Название: Animant Crumbs Staubchronik
Автор: Lin Rina
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783959913928
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»Papperlapapp«, machte meine Tante mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das wird eine ganz kleine Veranstaltung. Nur ein wenig Essen, herumsitzen und Klaviermusik lauschen«, versuchte sie mich zu locken und sah mich dabei flehend an. »Bitte, Ani. Alfred hat sich noch einen Tag entschuldigen lassen, weil seine Geschäfte länger dauern, und ich will da auf keinen Fall allein aufschlagen«, bettelte sie und ich seufzte im Stillen.
Meiner Mutter hätte ich diesen Gefallen wahrscheinlich nicht getan. Aber bei Tante Lillian wurde ich schnell weich. Erstens, weil sie den flehenden Blick ausgezeichnet beherrschte, zweitens, weil ich mich ihr gegenüber schuldig fühlte, da ich in ihrem Haus wohnen durfte, und drittens, weil ich Klaviermusik wirklich sehr liebte.
Mein eigenes Spiel war mittelmäßig bis dürftig, wahrscheinlich, weil ich mehr über Klaviere gelesen hatte, als sie zu spielen, aber es gab für mich nichts Angenehmeres, als einem guten Stück zu lauschen, während ich in der Welt eines Buches versank.
Vielleicht hatte meine Tante ja auch recht und der Kreis an Leuten wäre so klein, dass man gemeinsam am Kamin saß, sich ein wenig austauschte, einen afternoon tea trank, während eine der Damen ihre Künste an den Tasten mit uns teilte. Und ich konnte dabei ein bisschen lesen. Was machte es schon, ob ich hier oder dort las.
»Na gut«, gab ich mich also geschlagen und das Gesicht meiner Tante hellte sich augenblicklich auf.
»Danke, Ani!«, rief sie freudestrahlend, während sie sich von ihrem Stuhl erhob, und grinste dann schelmisch. »Ich habe dir sogar schon ein Kleid rausgelegt«, teilte sie mir mit und eilte dann aus dem Zimmer.
Zwei Stunden später konnte ich kaum glauben, wie ich mich nur so hatte austricksen lassen können. Der große Raum war voller Leute, viel mehr als eine kleine oder auch nur eine mittlere Abendgesellschaft. Bei uns auf dem Land kam eine so große Anzahl Menschen nur zu einem Ball zusammen.
Aber wahrscheinlich war das mal wieder ein Unterschied zwischen hier und dort. Hier galt dies als ›kleine Abendgesellschaft‹ und ich wünschte mich weit, weit weg.
Gemeinsam hatten wir den Raum betreten, dessen Fülle an lauten Gesprächen mich beinahe erschlagen hatte, und nicht einmal fünf Minuten später stellte Tante Lillian mir auch schon ihre liebe, alte Freundin Mrs Glenwood vor, mit der sie dann nach zwei, drei gewechselten Sätzen in der Menge verschwand.
Und so stand ich nun hier, allein, zwischen einer Unzahl fremder Menschen und nahm mir ein Glas Sodawasser, damit ich etwas hatte, woran ich mich festhalten konnte.
Ich schlängelte mich mit dem hellgrünen Ungetüm, das ich trug, zwischen den herumstehenden Menschen hindurch und suchte mir einen ruhigen Platz am Kamin, wo mir der Sessel, den ich in Aussicht gehabt hatte, in just diesem Moment von einer älteren Dame mit grauer Hochsteckfrisur und violettem Seidenkleid weggeschnappt wurde.
Es war zum Schreien und meine Nerven waren die Tage nicht gerade in so guter Verfassung, als dass ich es mir nicht auch hätte gönnen können, diesen Abend zu meiner eigenen Verfügung zu haben.
Wo war die Übeltäterin eigentlich, die mir dies zumutete? Aber ich konnte Tante Lillian nirgends entdecken. Beleidigt schnaubend nahm ich mir ein Sandwich von einem Teller, der unweit von mir auf einem Tisch stand.
Zum Glück hatte meine Tante mich nicht so eng geschnürt, wie Mary-Ann es immer tat, und ich würde wenigstens ein paar davon essen können, ehe mir der Platz ausging.
»Oh, wo haben Sie denn den Sekt her?«, sprach mich plötzlich eine flötende Stimme von der Seite an.
Überrascht drehte ich den Kopf und sah in das schwammige Gesicht eines leicht untersetzten Mannes, der zu meinem Erschrecken kaum älter sein konnte als fünfundzwanzig. Das dunkelblonde Haar ging jedoch bereits zurück und entblößte höchst unvorteilhaft seine hohe Stirn, die ihn wie einen Eierkopf aussehen ließ. Unvermittelt musste ich an Alice’ Abenteuer im Wunderland denken.
»Es ist Sodawasser«, korrigierte ich ihn, lächelte höflich und hätte mich nur zu gern in Luft aufgelöst.
»Sodawasser?!«, entgegnete der Mann schockiert und riss seine kleinen Augen auf. Dann neigte er seinen Kopf verschwörerisch zu meinem, was mir mehr als unangenehm war, da ich nicht einmal genug Platz hatte, um ihm auszuweichen, ohne dass die Rüsche meines Rockes in Gefahr stand, am Kamin Feuer zu fangen. »Ich hörte letztens doch tatsächlich, dass Soda eine Säure sein soll«, sagte er mit solcher Empörung, als wäre es eine Zumutung, Menschen so etwas Schreckliches überhaupt anzubieten.
Innerlich verdrehte ich die Augen. Dieser Mann, der sich mir bislang nicht einmal vorgestellt hatte, schien sich wohl für außerordentlich intelligent zu halten, machte auf mich jedoch eher den Eindruck, ungelehrt und theatralisch veranlagt zu sein.
»Es ist eine alkalische Lösung«, verbesserte ich ihn daher und hörte sofort die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf, wie sie mich anwies, nicht immer jeden zu belehren.
Der Mann sah mich an, als wären mir plötzlich Fühler auf dem Kopf gewachsen. Er hatte mich nicht verstanden.
»Eine Lauge«, klärte ich ihn daher auf und schob ihn behutsam und wie zufällig ein Stück von mir weg, damit zwischen uns wieder ein Abstand geschaffen wurde, der mir Luft zum Atmen ließ. Denn leider zählte zu der unglaublichen Anzahl hervorstechender Eigenschaften meines ungebetenen Gesprächspartners, die mir unwillkommen waren, auch, zu unsensibel zu sein, um zu merken, wenn er eine Dame bedrängte.
Er jedoch nickte mit einem falschen Lächeln, das mir wohl symbolisieren sollte, dass er genau wusste, wovon ich sprach, obwohl er dumm wie ein Stück Holz war. »Wollen Sie nicht lieber dieses gefährliche Zeug wegstellen und ich hole Ihnen einen Punsch? Zufällig kenne ich die Herrin des Hauses persönlich und ihr Punsch ist wirklich außerordentlich vorzüglich«, sagte er so stolz, als hätte er den Punsch mit seinen eigenen Händen zusammengerührt. Ich klammerte mich nur fester an mein Glas.
»Das ist überaus nett«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber nein danke. Ich habe nicht das Privileg, morgen lange ausschlafen zu können.«
»Ach, nein?«, rief der Herr überrascht und ich hätte mich gerne selbst geohrfeigt, weil ich ihm doch tatsächlich Stoff für Unterhaltung bot, wo ich ihn doch so dringend loswerden wollte. »Was hat eine junge, hübsche Dame wie Sie denn am frühen Morgen zu tun?«, wollte er natürlich sofort wissen und ich entschied, die Taktik zu ändern.
Mit unterschwelliger Ablehnung wurde ich ihn nicht los, da er zu geistlos war, diese zu bemerken. Also würde ich es mit schonungsloser Ehrlichkeit versuchen.
Bei Mr Reed klappte das schließlich auch. Man musste sich nur seinen Verschleiß von vierundzwanzig Assistenten in vier Monaten ansehen.
»Ich arbeite.« Jetzt war es raus. Ich war eine Frau, die arbeitete!
Die Augen des Mannes weiteten sich sichtlich verblüfft. »Das … oh. Aber Miss …«, stammelte er und es schien ihm keine Erwiderung einzufallen.
Ich hoffte darauf, ihn so sehr in Verlegenheit gebracht zu haben, dass er sich verabschieden und weiterziehen würde. Aber ich hatte die Hartnäckigkeit der Männer unterschätzt, die nicht mit gottgegebener Schönheit und Eleganz gesegnet waren. Er holte tief Luft, fing sich wieder und setzte ein kleines schweinsgleiches Lächeln auf. »Wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist …«, begann er mit gefasster Stimme und ich wünschte СКАЧАТЬ