Im Rachen des Wolfes. Monique Levi-Strauss
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Название: Im Rachen des Wolfes

Автор: Monique Levi-Strauss

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806241440

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СКАЧАТЬ heiratete Carlo Ausenda, einen Ingenieur aus Mailand, dem sie fünf Kinder schenkte: Giorgio, Carla, Isa, Paolo und Gianni.

      Nach Paul und Dorothy war meine Mutter, Ruth Emma, genannt Emmy (1902–1959), das dritte Rie-Kind.

      Jean (1907–1979), das vierte, heiratete in erster Ehe Colette Max, seine Cousine zweiten Grades, mit der er Jean-Louis und Françoise bekam. Aus seiner zweiten Ehe mit Fernande Boudine hatte er einen weiteren Sohn, Philippe. Da er kaufmännisches Talent besaß, arbeitete auch Jean mit seinem Vater zusammen. Als dieser starb, übernahm er dessen Firma in Frankreich. Sie stellte Knöpfe und Messergriffe aus Perlmutt und aus Horn her. Die Fabrik in Méru (Département Oise) verarbeitete Perlmutt. Die in Thiers (Département Puy-de-Dôme) stellte vor allem Messergriffe aus Horn her.

      Das fünfte Kind, Georges, wurde 1915 geboren und heiratete Marie-Louise Hahn, die ihm zwei Kinder schenkte, Michael und Linda. Georges und Marie-Louise waren Ärzte.

      Paul Rie entstammte einem dezidiert laizistischen Wiener Judentum, das sich unbedingt sozial integrieren wollte. Meine Großeltern waren also nicht praktizierend. Bei ihnen wurde Englisch gesprochen, meine Großmutter und meine Urgroßmutter hatten dabei einen amerikanischen, mein Großvater einen leichten Wiener Akzent. Falls nötig, konnten Sie sich auch auf Französisch, Deutsch und Italienisch ausdrücken.

      Wie schon gesagt, wurde meine Mutter in London geboren, wo mein Großvater einige Büros hatte. 1904 eröffnete er eine weitere Filiale seines Unternehmens in Paris. Die Familie zog nach Neuilly. Aus London brachten meine Großeltern „Nanny“, die junge englische Gouvernante (1880?–1956), mit, die die fünf Rie-Kinder großzog und sich vor dem Krieg von 1939 auch noch um die Enkelkinder kümmerte. Meine Mutter erhielt, obwohl zu Hause Englisch gesprochen wurde, eine klassisch französische Ausbildung. Ihre frühe Kindheit war vor allem davon geprägt, dass es ihr einfach nicht gelang, mit ihrem Bruder und ihrer Schwester zu spielen. Als sie vier Jahre alt war, glaubten ihre Eltern, sie sei ein wenig zurückgeblieben. Sie nutzten einen Besuch von Doktor Oskar Rie in Paris, um ihn zu bitten, seine Nichte Emmy zu untersuchen; nachdem er das Kind beobachtet hatte, erklärte er, mit ihrer Intelligenz sei alles völlig in Ordnung, aber sie sehe nichts und brauche dringend eine Brille. Jahrzehnte später erzählte meine Mutter, welch ein Wunder diese erste Brille vollbrachte. Sie konnte endlich bei allen Spielen mitmachen, eine Existenz wie alle anderen führen. Das ganze Leben lang blieb ihr eine außerordentliche Fähigkeit, sich für sich allein beschäftigen zu können, indem sie sich Geschichten erzählte oder stundenlang las.

      Paul Rie, mein Großvater mütterlicherseits, hatte drei Brüder und eine Schwester, die alle in Wien geboren waren und denen er sehr nahestand. Wenn sie in Paris waren, wohnten sie bei meinen Großeltern. Meine Mutter liebte ihre Wiener Cousins, sie erzählte mir von den wunderbaren Ferien, die sie mit ihren Cousins in der Steiermark in Altaussee verbracht hatte. Onkel Oskar Rie hatte zwei Töchter: Margarethe, die den bekannten Psychoanalytiker Hermann Nunberg heiratete, und Marianne, ebenfalls Psychoanalytikerin, die den Kunsthistoriker Ernst Kris heiratete, der seinerseits auch Psychoanalytiker wurde. Tante Judith, Ditha genannt, heiratete Doktor Ludwig Rosenberg. Diese ganze kleine Welt stand mit Freud in Verbindung. Einige wurden berühmte Psychoanalytiker, die noch beim Meister selbst gelernt hatten.

      Nachdem sie ihr Baccalauréat in Paris bestanden hatte, schickten ihre Eltern meine Mutter zum Studium nach Boston, an das Simmons College, ein Mädchencollege, wo sie einen Bachelor, dann einen Master of Arts in Sozialwissenschaften erwarb. Während ihres Aufenthalts in Boston traf sie den Harvard-Studenten Jules Roman. Nach ihrer Rückkehr nach Frankreich im Jahr 1924 heirateten sie in Saint-Cloud.

      Flitterwochen in China

      Auf der Suche nach einer Anstellung willigte mein Vater ein, ein Jahr lang für die belgische Bahngesellschaft in Shanghai zu arbeiten. Ich glaube zu wissen, dass meine Eltern von dem Gedanken, nach Fernost zu gehen, begeistert waren. Mein Vater, weil ihm seine harte Kindheit und seine Jugend in den Schützengräben das Reisen unmöglich gemacht hatten; meine Mutter ihrerseits träumte davon, dem Beispiel ihrer besten Freundin Clara Malraux zu folgen, die gerade aus Indochina zurückkam.

      Von dieser langen Hochzeitsreise brachten sie einige Erinnerungen mit. Das Leben auf den Passagierdampfern, die Begegnungen, die Häfen. Die Entdeckung des Exotischen. Singapur, Peking und die Ausflüge in die Mongolei. Sie brachten auch rote Lackmöbel aus Canton mit, zwei Koffer aus Eukalyptusholz, Kleider und rote Stiefel aus russischem Leder mit kleinen Absätzen.

      Im Herbst 1925, auf dem Schiff zurück nach Frankreich, war meine Mutter mit mir schwanger. Es kommt vor, dass ich auf die Frage „Waren Sie mal in China?“ antworte: „Ja, kurz, denn ich wurde in Shanghai gezeugt (J’ai été conçue à Shanghai)“. Aber weil es sich nicht schickt, über den Ort zu reden, an dem die eigenen Eltern sich geliebt haben, um einen zu zeugen, sind meine Gesprächspartner schockiert. Oder sie verhören sich und verstehen, ich sei „Konsul in Shanghai“ gewesen. Das Missverständnis wird immer verworrener. Also erwähne ich diesen ersten Kontakt mit China nicht mehr.

      | | | | | | Kindheit in Passy

      Ich wurde am 5. März 1926 in Paris, im 16. Arrondissement, in einer Klinik in der Rue Alfred Dehodencq 5, geboren. Meine Eltern wohnten in einer Mietwohnung in Saint-Cloud, glaube ich. Im Jahr meiner Geburt kauften sie nur nach der Planzeichnung eine Wohnung in einem noch im Bau befindlichen Gebäude, in der Rue des Marronniers 2 in Paris, im 16. Arrondissement. Im Frühjahr 1927 bezogen sie diese Wohnung, die im Jahr 1956 meine eigene und die meines Mannes werden sollte, von wo ich jetzt diese Zeilen schreibe. Sieht man von den ersten drei Zahlen ab, die für Paris stehen, ist unsere Telefonnummer in den letzten 87 Jahren die gleiche geblieben.

      Der Beginn dieses Berichts lässt vermuten, mein Leben habe im Zeichen der Stabilität gestanden. Dem war keinesfalls so. Wir lebten nur sieben Jahre in der Rue des Marronniers. Mein Bruder Jacques kam am 9. Oktober 1927 zur Welt. Am 21. Mai hatte meine mit ihm schwangere Mutter vom Fenster ihres Zimmers aus, das nach Westen ging, die Spirit of Saint Louis ankommen sehen, Lindberghs Flugzeug, mit dem er am Vorabend von New York aufgebrochen war und als Erster den Atlantik ohne Zwischenstopp in 33 Stunden überquert hatte, er sollte in Le Bourget landen. Meine Mutter glaubte, dass der Geschmack, den mein Bruder später an allem fand, was mit dem Fliegen zu tun hatte, eng damit zusammenhing, dass er – wenn auch als Embryo – Zeuge einer derartigen Großtat gewesen war.

      Vom Balkon des fünften Stockwerks aus, der vor den Zimmern verläuft, die auf die Rue des Marronniers hinausgehen, sah man die Seine, die unterhalb der waldigen Hügel von Meudon einen großen Bogen beschrieb. Nur wenige Autos parkten in der Straße, die in beide Richtungen befahren werden durfte. Man hörte regelmäßig das Trotten der Pferde, die die Lieferwagen zogen; sie brachten uns Kohle für das Heizen des Küchenherds. Sie lieferten Holz, denn die Wohnungen hatten in der Zeit in einigen Zimmern noch offene Kamine. Das Holz und die Kohlen wurden im Keller gelagert und jeden Tag über die Hintertreppe hinauf in die Wohnungen gebracht. Vergessen wir nicht den Wagen des Eislieferanten, der uns jeden Morgen mit einer Stange Eis belieferte, die er auf seiner von einem groben Leinensack geschützten Schulter hinauftrug. In Europa gab es noch keine elektrischen Kühlschränke. Man kann sich heute nur schwer das Kommen und Gehen vorstellen, das auf den Hintertreppen zwischen Keller und Küche herrschte. Damals erfüllten diese Orte eine wichtige Funktion und wurden gut instand gehalten.

      Ein bürgerlicher Haushalt wie der meiner Eltern brauchte Dienstpersonal. Wir hatten eine Köchin und ein Zimmermädchen, die in den Dienstbotenzimmern schliefen. Eine englische Zugehfrau kümmerte sich um die Kinder. Sie ging mit ihnen jeden Tag im Jardin du Ranelagh spazieren, brachte sie in die Schule und zu den Klavierstunden, unterrichtete sie in Englisch. Sie wohnte im Viertel und ging abends zu sich nach Hause.

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