Название: Die Familie Lüderitz
Автор: Paul Enck
Издательство: Автор
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783873222984
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Im Jahre 1891 – noch als Elisabeth Lüderitz – erhielt sie als erst zweite Frau eine ehrenvolle Erwähnung des Senats der Akademie der Künste. 1892 wurde ihr die dieselbe Auszeichnung zuteil, diesmal als Elisabeth Poppe-Lüderitz.
Wie sie sich selbst sah, beschreibt sie in einer Künstler-Enzyklopädie: „Meiner äußerlich stillen Entwicklung im Familienkreise gemäß beschränkte ich mich im Wesentlichen auf Staffeleibilder ... Meine Zugehörigkeit zur französischen Kolonie, meine Kunstreisen nach Paris, Italien und Wien, mein sonstiger Bildungsgang erzogen mich zu einer Lebensanschauung, die auf der Bewunderung der Antike und der Renaissance (Michelangelo, Venedig, Rembrandt) beruht, die weit abliegt von jener Modernität, für die Sophokles, Voltaire, Goethe nicht da sind. ...“ (5).
Elisabeth war bis 1896 Mitglied im Verein Berliner Künstlerinnen, dokumentiert lediglich durch ihre Ausstellungsaktivitäten, da das Archiv des Vereins weitgehend zerstört wurde. Danach verschwand sie vollständig von der Bildfläche. Sie findet sich auch nicht im Katalog der ersten drei Ausstellungen der Berliner Sezession (1898 – 1901), war dort auch nicht Mitglied. Dazu war ihre Kunst zu traditionell. Falls sie weiterhin gemalt hat, so tat sie dies zumindest nicht für die Öffentlichkeit.
Rätselhaftes Verschwinden
Am 8. September 1891 heiratete sie den Rechtsanwalt und (ab 1907) Justizrat Rudolf Poppe (1857 – 1937), war vermutlich dadurch finanziell abgesichert. Gleichzeitig bedeutet dies, dass sie als Person hinter ihrem Mann, dem Haushaltsvorstand, verschwand, da nur dieser im Adressbuch der Stadt Berlin dokumentiert war. Seit 1891 hatte die Familie, so es denn eine war (Kinder sind uns nicht bekannt), verschiedene Adressen in Berlin, die darauf schließen lassen, dass es ihnen – zumindest anfangs – finanziell gut ging.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Inflation die Reserven für ihren Lebensabend aufgezehrt hat. 1927 ist Rudolf Poppe im Adressbuch auf derselben Seite sowohl als Pensionär als auch mittels einer Anzeige als praktizierender Anwalt mit neuer Adresse ausgewiesen; da war er bereits 70 Jahre alt. Die letzte Adresse, ab 1928, („3. Hof“) lässt nicht darauf schließen, dass sein Neustart von Erfolg gekrönt war.
Für uns drei Autoren blieb dieses Verschwinden ein Rätsel. Auf der Suche nach ihrem Verbleib haben wir verschiedene Hypothesen getestet und wieder verworfen:
Das Paar könnte versucht haben, Kinder zu bekommen, Mutter (oder Kind oder beide) könnten dabei gestorben sein. Immerhin lag 1896 die Kindersterblichkeit bis zum Erreichen des fünften Lebensjahres noch bei 20 %, und die Müttersterblichkeit war infolge von Kindbettfieber mit bis zu 1 % so hoch wie heute in vielen Entwicklungsländern. Aber in den Sterberegistern der verschiedenen Berliner Standesämter fand sich kein entsprechender Eintrag.
Elisabeth könnte auch zur Ausstellung nach Chicago (1893) gereist und in den USA geblieben sein. Aber sie fand sich nicht auf den Passagierlisten der Ozeandampfer jener Jahre. Und da die Familie Lüderitz viele ihrer Familiennachrichten im Friedenauer Anzeigenblatt veröffentlichte (Tod der Mutter 1900, Tod des Konsuls 1909, Pensionierung des Reichsbank-Buchhalters 1918), wurden auch alle Ausgaben dieser Wochenzeitung für die Jahre 1895 bis 1898 durchgeschaut – jedoch vergeblich.
Hoffnung gab für kurze Zeit Folgendes: In einer Internetnotiz fand sich der Hinweis, dass im Juni 2001 das Werk „Bildnis einer jungen Frau in Pelzmütze“ von Elisabeth Poppe-Lüderitz bei einer Versteigerung des Auktionshauses Peretz & Ball in Saarbrücken zum Kauf angeboten worden war. Leider ist das Auktionshaus seit vielen Jahren nicht mehr existent, und der Katalog konnte bislang nicht gefunden werden. Einlieferer und Käufer blieben unbekannt, somit konnte auch die Frage, ob es Nachkommen gibt, die vielleicht noch im Besitz von Bildern sind, nicht beantwortet werden.
Immerhin: Nachdem wir den Tod Rudolf Poppes am 28. Mai 1937 im Sterberegister des Standesamtes des letzten Wohnsitzes (Standesamt Berlin IX - Spandau) bestätigt gefunden hatten und dieser darin als Witwer bezeichnet wurde, war zumindest die rückwärts gerichtete Suche im gleichen Register erfolgreich: Elisabeth Poppe-Lüderitz starb am 17. Februar 1930 in Berlin im Alter von 71 Jahren. Todesursache: Grippe und Entkräftung. Damit hat sie nach Beendigung ihrer offiziellen Maltätigkeit noch 35 Jahre gelebt. Diese Information ersetzt immerhin die Fragezeichen in den biografischen Angaben der Kunstlexika, wie zum Beispiel im „Allgemeinen Künstlerlexikon (AKL)“ (6).
Um die Geschichte weitererzählen zu können, müssen wir noch mal an den Anfang zurückkehren, zu unserer Suche nach Informationen über Dr. Carl Lüderitz. Die Mütter von Carl Lüderitz und Hermann Nothnagel, Lucie und Ottilie Neider, waren Schwestern und Töchter eines Kaufmanns aus Güstebiese, einem kleinen Ort am anderen Ufer der Oder (im heutigen Polen), nur ca. 50 km von Berlin entfernt. Während Carl in Jena Medizin studierte, trafen die Vettern oft beruflich zusammen und waren auch familiär verbunden. Die Geschwister Lüderitz waren oft zu Gast bei den Nothnagels, auch als Hermann Nothnagel seine große Liebe – Marie Teubner (1848 – 1880) – gefunden und geheiratet hatte. Nach der Geburt ihres vierten Kindes starb Marie am 23. Juli 1880 im Wochenbett. Als Hermann Nothnagel 1882 in tiefer Trauer Jena verließ, um eine Professur in Wien anzunehmen, kehrte Carl Lüderitz zurück nach Berlin.
Als Nothnagel 1905 überraschend starb, beauftragte die Wiener Medizinische Fakultät den amtierenden Direktor des Instituts für Medizingeschichte, Prof. Max Neuburger (1868 – 1955), mit einer Nothnagel-Biografie (7). Diese wurde nicht zuletzt wegen des Ersten Weltkriegs erst 1922 veröffentlicht. Neuburger verwertete darin einen Teil der privaten Korrespondenz von Hermann Nothnagel; viele dieser Briefe sind zumindest teilweise im Buch abgedruckt. Mit Datum vom 21. September 1880 finden sich in einem Brief Nothnagels an seinen Kollegen und besten Freund Vincenz Czerny (1842 – 1916) in Heidelberg die folgenden Sätze: „Ich sitze täglich 4, 5 Stunden und arbeite in der Klinik; zu Hause sehe ich meiner Cousine zu, welche mir zur Zerstreuung das lebensgroße Ölbild meiner Kinder malt, als Gegenstück zu Marie. So gehen wenigstens die Stunden hin ...“.
So lag die Vermutung nahe, dass es sich dabei um das „Bildnis der Kinder des Dr. L.“ handeln könnte, das Elisabeth 1893 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt hatte und durch seinen irreführenden Titel die Kinder ungenannt beließ. Diese neue Spur veranlasste uns, die Nothnagel-Nachfahren zu suchen.
Die Suche war erfolgreich, so dass wir bei den Nachfahren in der dritten Generation – der Familie Strasburger – anfragen konnten, ob im Nothnagel-Nachlass zum einen Informationen über den Verbleib dieses Bildes, zum anderen Informationen über Carl Lüderitz enthalten seien. Immerhin waren wir noch auf der Suche nach einem Foto von Carl.
Und wir hatten Glück: In der Chronik der Familie Strasburger fand sich ein Foto des Bildes, das die vier Kinder von Hermann und Marie Nothnagel in Lebensgröße zeigt. Dabei handelt es sich um eine eindrucksvolle Komposition mit bemerkenswertem Detailreichtum, so dass man fast auf ein hochaufgelöstes Foto zu blicken glaubt.
Der Verbleib des Bildes, das wegen seiner schieren Größe schließlich auf den Dachboden verbannt wurde, ist ungewiss. Und noch eine Überraschung СКАЧАТЬ