution gibt, die auf der komplexeren Ebene diskursiver Systeme eine Verwendung als Legitimationsdiskurs totalitärer Politik unmöglich macht, oder, wenn das nicht der Fall ist, wenigstens Widerstände gegen diese Verwendung erzeugt.

      Ich werde weiter der Frage nachgehen, ob es auf der Ebene des Zeichens Eigenschaften des Prozesses der Bedeutungskonstitution und sich aus diesen Eigenschaften ergebende Strukturen gibt, die sich mit Legitimationsmustern totalitärer Herrschaft vergleichen lassen – oder ob es Möglichkeiten gibt, den Prozess der elementaren Bedeutungskonstitution so zu denken, dass er die Sprache widerständiger gegen eine Verwendung in Legitimationsdiskursen totalitärer Herrschaft macht. Jacques Derrida beansprucht mit seinem Konzept der différance eine solche Möglichkeit entwickelt zu haben, wenn auch nicht im Sinne eines handlungsleitenden Konzepts.

      Das hegelsche System erfuhr im Marxismus eine explizit politische Interpretation mit großer politischer Gestaltungskraft und Wirkung bei der Legitimation eines totalitären politischen Systems. Deshalb ist es für eine vergleichende Analyse mit jenem philosophischen Konzept geeignet, das beansprucht, eine Möglichkeit zu entwickeln, seiner Verwendung als Legitimationsdiskurs für totalitäre Politik zu widerstehen.

      Ziel meiner Untersuchung ist es, den Zusammenhang von Allgemeinem und Besonderem in unserer philosophischen Kultur zu untersuchen. Von Hegel aus muss sich diese Untersuchung auf den Referenzraum Hegels ausdehnen, denn die Frage nach dem Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem ist eine der durchgehenden Fragen der abendländischen Philosophie. Hier müssen auf der einen Seite der Gründungsgestus der neuzeitlichen, subjektzentrischen Erkenntnisdisposition durch Descartes angesprochen werden, auf der anderen Seite aber auch die Philosophien Schopenhauers und Nietzsches, die als die Auflösungsformen dieses Dispositivs gelten.

      Das erste Kapitel dieses Buches bestimmt Differenzphilosophie als kritische Theorie autoritärer gesellschaftlicher Strukturen. Ihre zeitgenössischen Formen sind Postmoderne und Dekonstruktion. Postmoderne und Dekonstruktion werden dabei als zwei Ansätze zeitgenössischer kritischer Theorie unterschieden und es wird begründet, warum wir hier vor allem Dekonstruktion näher untersuchen. Anschließend wird der gesellschaftliche Kontext der Entstehung von Postmoderne und Dekonstruktion anhand von Statements von Michel Serres, Michel Foucault und Jacques Rancière aus zum Teil unveröffentlichten Gesprächen näher betrachtet. Am Ende dieses Kapitels wird schließlich Dekonstruktion als zweite Aufklärung von der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule abgesetzt.

      Das zweite Kapitel gibt eine vorläufige Bestimmung des hier verwendeten Begriffs von Differenzphilosophie. Wir untersuchen, ob es im Rahmen der Differenzphilosophie möglich ist, Heterogenität anders zu denken als in der identitätsphilosophischen Tradition und sie in diesem Feld unter Berücksichtigung der diskursiven Probleme ihrer Selbstbehauptung zu eigenständiger Geltung zu bringen. Abschließend untersucht dieses Kapitel den Stil der Differenzphilosophie. Zu diesem Zweck werden literarische und philosophische Diskursivität miteinander verglichen, der bewusste Umgang der Differenzphilosophie mit verschiedenen Diskursformen herausgearbeitet und gezeigt, dass dieser begründet ist.

      Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der philosophischen Genealogie der Dekonstruktion. Es wird gezeigt, dass die Dekonstruktion, wie sie Derrida entwickelt hat, nicht nur in der subjektkritischen und metaphysikkritischen Tradition von Nietzsche und Schopenhauer, sondern auch von Hegel steht. Die offenliegende genealogische Linie der Subjektkritik als Metaphysikkritik muss durch die hegelsche Kritik des neuzeitlichen Subjektzentrismus ergänzt werden. Hegels Argumentation steht daher in diesem Kapitel im Zentrum der Aufmerksamkeit. Seine Analyse der grundlegenden Sprachlichkeit des Gegebenen in der Phänomenologie des Geistes wird eingehend untersucht und das Prinzip der bestimmten Negation als Bewegungsprinzip des Wissens in einem nicht mehr subjektzentrischen System des Wissens erarbeitet. Gegen Hegels System des Wissens entwickeln sich die differenzphilosophischen Motive und Ansätze bei Schopenhauer und Nietzsche, die die Leiblichkeit gegen das reine Denken in Anschlag bringen und auch bei Heidegger, der die Seinsvergessenheit beklagt. Schon in diesen genealogischen Untersuchungen sind die systematischen Gesichtspunkte leitend, die später weiter entfaltet werden.

      Das vierte Kapitel befasst sich mit der titelgebenden semiotischen Wende der Philosophie. Zu Beginn werden zwei Begriffe von Nomenklatur unterschieden. Diese Unterscheidung wird gebraucht, um die Begründungsbewegung einer autonomen Sprachwissenschaft und die Grundlegung der semiotischen Wende der Philosophie bei Derrida beschreiben und erklären zu können. Nach der Analyse semiotischer Motive bei Leibniz werden hier die systematischen Überlegungen Saussures und Derridas untersucht, die zur Grundlegung einer differenziellen Semiotik bei Saussure und schließlich zur neuen Wissenschaft der Grammatologie bei Derrida führen. Mit der Grammatologie versucht Derrida eine Argumentation zu gewinnen, die es ermöglicht, Bedeutungskonstitution, abweichend von der metaphysischen Tradition, nicht als referenzielle sondern als differenzielle zu verstehen. Dieses differenzielle Verständnis von Bedeutungskonstitution bildet wiederum die Grundlage für die metaphysikkritische Argumentation Derridas im Rahmen der Philosophie. Es stellt die eigentliche philosophische Neuerung Derridas gegenüber seinen metaphysikkritischen Vorgängern dar, auch wenn sich etwa bei Nietzsche Versuche in Richtung differenzieller Bedeutungskonstitution finden.

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