Название: Die Blaue Revolution
Автор: Peter Staub
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежная публицистика
isbn: 9783038053699
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Ich war also nie Kommunist, schon gar kein Parteikommunist. Ich war aber auch nie ein Antikommunist. Im Gegenteil: Den Antikommunismus betrachte ich als bürgerliches Spiegelbild des Stalinismus. Meine basisdemokratische Grundhaltung hat mich davon abgehalten, auf autoritäre Konzepte zu setzen oder einem Leader hinterherzuhecheln.
Während ich in politischen Diskussionen auflebte, langweilte ich mich in den Klassenräumen des Gymnasiums. Ausser in den Fächern Deutsch, Geschichte und Englisch mochte mich der Schulstoff selten zu begeistern. Viel lieber steckte ich meine Energie in eine Schüler*innenzeitung, die ich mitbegründete. Im «Kaktus» schrieb ich erstmals einen politischen Kommentar. Mithilfe einer Broschüre der Demokratischen Juristen argumentierte ich gegen die Verschärfung der Strafgesetzordnung, in der öffentliche Aufforderungen zu Gewalt strafbar gemacht werden sollte. Die Vorlage wurde im Juni 1982 schliesslich deutlich angenommen. Später wurde ich persönlich mit dem neuen Gesetz konfrontiert. Und zwar genau in dem Bereich, in dem ich es kritisiert hatte. Es wurde verwendet, um unliebsame Stimmen zu verstummen zu bringen.
Als in Zürich 1980 die Jugendunruhen ausbrachen, war ich als 18-Jähriger viel mehr an meinen politischen Büchern interessiert, als daran, auf die Strasse zu gehen. Zürich war für mich auch weit entfernt. Es dauerte jedoch nicht mehr lange, bis ich politisch aktiv wurde. Gegen Ende der Schulzeit, die ich Herbst 1982 mit der Matura abschloss, nahm ich erstmals an politischen Sitzungen und Kundgebungen teil.
Die atomare Aufrüstung verhalf der Friedensbewegung in der Schweiz zu neuem Schwung. Ich begann, mich im Oltner Friedenskomitee zu engagieren. Este Demonstrationserfahrungen brachte ich mit, wuchs ich doch in einer Gegend auf, in der ein Atomkraftwerk geplant war. Anfang der 1970er-Jahre nahm ich als etwa 12-Jähriger erstmals an einer Anti-AKW-Demonstration in Olten teil. Daraus resultierte mein erster Akt des «Widerstands». Ich brachte einen Aufkleber mit dem Spruch «Nein zum AKW Gösgen – das Niederamt will leben» im Liftschacht des Wohnblocks an, in dem wir nun wohnten. Der Kleber war jahrelang sichtbar. Das AKW Gösgen wurde 1981 eingeweiht. Auch das sollte mich später noch beschäftigen.
Doch zurück zum Friedenskomitee. Als Gruppe von Schüler*innen brachten wir etwas frischen Wind in den trägen Verein. Wir schritten zur Tat und organisierten in einem Vorort Oltens eine Platzkundgebung, mit der wir uns mit den Rothenthumer Landwirten solidarisierten, die verhindern wollten, dass die Armee in ihrer Moorlandschaft einen Waffenplatz mit Panzerpisten baute. Der Widerstand der Innerschweizer Bauern verknüpfte zwei Themen, die uns damals beschäftigten: die Armee und die Umwelt.
Weil es zu dieser Zeit in der Schweiz noch keinen Zivildienst gab, drohte auch mir die obligatorische Rekrutenschule. Diese kam mir als antiautoritärer Charakter mehr als nur ungelegen. Und der Umweltschutz war mir nicht nur wegen des Engagements gegen das AKW wichtig. Ich kannte den Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums, der bereits 1972 veröffentlicht wurde.
1982 eskalierte der Streit in Rothenthurm. Die Bauern zündeten nicht nur Warnfeuer an, auch Baracken der Armee gingen in Flammen auf. Der geplante Waffenplatz war zu einem nationalen Thema geworden. Also organisierten wir auf dem Feld eines fortschrittlichen Bauern in Winznau eine Kundgebung mit einem Warnfeuer, das ein paar Hundert Sympathisant*innen anzog. Obwohl ich einer der federführenden Organisatoren der Demonstration war, tauchte mein erstes aktives politisches Engagement später nicht in meiner Staatsschutz-Akte auf.
Natürlich sammelten wir dann auch Unterschriften für die nationale Volksinitiative zum «Schutz der Schweizer Moore», die in nur sechs Monaten mit über 160 000 Unterschriften zustande kam. Im Dezember 1987 sagten die Stimmberechtigten schliesslich mit 57% Ja zur Initiative. Dank diesem sowohl antimilitaristischen wie auch ökologischen Erfolg blieb die Fläche der Moore und Moorlandschaften in der Schweiz seither stabil. Obwohl diese Feuchtgebiete mit 190 Quadratkilometern bloss rund 5 Promille der Landesfläche ausmachen, beherbergen sie rund einen Viertel der bedrohten Pflanzenarten der Schweiz.[8]
1 www.songtexte.com/songtext/fleetwood-mac/dont-stop-6b8cde2a.html ↵
2 Rustemeyer, Angela: Dienstboten in Petersburg und Moskau 1861-1917, Stuttgart, 1996 ↵
3 Voigt, Christian: Robert Grimm: Kämpfer, Arbeiterführer, Parlamentarier, Bern, 1980 ↵
4 Volin: Die unbekannte Revolution, Hamburg 1983 ↵
5 Serge, Victor: Erinnerungen eines Revolutionärs 1901 – 1941, Hamburg, 1977 ↵
6 Serge, Victor, aao, Seite 145 ↵
7 www.mdr.de/zeitreise/kronstadt-matrosenaufstand-100.html ↵
8 www.swissinfo.ch/ger/kampf-um-ein-stueck-heimat-und-natur/6280552 ↵
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Die Zeit drängt – die Klimakrise verschärft sich
In den ersten Monaten des Jahres 2020 häuften sich die Nachrichten über ungewöhnliche Wetterphänomene. Nur zwei Beispiele: Der Januar 2020 war seit Beginn der Aufzeichnungen 1981 der wärmste erste Monat des Jahres. Nicht nur in Europa, sondern weltweit.[1] Und mit 18,3 Grad wurden in der Antarktis die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen gemessen.[2]
Dass es höchste Zeit war, zu handeln, war allen klar, die sich ernsthaft mit dem Thema Klimaerwärmung befassten. So sagte beispielsweise der Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, der Grüne Winfried Kretschmann, der sich selbst in der politischen Mitte verortet, dass er manchmal Panikattacken habe, wenn er Berichte lese, «wie wir uns den Kipppunkten nähern, an denen der Klimawandel unumkehrbar wird.» Etwa als er eine Dokumentation über die Antarktis sah: «Es ist der grösste Eiskörper, 90 Prozent des Eises weltweit. Wenn man gesehen hat, wie dramatisch der Meeresspiegel steigt und die Erderwärmung in das filigrane Artensystem eingreift, dann denkt man schon: Schaffen wir das noch?» Der Permafrostboden taut viel schneller, als dies die Wissenschaft erwartet hat. «Wir haben noch zehn Jahre. Wenn es kippt, ist es gekippt, dann ist es unumkehrbar. So eine Situation haben wir normalerweise in der Politik nicht.»[3]
Die Dringlichkeit des Problems war mittlerweile so breit abgestützt, dass sogar das erzkapitalistische World Economic Forum in Davos im Januar 2020 die Nachhaltigkeit zum Leitthema seiner Tagung machte. Die Schweizerische Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga warnte in ihrer Eröffnungsansprache vor einer drohenden Klimakatastrophe. Sie sprach von den riesigen Feuersbrünsten, die im Vorjahr im Amazonas und in Australien Zehntausende von Quadratkilometern verbrannt hatten. Sie redete über die desaströsen Auswirkungen auf die Menschen und darüber, wie das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen geriet.
Die Bundesrätin mit sozialdemokratischem Parteibuch sprach auch den dramatischen Verlust der Artenvielfalt weltweit an. Sie verglich die Biodiversität mit dem Pariser Eiffelturm: «Wenn man pro Tag eine Schraube СКАЧАТЬ