Die Ernährungs-Zahnbürste. Johan Wölber
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Ernährungs-Zahnbürste - Johan Wölber страница 7

Название: Die Ernährungs-Zahnbürste

Автор: Johan Wölber

Издательство: Автор

Жанр: Здоровье

Серия:

isbn: 9783962571870

isbn:

СКАЧАТЬ auch sie Karies an ihren Nagezähnen. Dies bildete die Grundlage für die spezifische Plaquehypothese. Es müssen also bestimmte Keime in der Plaque vorhanden sein, damit die Erkrankung, in diesem Fall Karies, auftreten kann. Es wurden nach und nach weitere Karieskeime identifiziert, wobei Streptokokken und Laktobazillen die wichtigsten darstellen. Ob keimfreie Bedingungen jedoch anzustreben sind, ist sehr fraglich. Einerseits ist dies praktisch unmöglich, andererseits zeigten die keimfrei aufgezogenen Hamster neben kognitiven Defiziten und erhöhten Stresswerten viele andere Nebenerkrankungen.8

      Es sollte nochmals 100 Jahre dauern, bis der britische Mikrobiologe Philip Marsh die Bedeutung der Umgebung in seiner sogenannten »ökologischen Plaquehypothese« für den Mundbereich beschrieb. Marshs Arbeiten waren wirklich bahnbrechend, denn er konnte die vielen diffusen Annahmen und Theorien auf einen einfachen Faktor herunterbrechen: den pH-Wert.

      Der pH-Wert ist ein Maß dafür, wie sauer oder basisch eine wässrige Lösung ist. Reines Wasser hat einen neutralen pH-Wert von 7, Zitronensaft liegt bei 2 bis 3, Seife bei 9 bis 10. Kariesbakterien, wie Streptococcus mutans oder die Laktobazillen, fühlen sich in einer richtig sauren Umgebung am wohlsten. Und sie tragen dementsprechend dazu bei, dass es richtig sauer wird. Durch die Verstoffwechselung von einfachen, vergärbaren Kohlenhydraten beziehen sie ihre Energie und produzieren Säuren, die sie in ihre Umgebung abgeben. Kariesbakterien können sich in diesem sauren Milieu sehr stark vermehren und verdrängen andere Bakterienarten.

      In einem anschaulichen Experiment füllte Philip Marsh eine Mischung aus vielen verschiedenen Keimen aus dem Mund in einen Bioreaktor und veränderte anschließend nur den pH-Wert – mal hoch, mal runter. Was er sehen konnte, brachte ihn zur Formulierung seiner ökologischen Plaquehypothese: Ging der pH-Wert runter, also wurde das Milieu sauer, fühlten sich die Karieskeime wohl und vermehrten sich, während diese Bedingungen für die mit Parodontitis assoziierten Keime ungünstig schienen. Diese vermehrten sich dann kaum. Drehte er den pH-Wert im Bioreaktor hoch, war es genau umgekehrt – weniger Karieskeime, mehr Parodontitiskeime. Stellen Sie sich das einfach mal wie einen Dancefloor vor, der sich mit unterschiedlichen Menschen füllt, je nachdem, was der DJ gerade auflegt. Ein paar tanzen auch bei unterschiedlichen Musikrichtungen. Von so einem Bioreaktor können wir Ihnen übrigens nur abraten, er stinkt unheimlich!

Image Image

      Der britische Mikrobiologe Philip Marsh und eine pH-Messlatte.

Image Image

      Einer der prominentesten Karieskeime: Streptococcus mutans. Im Gegensatz zu Kindern findet er sauer super!

      Marsh formulierte eine bemerkenswerte Feststellung: Eine dauerhafte Reduktion der krankhaften Bakterien kann nur erreicht werden, wenn die zugrunde liegenden Mechanismen behandelt werden. Jetzt stellt sich die Frage: Ist der zugrunde liegende Mechanismus »der perfekt putzende Mensch« oder womöglich »der sich richtig ernährende Mensch«? Wie hat sich die Natur das bloß vorgestellt?

      Statt Karies und Parodontitis als Erkrankungen aufgrund eines »Putzmangels« zu betrachten, ist es viel wahrscheinlicher die Ernährung als zugrunde liegender Mechanismus zu betrachten. Im Fall von Karies ist das sogar ganz klar. Und wer schon gründlich putzt und trotzdem Karies und Parodontitis bekommt, sollte spätestens dann den Fokus verändern und sich nach anderen Therapiestrategien umschauen.

Image

      Mundgesundheit ohne Zähneputzen: Wie machen das Kühe?

Image

      Gruppenbild der Protagonisten aus des SRF-Sendung »Pfahlbauer von Pfyn – Steinzeit live« aus dem Jahr 2007: mehr Zahnbelag, weniger Zahnfleischentzündung und trotzdem ein Lachen im Gesicht.

      Wie eine andere Strategie aussehen könnte, wurde 2007 bei einem Steinzeit-Experiment des Schweizer Fernsehens von Forschern der Uni Bern beobachtet:9 Zehn Freiwillige erklärten sich für eine Reportage bereit, vier Wochen lang unter Steinzeitbedingungen zu leben. Das beinhaltete neben einer steinzeitgemäßen Ernährung (also dem Verzicht auf industrielle Lebensmittel) unter anderem auch den Verzicht auf vier Wochen Mundhygiene. Die Forscher der Berner Zahnklinik reservierten vermutlich bereits Termine für die Zahnbehandlung der Teilnehmer, da so etwas ja nicht gut ausgehen könne. Was allerdings eintrat, war das genaue Gegenteil: Statt Karies und schwere Zahnfleischentzündungen zu entwickeln, hatten die Teilnehmer eine bessere Mundgesundheit als vorher – aber sie hatten viel Zahnbelag. Dieses stellte die bisherige Annahme »je mehr Zahnbelag, desto mehr Zahnfleischentzündung bzw. Karies« völlig auf den Kopf. »Mehr Zahnbelag, weniger Zahnfleischentzündung«? Wie war das zu erklären? Die Berner Forscher schlussfolgerten, dass die bisherige Annahme eines positiven Zusammenhangs zwischen Zahnbelag und Zahnfleischentzündung nicht länger gültig sei, wenn einfache prozessierte Kohlenhydrate in der Ernährung wegfielen.

      Da waren sie wieder, die einfachen prozessierten Kohlenhydrate. Dass sie für Karies verantwortlich waren, war ja seit den 1880er-Jahren durch Miller bekannt, aber nun auch für die Zahnfleischentzündung?

      Wie kann es sein, dass es zu Zeiten von Raumfahrt, Atomtechnik und Big Data besser wäre, so zu essen wie unsere Urvorfahren? Je mehr wir mit Patienten, Freunden und Kollegen darüber sprachen, umso mehr fiel uns auf, wie wenig in der Gesellschaft über die Nahrungseinflüsse auf Mund- und Allgemeingesundheit bekannt ist. Beispiele für einen offensichtlichen Mangel an Wissen und dementsprechenden Verhaltensweisen finden Sie sofort im Supermarkt oder am Bahnhof. Schauen Sie sich das Spektakel in Ruhe an. Wie sagte der schwedische Ernährungsforscher Prof. Staffan Lindeberg zu den angebotenen Waren im Supermarkt: »90 % sind Schrott. Gehen Sie möglichst zügig in die Gemüse- und Obstabteilung.«10 Und je mehr wir zu dem Thema forschten, desto mehr Kreuzbezüge zu allgemeinen Erkrankungen tauchten auf. Oder wussten Sie etwa, dass Zuckerkonsum mit Depression assoziiert ist?11

      Doch wie ist das eigentlich mit dem Zähneputzen? Der Homo sapiens scheint ja die einzige Spezies auf der Erde zu sein, die sich so akribisch die Zähne putzt. Wann hat der Homo sapiens eigentlich damit angefangen?

      Seit mehreren Tausend Jahren beschäftigt sich der Mensch mit der Säuberung der Zähne. Erste Anzeichen dafür gab es vor 4.000 Jahren, was Funde kleiner Stöckchen bei ägyptischen Pharaonen belegen. Dabei seien etwa bleistiftgroße Äste am Ende zerkaut worden und das ausgefranste Ende wurde als Bürste benutzt. In manchen Naturvölkern werden die Zähne nach wie vor auf diese Art gepflegt. Erst viel später wurden in einer ganz anderen Region modernere Bürsten entwickelt. In China wurden die Borsten von Hausschweinen an Knochen oder Bambusstielen befestigt. Und diese Bürsten sind den heutigen Handzahnbürsten schon sehr ähnlich. In Deutschland wurde eine erste Bürste erst 1750 schriftlich erwähnt. Und zwar wurden Pferdehaare an Tierknochen befestigt, also sehr ähnlich wie in Fernost. Schwämme und Tücher wurden in Europa ebenfalls zur Reinigung der Zähne verwendet. Das alles war aber nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich, denn die Zahnbürste war viele Jahrhunderte ein Luxusgut der Herrscher und Adligen.

СКАЧАТЬ