Название: Kleopatra
Автор: Alfred Schirokauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783849635237
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»Ich will Wirklichkeit!«
»Ich auch, Kind«, stimmt er eifrig zu. »Ich bin Zeit meines Lebens ein sehr realer Politiker gewesen.« Er lächelt überlegen. Es scheint, als gehöre dieses Lächeln nicht zu dem verfallenen Gesicht.
Kleopatra hebt das Kinn, ihre Augen sind halb geschlossen. Spitz fragt sie: »Und was gedenkt der große Realpolitiker jetzt zu tun?«
»Wenn du Geduld hast, will ich es dir sagen, Kleo. Ich werde tun, was ich immer tun wollte. Was ich bis zum letzten Panzerriemen vorbereitet habe. Wovon ich mich nur durch deine – meine Liebe zu dir habe abtreiben lassen. Ich ziehe in vier Tagen in den Partherkrieg.«
Da wächst sie steil empor von ihrem Sitze. Es ist, als hätten seine Worte sie mit noch intensiverem Leben erfüllt. Fortgeweht ist ihre Keckheit, ihre harte Stimme, ihr unduldsamer Mund. Sie spricht wie eine Frau in höchster Angst.
»Du willst erst nach Persien?!«
»Ja.«
»Das ertrage ich nicht! Hörst du! Das kann ich nicht ertragen.«
Er beugt sich wieder zu ihr vor und packt sie in den Bann seiner strahlenden schwarzen Augen, das einzige an ihm, das stark und jung geblieben ist. »Kleo, du mußt es ertragen!«
»Hier sitzen und harren –«
»Nicht hier.«
»Sondern?«
»In Alexandrien.«
Ihr Körper bebt vor Zorn und Verzweiflung.
»Komm her«, sagt er weich.
Sie rührt sich nicht. Ihr kleiner Körper zuckt und windet sich in Ungemach.
Mit einem leisen Lächeln faßt er ihr Kleid, zieht sie an sich, zieht sie auf seinen Schoß, birgt sie in seine Arme wie ein klagendes krankes Kind. Flüstert zu ihr herab. Er ist zärtlich, wie ein Vater, gütig wie ein Freund, und bisweilen wird es die Stimme eines erschütterten Geliebten.
»Sei vernünftig, du Klügste auf Erden. Sei doch bloß ein bißchen vernünftig. Komm, komm, weine nicht, mein geliebtes Mädchen. Begreif doch, so geht es nicht. Das hast du nun doch selbst gesehen. Sie sperren sich gegen mich und dich. Mit Gewalt kann man Verfassungen nicht erzwingen – nicht für die Dauer. Ich brauche noch eine große Tat. Eine gewaltige, hinreißende. Eine, die diese Plebejer begeistert, ihre Hirne umnebelt. Eine Alexandertat. Nur kriegerische Lorbeeren wirken auf diese stumpfen Gemüter. Bis nach Indien muß ich meine Legionsadler siegreich tragen. Und wenn ich dann mit den Schätzen Indiens beladen heimkehre, dann Geliebte, dann – wenn sie neben dem Kriegsruhm sehr reale greifbare Erfolge sehen – wenn ich dann meinen Triumph feiere – dann sollst du sehen, wie sie dem Könige zujubeln.«
Sie liegt ganz still an seine Brust gebettet. Schluchzt nur noch vom Weinen nach.
»Ich wollte es immer. Ich will mich vor dir mit meiner politischen Einsicht nicht brüsten. Ich bin ein alter Routinier. Du ein leidenschaftliches junges Weib. Dein Plan ist groß und herrlich. War er immer, wird er immer bleiben. Es handelt sich nur um das Tempo seiner Verwirklichung. Unser Weltreich, Kleo, wird, so wahr ich dich liebe und in meinen Armen halte. Dann, mit der Erde zu deinen kleinen herrlichen Füßen, wirst du mein Weib, alle unsere Träume werden Wahrheit.«
Der Klang seiner Stimme ändert sich, wird härter, rauher. Es wird die Stimme des Staatsmannes. Der Geliebte ist verschwunden.
»Aber hier kannst du nicht bleiben, während ich in Persien bin. Deine Anwesenheit arbeitet gegen uns. Erinnert sie stets an unseren Plan. Der muß tief und unbemerkt fortwuchern, wie ein Saatkorn im Mutterschoße der Erde. Auf dem Rückwege hole ich dich aus Alexandrien.«
Wieder wandelt sich die Stimme, wird zum Trompetenton, tapfer, hell, voller Vertrauen.
»Dann ist unser Tag gekommen. Dann ziehst du mit mir, als mein Weib und die Königin des Ostens, auf dem Triumphwagen des Königs des Westens in Rom ein – die heilige Straße hinab – zum Kapitol – alles Volk jubelt uns zu – die siegreiche Riesenarmee tut das Ihrige –«
Sie setzt sich jäh auf seinen Knien auf, sieht ihm ins Gesicht. Ein Ton aus alten Tagen, aus alexandrinischen Nächten ist in seiner Stimme, reißt sie empor. Das ist der Cäsar, den sie einst gekannt hat, der feurige Geliebte, der Mann, den kein Alter berühren, noch antasten kann. Ihre Augen glänzen wie in den Tagen, da er sie in die Arme nahm und ihr wilde, leidenschaftliche Worte ins Ohr raunte. Auch in seinen Zügen flammt ein Feuer aus den ersten Zeiten ihrer Liebe. Ja, das ist Cäsar, ihr Cäsar, ihr Geliebter, ihr Erwecker und Meister.
Lange sieht sie ihn stumm an. Dann fragt sie leise: »Wie lange wird es dauern?«
»Weiß ich nicht. Dauer der Kriege läßt sich nicht vorausschätzen.«
»Ungefähr.«
»Zwei bis drei Jahre.«
»Unmöglich!« Sie fiebert von seinem Schoß, rennt in dem fast dunklen Zimmer umher wie ein kleiner Irrwisch.
»Solange halte ich es nicht aus.«
»Man hält vieles aus« –, sagt er ruhig, »um ein Weltreich – selbst wenn man alt und morsch vom Fieber ist.«
Da ist sie wieder bei ihm. In seiner Stimme hat sein Alter und seine Müdigkeit geschluchzt. Sie beugt sich über ihn, legt die Hände auf seine Schultern, preßt ihre Wange gegen die seine. Voll Sorge, Angst und Liebe fragt sie:
»Bist du denn gesund genug für die Strapazen dieses großen Krieges?! Kannst du die Entbehrungen eines Feldzuges ertragen?! Wenn du krank würdest – weit von mir –, ich würde vor Angst um dich vergehen!«
Er wendet das Gesicht zu ihr empor.
» Nur für diesen Krieg bin ich gesund und stark genug. Ein altes, mürbes Streitroß. Wenn die Fanfaren schmettern, richtet es sich auf und sprengt los.« Er lächelt so schmerzlich und zag, daß ihr empfängliches Herz ihm entgegenspringt.
Sie liegt an seiner Brust. »Du – du – ich wußt es – wenn die Krone winkt – wieder ganz jung wie vor vier Jahren in Alexandrien würdest du werden. Unsere Nächte damals – unsere –«
Sie wühlt sich an seinen Leib, schmiegt sich an ihn, sucht seine Lippen.
»Küß mich – nimm mich –«
Da zieht er sich in sich zurück. »Liebste, nicht jetzt«, wehrt er in milder Trauer. »Ich muß gleich fort. Letzte Vorbereitungen. Und abends bin ich bei Lepidus eingeladen.«
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