Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Wunderlicher Lichtstrahl auf eine Zeit, die keine Geschichte je völlig beschreiben wird können!
Dann kam der Artillerist, meine Fragen beantwortend, wieder auf seine großartigen Pläne zu sprechen. Er redete sich in eine wahre Begeisterung hinein. Er sprach mit solcher Beredsamkeit von der Möglichkeit, sich einer Kriegsmaschine zu bemächtigen, dass ein gutes Teil meines Glaubens an ihn wieder zurückkehrte. Aber da ich jetzt anfing, etwas von dem Wesen des Mannes zu begreifen, erriet ich auch, warum er soviel Wert darauf legte, nichts überstürzt zu tun. Auch bemerkte ich, dass jetzt nicht mehr davon die Rede war, dass er persönlich sich der großen Kriegsmaschine bemächtigen werde.
Nach einiger Zeit gingen wir wieder in den Keller hinab. Keiner von uns schien Lust zu haben, die Grabearbeit wieder aufzunehmen. Und als er vorschlug, eine Mahlzeit zu nehmen, hatte ich nichts dagegen. Er wurde plötzlich sehr freigebig, und als wir gegessen hatten, ging er hinaus und kehrte mit einigen vorzüglichen Zigarren wieder. Wir steckten sie an und dabei glühte auch wieder seine hoffnungsvolle Stimmung. Er war geneigt, meine Ankunft als eine großartige Gelegenheit zu einem Fest anzusehen.
»Im Keller gibt’s auch etwas Champagner«, sagte er.
»Es ist vielleicht besser, wenn wir bei unserem Burgunder weitergraben«, sagte ich.
»Nein«, meinte er, »heute bin ich der Wirt. Champagner! Großer Gott, die Aufgabe, die vor uns liegt, ist schwer genug. Ruhen wir aus und sammeln wir Kräfte, so lange es Zeit ist. Sehen Sie doch diese schwieligen Hände!«
Und da er an seiner Vorstellung, dass es ein Feiertag sei, festhielt, bestand er darauf, dass wir nach dem Essen Karten spielten. Er lehrte mich »Euchre«,1 das amerikanische Whist, und da wir London schon zwischen uns verteilt hatten — ich nahm die nördliche, er die südliche Seite — spielten wir um Kirchspiele. So albern und närrisch das auch dem nüchternen Leser scheinen mag, so ist es doch durchaus wahr, und was noch bemerkenswerter ist, ich fand dieses Kartenspiel und noch einige andere, die wir spielten, äußerst anziehend.
Wie seltsam ist doch der Mensch! Wir, deren Gattung am Rande der Vernichtung oder doch vor einer erschreckenden Entartung stand, mit keiner anderen Aussicht vor uns, als der Möglichkeit eines grauenhaften Todes, wir konnten nun dasitzen und den Glückslaunen dieser bemalten Papierstücke folgen und mit lebhaftem Entzücken unsere Stiche zählen. Dann lehrte mich der Artillerist »Poker« und ich besiegte ihn in drei zähen Schachpartien. Als die Dunkelheit anbrach, waren wir in einem derartigen Eifer, dass wir uns entschlossen, es auf eine Entdeckung ankommen zu lassen und eine Lampe anzuzünden.
Nach einer ungeheuren Reihe von Spielen nahmen wir unser Abendbrot ein, und der Artillerist machte ein Ende mit dem Champagner. Wir fuhren fort, Zigarren zu rauchen. Nun war er aber nicht mehr der tatkräftige Erneuerer unserer Gattung, den ich am Morgen in ihm gefunden hatte. Er war noch immer ein Optimist, aber es war kein umstürzender, es war ein bedächtiger Optimismus. Ich erinnerte mich, wie er schließlich mit mir anstieß und in einer Rede von geringer Abwechslung und mit zahlreichen Unterbrechungen aus meine Gesundheit trank. Ich nahm mir eine Zigarre und stieg hinauf, um nach den Lichtern zu sehen, von denen er gesprochen hatte, und die so grünlich längs der Hügel von Highgate leuchten sollten.
Zuerst starrte ich ziemlich geistesabwesend über das Tal von London. Die nördlichen Hügel waren in tiefes Dunkel gehüllt, die Feuer in der Nähe von Kensington schienen rötlich herüber, und hie und da zuckte eine orangefarbene Feuerzunge auf, um in der tiefblauen Nacht gleich wieder zu verschwinden. Das ganze übrige London war schwarz. Näher dem Haus bemerkte ich jetzt ein seltsames Licht, einen blassen, blauvioletten, schillernden Schein, der in der Nachtluft hin- und herzitterte. Lange Zeit konnte ich ihn mir nicht erklären, bis es mir einfiel, dass es das rote Gewächs sein musste, von dem dieser schwache Strahlenglanz ausging. Mit dieser Wahrnehmung erwachte auch wieder mein Gefühl des Staunens, meine Empfindung für das Verhältnis der Dinge. Ich blickte hinauf zum Mars, der rot und klar, hoch im Westen glühte, und dann sah ich lange und nachdenklich in die Dunkelheit von Hampstead und Highgate.
Ich blieb sehr lange auf dem Dach und staunte über die wunderlichen Wechselfälle des Tages. Ich erinnerte mich meiner geistigen Verfassung, von dem mitternächtlichen Gebet an bis zu dem albernen Kartenspielen. Ich verspürte ein Aufbäumen meiner Gefühle. Ich erinnere mich, wie ich in einer Art verschwenderischer Symbolik meine Zigarre wegschleuderte. Meine Narrheit kam mir in verzerrter Übertreibung zum Bewusstsein. Ich erschien mir als Verräter an meinem Weib und an meiner Gattung. Ich war erfüllt von Reue. Ich beschloss, diesen sonderbaren ungezügelten Träumer großer Dinge, seiner Flasche und seinen Gelagen zu überlassen und nach London weiterzugehen. Dort würde ich wohl am Ehesten erfahren können, was die Marsleute und meine Mitmenschen jetzt taten. Ich befand mich noch auf dem Dach, als der späte Mond aufging.
1 Kartenspiel für zwei bis sechs Personen <<<
VIII. Das tote London
Nachdem ich mich von dem Artilleristen verabschiedet hatte, ging ich den Hügel hinab und durch die High Street über die Brücke nach Lambeth. Das rote Gewächs war hier besonders üppig und versperrte fast den Weg zur Brücke; aber seine Zweige waren bereits von der immer weiter um sich greifenden Krankheit, die es so bald und so rasch vernichten sollte, gebleicht.
An der Ecke des Weges, der zur Station Putney Bridge führt, sah ich einen Mann liegen. Der schwarze Staub gab ihm das Aussehen eines Schornsteinfegers; er lebte, war aber sinn- und hilflos betrunken. Ich brachte nichts aus ihm heraus, als Flüche und wütende Stöße gegen meinen Kopf. Ich glaube, dass ich bei ihm geblieben wäre, hätte der rohe Ausdruck seines Gesichtes mich nicht abgeschreckt.
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