Название: Im Rachen des Wolfes
Автор: Monique Levi-Strauss
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806241440
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Samstagmorgens holte mein Großvater mich nach der Arbeit in seinem Büro in der Rue Étienne Marcel mit seinem Panhard oder seinem Buick ab, der von einem tschechischen Chauffeur gefahren wurde. Ich könnte den Inhalt unserer Plaudereien nicht wiedergeben, aber ich sehe noch die in Silberpapier gewickelte Rolle vor mir, die mein Großvater aufriss, um mir eine weiße Pastille in Form eines Rettungsrings, life-saver genannt, zu geben, deren Wintergrün-Aroma mir im Gedächtnis geblieben ist. Kaum waren wir in Saint-Cloud angekommen, umfing Nanny mich mit ihrer Zärtlichkeit. Das Zimmer der Enkel befand sich im zweiten Stock neben dem von Onkel Georges, von Nanny, dem der Gäste und dem Wäschezimmer. Die Großeltern bewohnten den ersten Stock. Wir, die Kinder, besuchten sie morgens gegen zehn Uhr, während meine Großmutter ihr Frühstück im Bett einnahm und dabei dem Haushaltsvorsteher sowie dem Chauffeur ihre Instruktionen gab. Sie führten ein sorgenfreies Leben, empfingen viele Gäste, auf amerikanische Art, führten ein open house. Meine Großmutter, klein und dicklich, trieb keinen Sport, sie spielte Bridge. Mein Großvater war introvertierter und liebte Schach. Er brachte mir die Regeln bei und glaubte, dass ich mit meinen vier Jahren alt genug dafür war. Eines Tages griff ich mir mitten in einer Partie das Schachbrett und stürzte alle Figuren um. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen, ich bedauerte meine Tat sofort, denn ich liebte ihn sehr. Bei seinem Tod im Jahr 1931 empfand ich das erste Mal Trauer.
Nach dem Tod meines Großvaters nahm meine Großmutter ihre Mutter, die in den USA lebte, zu sich in dieses große Haus in Saint-Cloud. Meine Urgroßmutter, die schon erblindet war, kam gerne, denn sie sehnte sich danach, ihre Enkel und Urenkel näher kennenzulernen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1938 lebte sie im ehemaligen Zimmer meines Großvaters, das für mich und andere zum Ort einer täglichen guten Tat wurde. Die alte Dame brauchte Gesellschaft. Der nachmittägliche Besuch einer Vorleserin allein reichte nicht aus, um sie zu zerstreuen. Klein und dicklich wie ihre Tochter, hatte sie Probleme mit dem Laufen. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihr viele Dinge erzählt zu haben, aber ich begriff schnell, dass man sie reden lassen musste, ihr zuhören. Die Konversionen und die Hochzeiten zwischen Juden und Nicht-Juden beunruhigten sie sehr. Daher verschwiegen wir ihr die, die in unserer eigenen Familie und in der näheren Bekanntschaft stattfanden. In dieser Zwischenkriegszeit entfernten sich die jungen Leute von den religiösen Traditionen. Die Scheidungen schockierten meine Urgroßmutter. Die Psychoanalyse, bei der viele Menschen aus der Generation meiner Mutter Hilfe suchten, erschien ihr lächerlich.
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