Название: Kleopatra
Автор: Alfred Schirokauer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783849635237
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Da packt Kleopatra der Ekel. Vor der Hexe und vor sich und ihrer Erniedrigung. Was soll ihrem skeptischen hellen Verstande dieser Mummenschanz! Sie greift in den Seidenbeutel am Gurte ihres Kleides. Schleudert dem Weibe ihren Goldbeutel an den Kopf. Ist draußen. Die Sonne, das grelle Stahlblau des Himmels, das aus dem offenen Viereck in der Decke des Atriums über sie herfällt, blendet sie. Doch rasch und hoheitsvoll, Königin, geht sie durch die Sitzreihen der Damen. Erwidert ehrerbietigen Gruß.
Draußen hat sich um den exotischen Wagen das Gesindel der Subura angestaut. Schmierige Kinder staunen aus runden kohlschwarzen Augen. Der Numider kann der Herrin nicht Bahn brechen. Er muß die Hengste halten, die unruhig den Sand der Straße scharren. Schaumspritzer zerrinnen auf ihren heftig atmenden Flanken. Kleopatra bricht sich selbst Bahn. Das Volk weicht zurück. Um ihre kleine Figur weht etwas Bezwingendes, Achtunggebietendes, Unwiderstehliches. Sie springt hinauf, ehe der Numider helfend zugreifen kann. Faßt die Zügel.
»Platz da!« warnt der Begleiter.
Die Kinder stieben zurück.
Sie bewegt kaum die Zügel, kaum die Lippen. Die Renner beugen sich in dem Gelenk der Hinterbeine – setzen mit starkem Sprunge an. Die Gassen läuten das Gerassel der Stahlräder wider.
Heraus aus der Subura. Schon winken sonnenüberglänzt Tempel und Basiliken des Forums. Ein Senator in roten Schuhen, den Purpursaum am Kleide, springt zurück vor den Hufen der Tiere. Der Schreck entlockt ihm einen unbeherrschten Zornesruf: »Verfluchtes Weibsstück!«
Sie streckt ihm gassenbübisch die kleine spitze Zunge heraus. Und lacht ausgelassen. Und ihre unbedeckten Haare flattern um ihr schmales Haupt.
Dort am Tempel der Vesta steht die Bildsäule Cäsars. Scharf lugt Kleopatra aus, vermindert kaum das Jagen der Hengste. Ein Laut bricht von ihren Lippen. Ein Jauchzen. Übermütig schwingt sie die lange Peitsche.
Sie hat es gesehen. Deutlich. Cäsars Bildsäule trägt die Königskrone.
II.
Sie ist wieder in der Villa auf dem Janikulum. Wirbelt in das Ankleidezimmer. Charmion, die Griechin, Eiras, die Ägypterin, Vertraute, Zofen, einst Gespielinnen, entkleiden sie.
»Ein ganz dünnes Hauskleid, Charmion. Mir ist gräßlich heiß.«
»Sei vorsichtig, Herrin. Diese ersten Frühlingstage sind tückisch.«
Kleopatra zieht die grünen Augen schmal, katzenhaft zusammen. Die Dienerin weiß genug, hastet davon, bringt das fast durchsichtige koische Gewand.
Die Königin läßt sich kleiden, hält gegen ihre flatternde Gewohnheit fügsam still. Ihre Gedanken sind weit fort. Unten auf dem Forum. Seine Bildsäule ist gekrönt. Seine Bildsäule ist gekrönt! Nichts anderes hat Sinn in dieser gewaltigen historischen Stunde.
Das Mahl ist bereitet, der Hofstaat wartet. »Sie sollen ohne mich essen.« Charmion drängt. »Laß mich«, wehrt Kleopatra nervös. Sie sitzt vor dem Toilettentisch mit dem großen silbernen Spiegel. Charmion, die treue, bringt ihr eine kräftige Brühe. Sie kostet, mag nicht. Die Gewißheit, daß unten auf dem Forum Cäsars Bildsäule die Krone trägt, raubt ihr den Appetit.
Sie sitzt mit zusammengekniffenen Augen, die Finger der Linken in das Kinn, dieses starke, feine, tatbewußte Kinn verkrallt, den Ellbogen des nackten Arms auf den Schenkel gestemmt, der über das rechte Knie geschlagen ist. Und sinnt.
Endlich! Vier Jahre hat sie auf diesen Tag gewartet. Ihn Cäsars Bedachtsamkeit abgerungen, abgetrotzt. Der Alexandertraum wird endlich zur Tat. In den ersten Nächten, damals, als Cäsar nach Alexandrien kam und sie in der ersten Nacht nahm, hat sie ihm diesen Plan des Weltkönigtums, diesen Herrschaftsgedanken über Ost und West als süßes Gift eingeträufelt, eingeküßt, eingehaucht. Ihren Plan! Ihren Gedanken! Ihre heilige Sehnsucht! Und heute endlich –
Sie federt empor. Klatscht in die Hände. Befiehlt Cäsarion. Die pompöse mazedonische Kinderfrau im Hauptschmuck der vielen wehenden bunten Bänder bringt das Kind. Es läuft auf die junge Mutter zu. Kleopatra hebt es hoch über sich empor. Erstaunlich ist die Kraft in der kleinen zarten Gestalt, mit der sie den großen dreijährigen Knaben hochschwingt. Er lacht fröhlich und beginnt ihr eine große Wichtigkeit seines Kinderdaseins zu erzählen. Sie winkt die Frau hinaus.
Doch sie hört nicht auf das Kindergeplapper. Sie ist zerstreut. Sie sieht in ihm nicht ihr Kind, heute nicht. Sie sieht durch ihn hindurch auf Reiche, auf die Erde, die ihr und Cäsar gehören soll für ihn – einst für ihn. Er ist für sie Symbol und Verkörperung ihrer Weltherrschaftsidee. Nur für ihn, seinen einzigen Sohn, hat Cäsar –
Unrast packt sie. Sie klatscht in die Hände. »Die Frau soll das Kind holen! Wo sind die Läufer?! Wo bleiben die Nachrichten aus der Stadt?!«
»Ein Bote harrt draußen.«
»Draußen?! Warum kommt er nicht herein? Seleukos soll gepeitscht werden. Und sag ihm, ich lasse ihn fragen, ob er seines blöden Kopfes müde ist. Herein mit dem Boten!«
Bis er kommt, fingert sie unruhig an ihren Gliedern hin. Der Läufer wirft sich vor ihr nieder. »Auf, auf! Was geschieht in der Stadt?«
»Eine ungeheure Menge ist auf dem Forum zusammengeströmt. Alles blickt auf die gekrönte Bildsäule, Herrin.«
»Weiter!«
»Weiter nichts, Herrin. Sie stehen und deuten und starren darauf und flüstern miteinander.«
»Was flüstern sie?«
»Teils sind sie dafür, teils heftig dagegen, daß Cäsar als König geehrt wird.«
»Welche Meinung ist in der Mehrzahl? Muß ich dir jedes Wort abringen, du Tölpel!«
Sie stampft heftig auf mit dem unwahrscheinlich kleinen Fuß in dem Seidenschuh.
»Es ist schwer zu sagen, Herrin. Die Leute sind in ihren Äußerungen sehr vorsichtig.«
»Gut. Ich verlange dauernd Bericht.«
Der Läufer verbeugt sich tief und geht.
Für und wider. Ja, ja. Das hat sie gewußt und erwartet. Und Cäsar auch, als er einem Vertrauten den Befehl gab, seine Säule zu krönen. Ein Versuch. Ein Fühler am Pulse des Volkes.
Sie stöhnt auf. Der Tag vergeht nicht. Die Schwingen der Stunden sind gelähmt. Cäsar ist in Alba. Hat am frühen Morgen die Stadt verlassen. Absichtsvoll. Am Nachmittag will er zurückkehren. Die Rückkehr wird alles entscheiden. Alles. Königtum, Weltreich von СКАЧАТЬ