Название: Vergangenheitskampf
Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783967526554
isbn:
Okay, sagte sie sich, ich sollte echt dringend nach Hause, bevor ich wirklich noch anfange zu halluzinieren. Sie steckte das Handy zurück in die Tasche und wollte gerade loslaufen, als sie eine Art »Rumpler« wahrnahm.
»Hallo? Ist da jemand?« Es war verrückt. Und vermutlich total harmlos, aber langsam bekam sie es doch ein wenig mit der Angst zu tun. Sie umklammerte ihre Handtasche etwas fester und sah sich ein weiteres Mal um. Sämtliche Haustüren waren verschlossen und Rollläden heruntergelassen. Die Sonne war bereits untergegangen und die Straße menschenleer. Sie ignorierte die Vernunft, die ihr sagte, dass alles in Ordnung war und rannte das letzte Stück vor bis zur Eingangstür des Mehrparteienhauses in dem ihre Wohnung lag. Als sie diese wieder von innen schloss lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und stieß einen langen Seufzer aus. Irgendetwas stimmte einfach gerade nicht mit ihr. Das war jetzt schon das dritte Mal in Folge, dass sie glaubte, jemand zu bemerken, der nicht existierte. Erst nach dem Treffen mit Max, dann gestern früh vor dem Kinderheim und gerade wieder. Möglicherweise hatte ihr Kopf doch einen größeren Schaden erlitten als angenommen.
Er hatte viel darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee gewesen war, diesen Job anzunehmen. Sicher, die Bezahlung war gut. Das war sie meistens bei solchen Aufträgen. Aber langsam wurde er es müde, sich immer wieder auf Anordnungen einzulassen, die seinen Alltag so gravierend einschränkten. Zumal die Betreuung von Kindern nun nicht unbedingt zu seinen Stärken und Lieblingsbeschäftigungen zählte. Was man ihm vermutlich auch anmerkte und die ganze Situation nicht unbedingt verbesserte. In seinem Beruf gehörte das jedoch leider zur Tagesordnung. Er hatte schon unzählige Identitäten angenommen um sein Ziel zu erreichen. Menschen getäuscht, gelogen und betrogen und ja, hin und wieder auch getötet. Gewisse Umstände erforderten eben auch entsprechende Taten. In der Regel störte ihn das nicht. Aber je länger er in der Gegenwart dieser Kinder war gelang es ihm irgendwie kaum noch, das alles abzuschütteln. Doch das musste er. Ansonsten würde er Fehler machen und das konnte er sich in seiner Position keinesfalls erlauben.
Frustriert trat Nick aus dem Dickicht heraus und kratze sich ein paar Blätter von der Hose. Sein Auftraggeber hatte ihm vor einigen Wochen lediglich ein Bild und ein paar Eckdaten zukommen lassen. Was ihn nicht weiter verwunderte. Schließlich gehörte auch das zu seinem Job. Jemanden zu finden stellte für ihn kein Problem dar. Nick starrte die abgebildete Person auf dem kleinen zerknitterten Zettel in seine Händen an, den er soeben aus seiner Manteltasche gezogen hatte. Emma-Sophie Manning, 26 Jahre, Erzieherin im St. Jose, schwarze lockige Haare, braune Augen.
Er konnte nur hoffen, dass diese Mission bald zu Ende sein würde. Er folgte Emma-Sophie bis zur Tür und wartete bis sie verschwunden war.
»Kannst du mir bitte mal verraten, warum um alles in der Welt ich dich begleiten soll?« fragte Jonas während er neben Max durch das Stadtzentrum schlenderte. »Seit wann brauchst du denn bitte Hilfe bei deinen Dates?«
»Du weißt genau, dass es nicht darum geht.« gab Max zurück.
»Natürlich geht es darum. Das geht es immer.«
Max zog nur die Augenbrauen nach oben und sah seinen Freund an. Vermutlich sollte er ihm diese Aussage nicht übel nehmen, es war ja nicht so, dass er es nicht genoss mit Frauen auszugehen. Dennoch. Dieses Mal störte es ihn irgendwie darauf reduziert zu werden. Er wollte Emma-Sophie helfen. Und ja, natürlich würde er sie auch gerne in seinem Bett haben. Aber jetzt ging es einzig und allein um den wohltätigen Zweck und das wusste Jonas verdammt genau.
Dieser hob nur beschwichtigend die Hände. »Na schön. Es geht um diese Charityveranstaltung die du angeleiert hast. Was ich zwar noch immer nicht verstehe, aber toleriere, weil ich dein bester Kumpel bin.«
»Na, herzlichen Dank auch.« grummelte Max, worauf Jonas ihm einen skeptischen Blick zu warf. »Ich habe noch nicht ja gesagt.«
»Natürlich hast du das.«
»Ich sagte, dass ich darüber nachdenke.« warf Jonas ein.
»Eben.«
Jonas seufzte. Manchmal konnte Max echt nervtötend sein. Und er vermutete, dass sein Freund das auch wusste. Sie hatten die ersten beiden Play-Off-Spiele hinter sich, nach denen es in der Serie unentschieden stand, und befanden sich mitten in der knallharten Trainingsphase. Aber statt sich in den wenigen Stunden auszuruhen, in denen sie das konnten, bevor heute Abend wieder eine weitere Trainingseinheit auf sie wartete, fiel Max nichts Besseres ein, als ein Treffen mit seiner offenbar neuen Bekanntschaft zu arrangieren bei welchem er aus Gründen, die er noch immer nicht vollkommen nachvollziehen konnte, mit von der Partie sein sollte.
Er blieb stehen, stopfte seine Hände in die Hosentasche und beobachtete eine fahrende Spielzeugeisenbahn durch ein Schaufenster. »Warum zum Teufel machen wir das noch mal?«
»Weil es um Kinder geht.« antwortete Max mittlerweile leicht angesäuert. »Und es eine gute Sache ist.«
»Vieles ist eine gute Sache. Der Bau von Schulen in Afrika, Ärzte ohne Grenzen oder das Schuhkartonprojekt zu Weihnachten. Nichts davon hat dich bislang interessiert.«
»Tja, diesmal interessiert es mich eben.«
»Oder jemand.«
Max drehte sich so, dass er links neben Jonas stand und ebenfalls durch die Glasscheibe des Ladens sehen konnte. »Ist das wichtig?«
»Vermutlich nicht.« gab dieser zu. Allerdings war er sich noch nicht sicher, was er davon halten sollte. Max war bislang nie der Typ für längere Beziehungen gewesen. Nicht, dass er es nie in Betracht ziehen würde, aber im Augenblick konnten sie sich keine Ablenkung erlauben. Max sah das normalerweise genau wie er. Sie standen am Höhepunkt ihrer Karriere. Warum er jetzt jedoch offenbar gerade dabei war, seine Meinung zu ändern, blieb ihm ein Rätsel. Denn auch wenn Max etwas anderes behauptete, konnte er ihm nichts vormachen. Er wäre nie dazu bereit gewesen, sich auf so ein Projekt einzulassen, noch dazu mitten in der härtesten und wichtigsten Spielphase der Saison, wenn da nicht mehr dahinter stecken würde.
»Da vorne sind sie.« hörte er seinen Freund sagen und sah auf. Er bemerkte eine zierliche Frau mit schwarzen lockigen Haaren die mit einer anderen Frau an einem der runden Tische in dem Cafe saß und über irgendwelchem Papierkram die Köpfe zusammensteckte. Kurz bevor sie die beiden erreichten, hob die andere Frau den Kopf und er spürte den Schlag noch bevor sie ihn überhaupt richtig ansah. Er war Eishockeyprofi. Er verdiente sein Geld damit Prügel auszuteilen und auch einzustecken, aber auf diesen Tritt war er nicht vorbereitet gewesen. Verdammt. »Wer ist das?«
»Emma-Sophie. Das habe ich dir doch erzählt. Kannst du jemals irgendwann zuhören?«
»Nein. Ich meine die andere.« Zumindest hoffte er das.
»Die Blonde? Ihre Freundin. Bea glaube ich. Sie arbeitet auch im Kinderheim.«
Max bewegte sich ein paar Schritte schneller und hielt vor Emma-Sophie an. »Guten Tag die Damen. Darf ich Euch Jonas Meiers vorstellen? Er ist einer meiner Teamkollegen und hat sich netterweise bereit erklärt, ebenfalls an der Veranstaltung teilzunehmen.«
Jonas gelang es immerhin aus seiner Trance zu erwachen und die Hand zu ergreifen die Emma-Sophie im lächelnd entgegenstreckte. Das hielt er für ein gutes Zeichen. »Danke. Es ist wirklich toll, dass ihr uns helfen wollt.« Sie wandte ihren Kopf zu der blonden Schönheit neben ihr. »Das ist Bea Lennark.« Er schüttelte Emmas Hand, während er jedoch wie СКАЧАТЬ