„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“. Richard A. Huthmacher
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СКАЧАТЬ ehren, der in der DDR zum Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften, zum Träger des Nationalpreises, sozusagen zum „Staatsphilosophen“ avancierte, nachdem er 1948 den Lehrstuhl für Philosophie in Leipzig übernommen hatte.

      Den Mann, dem erst der Volksaufstand in Ungarn 1956, die Verfolgung seines alten Freundes Georg Lukács (zusammen mit Bloch und Gramsci Erneuerer der marxistischen Philosophie) und die Inhaftierung von Wolfgang Harich (Cheflektor des Berliner Aufbau-Verlages, in einem Schauprozess 1957 zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt) die Augen öffneten; bezeichnenderweise hieß seine letzte Vorlesung in Leipzig (vor seiner – de facto – Zwangsemeritierung): „Probleme der Fortentwicklung des Marxismus nach Marx“.

      Den Mann, der nach dem Mauerbau im August ´61 von einer Reise in die BRD nicht mehr in die DDR zurückkehrte.

      Den Mann, der mutig genug war, bei seiner Tübinger Antrittsvorlesung 1961 mit dem Titel „Kann Hoffnung enttäuscht werden?“ selbstkritisch einzugestehen: „Und wie doch, gewiß, so etwas ist leicht zu haben. Kommt haufenweise vor, jedes Leben ist voll von Träumen, die nicht werden.“

      Aber auch den Mann zu ehren, der zu den wenigen Intellektuellen gehörte, die den 1. Weltkrieg nicht mit Begeisterung begrüßten.

      Den Mann, der Rudi Dutschke ermutigte, gemäß Marxens 11. These über Feuerbach („11. Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern“ [Karl Marx: Thesen über Feuerbach, 1888]) die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern auch zu verändern.

      Schließlich den Mann zu ehren, der – so der Spiegel (1960) – neben Martin Heidegger und Karl Jaspers zu den großen Drei der zeitgenössischen Philosophie gehört.

      Diese Wertung liegt lange zurück; mehr als ein halbes Jahrhundert ist seitdem vergangen. Im Mai 2007 schrieb die Neue Zürcher Zeitung: „Die sozialrevolutionären Gesellschaftsentwürfe haben Schiffbruch erlitten, die Utopie einer humanen, klassenlosen Gesellschaft, die Bloch formulierte, gilt nur noch als kindischer Traum. Das Prinzip Hoffnung ist nicht dem Prinzip Verantwortung, sondern dem Prinzip Marktwirtschaft gewichen. Gewinnstreben und Pragmatismus sind das Gebot der Stunde.“

      Eine nüchterne, gleichwohl zutreffende Analyse der Jetzt-Zeit. Aber gilt sie auch für die „Ewigkeit“? Kann aus dem Nicht-Seienden nicht doch das Noch-Nicht-Seiende und aus diesem Noch-Nicht-Seienden nicht doch noch das Seiende werden?

      Jedenfalls gibt es m.E. nicht viele Debut-Werke, die an den geistigen Furor von Blochs „Geist der Utopie“ (1918) auch nur annähernd heranreichen: Der Mensch, behaftet mit Mängeln, gleichwohl nach Vollkommenheit strebend und deshalb ohne Hoffnung nicht denkbar; die Kreatur, die ist, sich aber nicht hat und deshalb erst wird; der im Dunkel des Augenblicks lebende Einzelne, der die Erfüllung seiner Gegenwart in Tagträumen und Wunschbildern, in religiösem Hoffen und künstlerischem Schaffen ersehnt. Ein geradezu religiös eschatologisch philosophisches System, das in Sozialismus und Kommunismus allenfalls die Vorstufe, indes nicht die Vollendung seiner Verwirklichung findet.

      Folgerichtig kritisierte die Ostberliner „Deutsche Zeitschrift für Philosophie“ den dritten Band von Blochs „Das Prinzip Hoffnung“ anlässlich dessen Erscheinens mit den Worten: „Bloch befindet sich auch hier auf Pfaden, die abseits der großen Heerstraße liegen, die zum Sozialismus führt.“ Und in der Tat ließ Bloch keinen Zweifel daran, dass alle zeitgenössischen Formen von Sozialismus und Kommunismus (noch) unendlich weit von seinem „Reich der Freiheit“ entfernt sind, was die Machthaber der DDR zunehmend als Pfahl in ihrem Fleisch empfanden.

      Der „Geist der Utopie“, „Das Prinzip Hoffnung“ – sprachgewaltige, sprachmächtige, sprachwirkende Bücher: In Anlehnung an Kafka, welcher der Meinung war, man müsse Schopenhauer allein schon wegen seiner Sprache lesen, ist man geneigt, festzuhalten, dass es sich bei Bloch nicht anders verhält.

      Auf beeindruckende Art entfaltet letzterer – namentlich in seinem (von 1954 bis 59 entstandenen) Hauptwerk „Das Prinzip Hoffnung“, das auf 1600 Seiten die Kulturgeschichte menschlichen Hoffens darstellt und analysiert, aber auch in seinem sonstigen Oeuvre – immer wieder ein Thema: das einer dem Menschen sozusagen immanenten Hoffnung. Denn Mensch und Welt, so Bloch, sind nicht fertig, nicht abgeschlossen, vielmehr streben sie nach einer in ihnen zwar angelegten, aber noch nicht „herausgekommenen“ Verwirklichung.

      So glaubt Bloch nicht an die Determination, also an jene zentrale Vorstellung des marxistischen Geschichtsverständnisses, das von einer zwangsläufigen Entwicklung vom Kapitalismus über den Sozialismus zum klassenlos kommunistischen Idealzustand ausgeht. Vielmehr bestimme der Mensch seine Geschichte selbst, die Entscheidung sei noch nicht gefallen, „… und die Sache selbst ist selber noch nicht heraus.“

      „Zuviel ist voll vom Etwas, das fehlt. Etwas treibt in uns, will weiter, hält es nicht bei sich aus, will aus sich heraus“, derart sind die Gedanken Blochs, wenn er über das Leiden des Menschen an seinem Sein, wenn er über Einsamkeit, Entwurzelung, Entfremdung und Ausbeutung philosophiert.

      Gleichwohl: „Es wäre uns nicht möglich, derart am Unzulänglichen zu leiden, wenn nicht in uns etwas weiter triebe und weit über alles Leibliche hinaustreiben wollte“, so seine gleichsam religiös-eschatologische Überzeugung. Das, was es gibt, könne nicht die Wahrheit sein; der Mensch müsse sich auf die Suche machen, auf die Suche nach Heimat, d.h. nach dem Ort, wo Menschen sich selbst und anderen nicht entfremdet sind.

      Dem Vorwurf, derartige Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen seien nicht zu realisieren, folglich bloße Utopie, setzt er Begrifflichkeit und Inhalt seiner „konkreten Utopie“ entgegen, die er als höchst real erachtet und von bloßer Träumerei oder dem billigen Hoffen auf ein besseres Jenseits abgrenzt.

      Bloch ergänzt dabei die freudsche Kategorie des „Unbewussten“ (als Nicht-mehr-Bewussten) durch die des „Noch-Nicht-Bewussten“ – wie Vergangenes und nicht (mehr) Bewusstes, also Unbewusstes, gleichwohl auf unser Leben Einfluss nimmt, so beeinflusst auch das, was noch nicht ist, von dem wir aber ahnen, dass es kommt, unser Sein und unser Bewusstsein.

      Und wie Freud die Träume der Nacht zu interpretieren versucht, so interessieren Bloch die Träume des Tages, die Sehnsüchte der Menschen, in denen die Potentialität einer anderen, besseren, ihnen und ihren Hoffnungen adäquateren Welt zum Ausdruck kommt: „Vor allem in Tagen der Erwartung, wo nicht ein Gewesenes, sondern das Kommende selber einwirkt, in empörtem Leid, in der Dankbarkeit des Glücks, in der Vision der Liebe … wird die eindrucksvolle Grenze zu einem noch-nicht-bewußten Wissen deutlich überschritten.“

      Oder wie Du, Liebster, es einmal ausgedrückt hast: „Wenn ich mir einen Traum erfüllen könnte, dann den von einer etwas gerechteren, ein wenig besseren Welt. Bekanntlich indes heißt οὐ-τόπος „Nicht-Ort“. Gleichwohl: Utopien haben immer auch eine Vorbildfunktion, sie sind das Konglomerat unsere Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte. Solange wir noch eine Utopie haben, werden wir nicht an der Dystopie, d.h. an der Anti-Utopie, will meinen an der Realität zerbrechen.“

      Somit steht die „konkrete Utopie“ Blochs nicht für diffuse Schwärmerei, vielmehr für „die Kraft, die vorwärts treibt“, für die Synthese aus Sehnsucht nach und konkreter Arbeit an (gesellschaftlicher) Veränderung. In diesem Sinne ist die „konkrete Utopie“ Blochs die Hoffnung des Menschen auf den „aufrechten Gang“.

      Den zu proben ggf. auch die Anwendung von Gewalt erfordern kann: „Ich glaube, es gibt auch ein Gewaltrecht des Guten.“ Oder, wie Thomas Münzer es ausdrückte: „Wohlan, ich will aufrührerisch sein“ (Ernst Bloch: Thomas Münzer als Theologe der Revolution, 1921).

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