Название: „… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“
Автор: Richard A. Huthmacher
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783959637633
isbn:
In der Yellow-Press war sie omnipräsent, kein sogenannter Prominenter konnte peinlich genug sein, als dass sie sich nicht mit ihm zusammen hätte ablichten lassen.
„Von einem Trachtenmodenhersteller wurde sie kürzlich am Rednerpult eines Kongresses als Fotomodell entdeckt. Nicht alle Kollegen reagierten mit Verständnis, als bekannt wurde, dass sie für das Fotoshooting nach Marokko fliegen würde. ´Aber ich provoziere nun mal gern´, sagt sie, und ihre Augen funkeln kampfeslustig. ´Es hat mich als Frau gereizt, besonders schöne Fotos von mir zu erhalten. Außerdem hatte ich auf der Reise abends endlich Zeit, einige Bücher zu lesen´“: Was unter Beweis stellt, dass sie in der Tat lesen kann.
In x-ter Ehe war sie mit einem Sportreporter verheiratet, der gerne in angesagten Mach-mich-doof-Sendungen Präsenz zeigte. Gemäß der Volksweisheit, gleich und gleich geselle sich gern, entsprach er offenbar ihrem intellektuellen Niveau, was indes nicht verhindern konnte, dass sie Ordinaria wurde. Wiewohl die Berufungskommission sie abgelehnt hatte. Aber weil sie Frau und eben schööön war, verhalf ihr das Sondervotum des zuständigen Ministers – gegen den Vorschlag der Fakultät – zum Lehrstuhl; nun war ihr aufgeblähtes Ego durch keine andere Meinung mehr zu erschüttern. „Während die Berufung an der Uni selbst mit Zurückhaltung aufgenommen wurde, gab es von verschiedenen Seiten Lob für Z.s Entscheidung, der sich über das Votum der Chefärzte hinweggesetzt hatte.“
Frau Prof. Tausendschön war entschiedene Verfechterin der Schulmedizin; jede abweichende Meinung war ketzerisch und gehörte auf den Scheiterhaufen.
Reinhard indes widersprach den schulmedizinischen Theorien, Hypothesen und Spekulationen über die Entstehung von Krebserkrankungen und deren Behandlung. Damit stellte er schulmedizinischen „Wahrheiten“ und „Weisheiten“ radikal in Frage, weshalb er und seine schöööne Kollegin aufeinander prallten wie Feuer und Schwefel, als sie Therapie und Prognose der Krebserkrankung von Maria diskutierten. Neben dem neunmalklugen Psychiater hatte sich Reinhard damit auch die schöööne Frau Professor zum Feind gemacht.
DAS DRAMA NIMMT SEINEN LAUF
Als Maria aufwachte und mit Bestürzung wahrnahm, dass sie in einem fremden Bett lag, an Armen und Beinen gefesselt war und einen Schlauch im Hals und eine Kanüle in der Luftröhre hatte, und als ihr die Erinnerung an die Ereignisse der letzten Tage zu dämmern begann, konnte sie sich zwar noch den Pfleger ins Gedächtnis rufen, der, groß, dunkelhaarig, auf den ersten Blick durchaus nicht unsympathisch, an ihr Bett getreten war, als sie zu ihrem Entsetzen nicht in der chirurgischen Wachstation, sondern in der psychiatrischen Klinik aufgewacht war, sie konnte sich auch noch daran erinnern, dass er in gebrochenem Deutsch zu ihr gesagt hatte, dass er ihr jetzt eine Spritze gegen die Schmerzen geben werde, gegen Schmerzen, die sie gar nicht hatte, sie konnte sich weiterhin erinnern, dass sie sich gegen die Spritze gewehrt hatte – die nächsten 2 Tage indes waren aus ihrem Gedächtnis gelöscht.
Nur aus späteren Erzählungen, aus den Eintragungen in ihrer Krankenakte – soweit die einschlägigen Dokumente nicht auf merkwürdige Weise zwischenzeitlich verschwunden waren –, aus den Schilderungen von Pflegern, die Reinhard bestochen hatte, damit sie ihm die tatsächlichen Ereignisse berichteten, sowie aufgrund anderer Zeugnisse, wie diese nach und nach ans Licht kamen, wurden ihr bewusst, dass man sie „abgespritzt, niedergespritzt“ hatte, dass sie dann ins Koma gefallen, klinisch tot gewesen war, weil man ihr eine zu hohe Dosis verabreicht hatte, dass sie von Ärzten, die nicht in das Komplott verstrickt waren, reanimiert wurde, dann zwei Tage nicht bei Bewusstsein gewesen und zwischenzeitlich von dem beschließenden Richter, der sich nicht einmal die Mühe machte, zu hinterfragen, warum sie bewusstlos war, als psychisch krank eingeschätzt und dass ihre weitere zwangsweise Unterbringung verfügt worden war, so dass sie, aufgrund des Verbrechens des Prof. Neunmalklug und mit Hilfe eines kleinen juristischen Kunstgriffs – bei jedem sonstigen Opfer eines Gewaltverbrechens oder auch Unfalls hätte man selbstverständlich hinterfragt, weshalb dieses vorübergehend bewusstlos ist, und hätte das Opfer nicht auch noch für geisteskrank erklärt –, so dass sie also aufgrund eines Verbrechens und eines Kunstgriffs des beschließenden Richters als Helfershelfer des verbrecherischen Psychiaters von einer hoch angesehenen Geisteswissenschaftlerin zum psychiatrischen Fall erniedrigt wurde.
Dr. Großkotz – der nicht nur, wie zuvor berichtet, Reinhard über Jahre hinweg mit Meineiden und falschen eidesstattlichen Versicherungen überzogen hatte, was indes, wie ebenfalls dargelegt, ohne jegliche Konsequenzen blieb, sondern ihn, Reinhard, auch durch Privatdetektive bespitzeln und abhören ließ, was, bereits lange vor der NSA-Affäre, von den staatlichen Verfolgungsorganen geduldet wurde und wodurch er, Gregor, über Reinhards und Marias Aktivitäten genauestens im Bilde war –, Gregor Großkotz hatte sich vor der Zwangspsychiatriesierung Marias tatsächlich bei Prof. Neunmalklug gemeldet und diesem, ganz verschwiegen und kollegialiter, mitgeteilt, welch Scharlatan Reinhard doch sei und dass er, Reinhard, gar die Krebserkrankung seiner eigenen Frau mit äußerst obskuren Methoden behandele.
Zwar hatte Gregor Großkotz keine Ahnung von Krebstherapie, wie er auch sonst nicht gerade durch ärztlichen Fähigkeiten glänzte, jedoch stießen solche Nachrichten bei Prof. Neunmalklug, der, wie ausgeführt, mit Reinhard wegen inhaltlicher Differenzen über die Praxis der psychiatrischen Behandlung im Allgemeinen und über Sinn und namentlich Unsinn der von Neunmalklug vertretenen Alzheimer-Therapie im Besondern über Kreuz lag, auf offenen Ohren. Ohnehin hatte sich bereits die schöööne Frau Prof. Tausendschön mit der Frage an ihn, Neunmalklug, gewandt, was denn zu tun sei, da Maria sich partout ihrer professoralen Betreuung entziehe, sich vielmehr der schleierhaften und unbegreiflichen Behandlung Reinhards anvertraue; schließlich sei sie Ordinaria und in diesem Bereich die Koryphäe schlechthin, Reinhard hingegen sei lediglich Chefarzt einer Privatklinik mit ein paar hundert Mitarbeitern gewesen: er, der doch so kluge Neunmalklug, werde ihr sicherlich beipflichten, dass dies nicht mit rechten Dingen zugehen könne, und möge sich deshalb überlegen, an welch psychiatrisch relevanter Störung Reinhard wohl leiden und mit welchen Mitteln der Psychiatrie man dem Ganzen Einhalt gebieten könne; es gehe schließlich nicht an, dass ein kleiner, unbedeutender Chefarzt im vorzeitigen Ruhestand ihrer, der Koryphäen Lehrmeinung in Frage stelle.
Vor diesem Hintergrund kam Neunmalklug auf die glorreiche Idee, Reinhard und Maria einen „induzierten Wahn“, auch „folie à deux“, „Geistesstörung zu zweit“, „psychotische Infektion“ oder „symbiontischer Wahn“ genannt, zu unterstellen (der werte Leser möge sich die Wörter auf der Zunge zergehen, sich indes vom wabernden Dampf, der von solchen psychiatrischen Phantasmagorien ausgeht, nicht den Verstand vernebeln lassen).
Auf gut deutsch: Reinhard war, so Neunmalklugs ver-rückte Meinung und „Diagnose“, irr, psychisch krank, seelisch krank, geisteskrank, jedenfalls krank im psychiatrischen Sinn (dessen Interpretation natürlich nur ihm, Neunmalklug, vorbehalten war), weil er, Reinhard, neue, von der Schulmedizin abweichende, ungewöhnliche und ungewöhnlich erfolgreiche Methoden der Krebsbehandlung entwickelte hatte und diese gar an seiner eigenen Frau, zumal erfolgreich, anwandte. Welche Hybris, welche Blasphemie.
Laut ICD 10 (International classification of deseases), Code Nr. F24 handelt es sich bei einer folie à deux um „… eine wahnhafte Störung, die von zwei Personen mit einer engen emotionalen Bindung geteilt wird. Nur eine von beiden leidet unter einer echten psychotischen Störung; die Wahnvorstellungen bei der anderen Person sind induziert und werden bei der Trennung des Paares meist aufgegeben.“
Im Klartext: Reinhard litt an eine Psychose(!), weil er mit alternativen Methoden Krebserkrankungen behandelte (und nachweislich heilte). Maria (als Person mit enger emotionaler Bindung zu Reinhard – die enge emotionale Bindung wird vom Erzähler nicht bestritten!) СКАЧАТЬ