„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“. Richard A. Huthmacher
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Читать онлайн книгу „… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“ - Richard A. Huthmacher страница 10

СКАЧАТЬ gar nicht möglich sein konnte, weil Reinhard ja – angeblich – nur in der Wahnvorstellung lebte, er könne Krebserkrankungen heilen.

      Im Übrigen hatte Neunmalklug vor seiner psychiatriegeschichtlich epochalen Diagnose Maria nie gesehen oder auch nur, z. B. telefonisch, ein Wort mit ihr geredet, geschweige denn, sie ärztlich untersucht oder gar psychiatrisch exploriert.

      Der Leser möge für sich selbst die Frage beantworten, wer hier ver-rückt ist.

      Oder aber: Psychiater wie Neunmalklug sind durchaus nicht verrückt. Vielmehr erklären sie diejenigen für irr-sinnig, die nicht im Sinn des medizinisch-industriellen Komplexes und des ihm beistehenden demokratischen Rechtsstaats (und vieler anderer mächtiger Interessenverbände, deren Belange von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geschützt werden) handeln (Gustl Mollath hatte sich nicht mit der Pharma-, sondern mit der Finanzindustrie angelegt; das Ergebnis – Psychiatrisierung als Disziplinierung – war dasselbe).

      Jedenfalls bedurfte es nur noch eines Anrufs von Neunmalklug bei der zuständigen Polizeibehörde, um den Vandalen-Tross in Gang zu setzen, der, wie bereits berichtet, Maria zwangsverhaftete und zwangsverschleppte. Ohne einen richterlichen Beschluss, Wegen (angeblicher) Gefahr im (vermeintlichen) Verzug. Welche Gefahr? Welcher Verzug?

      Frau Prof. Tausendschön jedenfalls machte Prof. Neunmalklug schöööne Augen ob der gelungenen Aktion, und Dr. Großkotz, der unbedeutende Landdoktor, der praktische Arzt, der fast gescheiterter Gymnasiast, der Missbrauchte und nun selbst mit anderen Missbrauch Treibende, freute sich über die Maßen, dass er den klugen Neunmalklug und die schöne Tausendschööön für seine Zwecke zu instrumentalisieren und dadurch Reinhard und Maria nun endlich, so glaubte er, zu zerstören vermochte.

      Zudem sollte Maria nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht werden – sozusagen „lebenslänglich en passant“ –, ohne dass sie sich je eines Vergehens oder gar Verbrechens schuldig gemacht hatte, einzig und allein, weil sie sich von Reinhard statt von der Schulmedizin behandeln (und heilen) ließ. Nicht von einer Schulmedizin (in Person der schööönen Professorin) behandeln ließ, die sie zunächst einer absolut verstümmelnden Operation, dann der üblichen Bestrahlung und schließlich einer Chemotherapie unterzogen hätte, die noch ihre letzten gesunden Zellen vergiftet und ihr Immunsystem, das ohnehin aufgrund der Erkrankung, mehr noch infolge der überaus belastenden „therapeutischen Eingriffe“ danieder lag, sozusagen in einem finalen Akt dann nieder- und zu Tode geknüppelt hätte.

      Um dieses Vorhaben der Entmündigung – vom Gesetzgeber euphemistisch Betreuung genannt – juristisch fehlerfrei umzusetzen (wir leben ja schließlich in einem Rechtsstaat, jeder hat kodifizierte Rechte, was man indes mit diesen seinen Rechten macht, bestimmt nicht er, sondern entscheiden andere für ihn) und um derart sowohl den Eindruck medizinischer Notwendigkeit zu suggerieren als auch den Anschein rechtlich korrekten Vorgehens zu wahren, ließ die maßgebliche Amts-/Betreuungsrichterin, Präsidentin des lokal zuständigen Amtsgerichts, die schriftlich in einem ihrer Beschlüsse ausführte, man müsse diese H.s (gemeint waren Reinhard und Maria) endlich zur Räson bringen, falls nötig, mit allen zu Geboten stehenden Mittel disziplinieren (sie hatte tatsächlich den entlarvenden Begriff „disziplinieren“ gebraucht), ließ also diese furchtbare Juristin (zur Definition eines „furchtbaren Juristen“ sei auf Filbinger und Hochhuths „Juristen“ verwiesen) ein Gutachten erstellen.

      Aufgemerkt: Trotz aller Proteste und Interventionen von Reinhard, Maria und deren Anwälten von dem Psychiater erstellen, der durch ein kaum vorstellbares Maß an krimineller Energie und verbrecherischen Machenschaften Marias Zwangseinweisung betrieben hatte. Also durch Neunmalklug. Das nenne ich den Bock zum Gärtner machen!

      Der unsägliche Psychiater Neunmalklug begutachtete dann wie folgt:

      „Aufgrund dieser Ausgangssituation ist Frau Dr. H. aus psychiatrischer Sicht nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern zu regeln. Die medizinischen Voraussetzungen zur Einrichtung einer Betreuung sind aus psychiatrischer Sicht gegeben.

      Aufgrund der zugrunde liegenden Persönlichkeitsstruktur von Frau Dr. H. ist aus medizinischer Sicht keine zeitliche Befristung des Betreuungsbedarfs zu nennen. Wir empfehlen die gesetzliche Betreuung nach Ablauf eines Jahres zu überprüfen …

      Gleichzeitig halten wir es für völlig unverantwortbar, die Betroffene den Behandlungsmethoden ihres Ehemannes … auszusetzen. Daher ist es möglich, dass im weiteren Verlauf eine Unterbringung von Frau Dr. H. in einer … Pflegeeinrichtung notwendig wird. Frau H. selbst kann aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit eines solchen Schrittes nicht erkennen und nicht nach dieser Einsicht handeln.“

      Mit anderen Worten: Das Urteil lautete „lebenslänglich“.

      Früher nannte man die sogenannte Betreuung Entmündigung. Die Begrifflichkeit „Entmündigung“ war ungleich ehrlicher als die Bezeichnung „Betreuung“. Heute, seit einer entsprechenden „Reform“, die 1992 in Kraft trat, wird die gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, erwachsene Menschen zu kleinen Kindern zu degradieren, Betreuungsrecht genannt. Mit diesem Betreuungsrecht kann man Menschen lebendig begraben.

      Jedenfalls, wenn sie nicht einsichtig, d.h. willfährig sind.

      Weshalb Prof. Neunmalklug und die Justiz Maria wiederholt anboten, sich von Reinhard scheiden zu lassen. Dann falle Ursache und Grund ihres Wahns weg, und man könne ihr garantieren, dass sie wieder auf freien Fuß gesetzt und nicht mehr unter Betreuung gestellt werde.

      Diesen Sachverhalt versichert der Erzähler auf Ehre und Gewissen. Die Erpresser scheuten sich nicht einmal, eine solche Ungeheuerlichkeit auch noch schriftlich zu fixieren. Es erübrigt sich, anzuführen, dass Maria sich nicht von Reinhard scheiden ließ.

      Reinhard und Maria erhielten ein absolutes Umgangsverbot miteinander; eine Vielzahl eilig, mit zittriger Hand, in Angst vor Entdeckung hingeschriebenen Zeilen Marias – in psychiatrischen Einrichtungen herrscht, Justizvollzugsanstalten vergleichbar, absolute Zensur, Briefe müssen genehmigt, Telefonate müssen erlaubt werden, selbst-verständlich werden sie mitgelesen und mitgehört; völlig zu Recht fühlt man sich an die psychiatrischen Zuchtanstalten des ehemaligen Ostblocks, an den Archipel Gulag Solschenizyns und an die Samisdat-Literatur der Stalin- und Chruschtschow-Ära erinnert –, etliche Nachrichten und Briefe von Maria an Reinhard konnten nur auf abenteuerliche Weise aus der Anstalt geschmuggelt werden; Marias Mutter, die winzige alte Frau, sonst eher feige, hier über sich hinauswachsend, brachte sie in Leibbinden und noch viel abenteuerlicheren Verstecken aus der psychiatrischen Anstalt. Genaueres indes soll hier nicht geschildert werden, damit andere Unglückliche diese Methoden weiterhin benutzen können.

      Jedenfalls behaupteten die einweisenden, verfügenden und beschließenden Richter (und man ist geneigt, ihnen zu wünschen, dass ein anderer, höherer Richter dereinst in gleicher Weise über sie richten möge)

       die Betroffene, also Maria, leide an einer geistigen/seelischen Behinderung

       die Betroffene leide an einer schwersten Persönlichkeitsstörung

       die Betroffene müsse geschlossen untergebracht werden, weil sie massiv verwahrlose bzw. mit dem Leben nicht zurechtkommen werde

       die Betroffene benötige die „im einzelnen aufgeführten mechanischen Beschränkungen, um die Untersuchung und Behandlung sicherzustellen“.

      Auf Deutsch: Maria dürfe gefesselt werden, dürfe angebunden, angekettet werden СКАЧАТЬ