Animant Crumbs Staubchronik. Lin Rina
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Название: Animant Crumbs Staubchronik

Автор: Lin Rina

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783959913928

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СКАЧАТЬ dessen, dass außer uns niemand hier war.

      Ich blinzelte, nahm mir vor, in Zukunft schneller mit meinen Antworten zu sein und ging trotz Aufforderung nur so zügig, wie es sich für eine Dame gehörte.

      Ich stieg die Treppen hinauf, kam an Mr Reeds Bürotür vorbei, hinter der ein Geräusch ertönte, als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen. Ein lautes Fluchen folgte und ich machte mich eilig daran, meinen Mantel im Nebenraum abzulegen.

      Gerade kam ich wieder heraus, da stand Mr Reed auch schon vor mir. Er trug einen dunkelbraunen Anzug und eine hellere Weste zu einem beigefarbenen Hemd. Es stand ihm gut und betonte die dunkle Farbe seiner Augen.

      »Hier«, sagte er und hielt mir einen kleinen Seidenbeutel hin. »Zwei Schilling bekommt der Zeitungsjunge und keinen Penny mehr. Lassen Sie sich nicht von ihm abziehen«, wies er mich an und ich nahm den Beutel entgegen. Er war schwer und ich schob ihn mir in die Rocktasche, aus der ich im gleichen Zug Notizblock und Bleistift herauszog.

      2 Schilling, schrieb ich hinter den Punkt mit den Zeitungen auf meiner Liste und lief dabei Mr Reed hinterher, der zurück zur Treppe ging.

      »Mr Reed, eine Frage«, sprach ich ihn an, gerade als er die ersten paar Stufen genommen hatte. Er machte auf dem Absatz kehrt und sah mich durchdringend an.

      Es war ein komisches Gefühl, auf ihn herabzusehen, obwohl er es scheinbar gar nicht bemerkte.

      Ein ungeduldiges Zucken seiner Augenbrauen war die einzige Aufforderung, die ich bekam.

      »Wo befindet sich das Archiv und wie finde ich dort den Platz, an den die alten Zeitungen gehören?«, wollte ich wissen und Mr Reeds Gesicht bewegte sich kaum.

      »Das waren aber zwei Fragen«, gab er altklug von sich und ich kniff die Lippen zusammen. Meine Laune, die ich bisher recht neutral gehalten hatte, begann sich zu verschlechtern.

      »Mein Fehler«, gab ich also zu und zwang mich, die Mundwinkel zu heben, um meine Gefühle zu verbergen.

      Mr Reed nickte nur, wandte sich wieder von mir ab und nahm die restlichen Stufen. »Im Westflügel gibt es weiter hinten einen Durchgang, der zu einer Treppe führt«, erklärte er und wies nachlässig nach rechts durch die hohen Türen. »Nehmen Sie sich einfach ein bisschen Zeit und sehen sich dort unten um. Sie scheinen ja sowieso für alles ein bisschen länger zu brauchen«, spottete er über mich, ohne sich noch mal zu mir umzudrehen, verschwand unter dem Rundgang und so auch aus meinem Blickfeld. Ich stand immer noch am oberen Ende der Treppe und ballte meine Fäuste so fest, dass ich in einer Hand den Notizblock zerquetschte.

      Das war jetzt mehr als nur bloße Unhöflichkeit. Das war eine Beleidigung gewesen und ich wäre diesem Mann nur zu gern hinterhergerannt und hätte ihm irgendwas an den Kopf geworfen. Worte möglicherweise. Aber am liebsten ein Buch oder einen großen Stein.

      Doch ich zwang mich stattdessen tief durchzuatmen, strich die Seiten meines Blocks wieder glatt und stieg, den Kopf würdevoll nach oben gereckt, die Stufen nach unten.

      Mr Reed stand nahe der Treppe an einem Regal, fuhr mit dem Zeigefinger über die Buchrücken und zog dann eins heraus. Er klemmte es sich unter den Arm und suchte ein weiteres.

      Ich blieb nicht stehen, um ihn zu beobachten, ich hatte meine Arbeit zu erledigen. Und nur, weil ich noch nicht so routiniert war und einen Hang zur Gründlichkeit hatte, brauchte dieser hochnäsige Mensch sich gar nicht anmaßen, sich über mich lustig zu machen.

      Ich lief zu dem Ständer mit den Zeitungen, nahm alle heraus, die täglich erschienen, und stemmte mich gegen den Schraubverschluss der hölzernen Einspannungen. Sie waren so fest zugedreht, dass mir schon nach dem dritten die Finger schmerzten, doch ich blieb dran, versuchte es mir nicht anmerken zu lassen und stapelte die Zeitungen neben mir auf einem Hocker, der an der Wand gestanden hatte.

      Nachdem ich fast fertig war, kam ein Junge in die Bibliothek geschlurft. Er war vielleicht gerade mal zehn, hatte eine viel zu große Jacke an und die Mütze auf seinem Kopf rutschte ihm ständig in die Augen. Unter dem Arm trug er einen Stapel Zeitungen und lief damit schnurstracks auf den Tresen zu. Mit einem dumpfen Geräusch landete das bedruckte Papier auf der Tischplatte. Ich ging ihm entgegen und als er sich die Mütze vom Kopf gezogen hatte, blickten seine Augen in meine Richtung. Rote Haare standen unordentlich von seinem Kopf ab, seine Wangen waren von der Kälte gerötet und Millionen kleiner Sommersprossen zierten sein Gesicht.

      »Guten Morgen«, grüßte ich leise und zog den seidenen Beutel aus meiner Rocktasche.

      »Morgen«, nuschelte der Junge und musterte mich unverhohlen von oben bis unten. »Sie sind aber ’ne schicke Maus«, sagte er mit dem Ton eines Seemanns in der Stimme und zwinkerte mir selbstgefällig mit einem Auge zu.

      Ich hielt die Luft an.

      Gut, dass meine Wut auf Mr Reed noch ganz frisch war und ich gegenüber einem ungewaschenen, übermütigen Straßenburschen keinerlei Scheu hatte, diese Wut auch zu zeigen.

      »Erstens ist mein Name Miss Crumb!«, kam es so scharf aus meinem Mund geschossen, dass dem Jungen dabei das Grinsen auf der Stelle verging. »Zweitens wirst du in Zukunft weder unhöflich noch unverschämt sein. Solltest du also jemals wieder auf die dumme Idee kommen, mich nach einem Nagetier zu benennen, werde ich dich an einem Ohr hier rauszerren und dafür Sorge tragen, dass sich ein anderer Junge mit besseren Umgangsformen für deine Arbeit findet.«

      Sein Gesicht hatte jegliche Farbe verloren und seine Augen, die mir gerade noch so unverblümt entgegengestarrt hatten, senkten sich auf seine schäbigen Schuhspitzen.

      »Hast du mich verstanden?«, forderte ich ihn auf, mich zu bestätigen, und stellte mit Befriedigung fest, wie er nervös seine Mütze zwischen den Fingern knetete.

      »Ja, Ma’am«, kam es kleinlaut aus seinem Mund und ich atmete einmal tief durch, ehe ich den Seidenbeutel öffnete und zwei Schilling herausnahm.

      »Mr Reed sagte, du bekommst zwei Schilling«, eröffnete ich ihm und er nickte zaghaft. Ich hielt ihm die Münzen hin, er nahm sie zögerlich entgegen und versenkte sie in seiner Jackentasche.

      »Danke, Ma’am«, nuschelte er und räusperte sich dann. Sein Blick huschte umher, weil er nicht wusste, wohin er schauen sollte, und dann holte er tief Luft. »Darf ich jetzt gehen?«, wollte er wissen und ich war von mir selbst beeindruckt.

      Ich hatte nie viel mit Kindern zu tun gehabt. Seit ich selbst keins mehr war, waren sie mir uninteressant und strapazierten lediglich meine Nerven.

      Daher hätte ich auch nie von mir gedacht, dass ich dazu fähig war, einem von ihnen Respekt einzuflößen.

      Meine Mutter hatte meine dunklen Röcke oft als Kluft einer Gouvernante geschimpft. Vielleicht hatte sie damit gar nicht so unrecht.

      »Ja, nachdem du dich verbeugt und mir einen Guten Tag gewünscht hast, wie es sich in Gegenwart einer Dame gehört«, forderte ich und fragte mich, ob es nicht langsam zu viel des Guten war. Doch wahrscheinlich würde er es sonst nirgendwo anders zu hören bekommen und ein paar gute Umgangsformen zu besitzen, hatte noch niemandem geschadet.

      Der Junge folgte meinen Anweisungen, verbeugte sich so ungelenk, als würde er es das erste Mal tun, wünschte leise einen Guten Tag und rannte dann so schnell davon, dass seine Schritte unangenehm laut durch das ganze Foyer hallten.

      Jetzt ging es mir besser. Ich hatte meinem Ärger Luft gemacht, fühlte mich befreit und hatte СКАЧАТЬ