Grundlos heiter. Harald Malz
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Название: Grundlos heiter

Автор: Harald Malz

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783934900516

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СКАЧАТЬ den dünnen Arm. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger zeigte es erst auf den geöffneten Mund, dann auf seinen Magen. Es schien Hunger zu haben. Ich ging auf den Jungen zu, wollte ihn an der Hand fassen; das ließ er nicht zu. Ich ging über die Terrasse ins Haus und bedeutete dem alten Kind, mir zu folgen, was es auch tat. Wir gingen in die Küche. Behutsam setzte es die Füße und machte kleine vorsichtige Schritte. Ich bot ihm einen Stuhl an unserem Küchentisch an und holte Brot aus dem Küchenschrank, schnitt zwei Scheiben vom Gersterbrot ab, holte Butter, Leberwurst und Käse aus dem Kühlschrank und stellte alles vor dem Jungen auf den Tisch. Er beobachtete mich mit ernsten, aufmerksamen Augen. Ich holte ein Glas hervor und ein Tetrapak Apfelsaft, schließlich ein Messer. Ich überlegte, ob ich ihm ein Brot schmieren oder ob ich schauen sollte, wie er damit zurechtkam. Ich dachte schon, dass ein Junge seines Alters, wenn meine Vermutung denn zutraf, selber ein Brot schmieren konnte. Er griff schließlich zum Messer, machte eine schnelle, waagerechte Bewegung damit vor seiner Kehle und begann dann, sehr sorgfältig Butter auf seiner Brotscheibe zu verstreichen, so dass nach einiger Zeit überall eine gleichmäßig dünne Schicht Butter verteilt war. Die Leberwurst im Darm schob er mit angeekeltem Blick zur Seite. Er griff zum Gouda, schnitt sich mehrere makellose Scheiben ab und legte sie auf sein Butterbrot. Mit großem Appetit, fast gierig, biss er in seine Stulle und kaute mit sichtlichem Behagen. Ich dachte, er solle noch etwas Frisches zu seinem Käsebrot haben und holte eine Tomate aus meiner Schüssel, die für Früchte, Knoblauchknollen aber auch Tomaten vorgesehen war und legte sie ihm auf seinen Teller. Mit fettigen Fingerspitzen hob er sie an, hielt sie in Augenhöhe und untersuchte sie mit hoch konzentriertem Blick. Rot und nahezu kugelförmig, am unteren Ende ein kleiner Krater, wo die alten Kelchblätter gesessen hatten. Er war fasziniert. Pfeffermühle und Salzstreuer ignorierte er. Er rollte die Tomate über den Tisch. Ich hielt die Hand etwas unterhalb der Tischplatte und fing die Frucht auf. Ich nahm die Tomate, dann das Messer und zerteilte sie in Viertel. Eins davon aß ich. Der Junge sah mich erstaunt an, tat es mir aber dann nach und aß ein bisschen schmatzend die restliche Tomate auf. Ich goss meinem Gast ein Glas Apfelsaft ein, das er in einem Zug leerte. Nachdem er die zwei abgeschnittenen Scheiben Brot gegessen hatte, machte er dieselben Gesten, die er schon im Garten gemacht hatte. Nachdem er das halbe Gersterbrot gegessen und den Tetrapak ausgetrunken hatte, schien er fürs erste gesättigt. Er blieb auf seinem Stuhl sitzen und sah mich unverwandt an. Es war dunkel geworden, und ich hatte keine Ahnung, was ich mit ihm anfangen sollte. Ich beschloss, dass er bei mir übernachten sollte. Ich hatte ein kleines Gästezimmer, in dem ein Bett und ein Schrank standen. Ich zeigte ihm das Zimmer, nachdem ich ihm zu verstehen gegeben hatte, dass er mir folgen sollte. Ich deutete auf das Bett, legte die Hände katholisch aneinander und hielt sie dann an eine Wange. Sofort war ihm anzusehen, dass das Angebot gar nichts für ihn war. Er rannte los zur Terrassentür, zerrte daran, ohne sie öffnen zu können und sah mich verzweifelt an. Ich machte die Tür auf und das alte Kind verschwand in meinem dunklen Garten. Ich trat hinaus, ich rief, aber es gab keine Anzeichen, wo der Junge abgeblieben sein konnte. Etwas beunruhigt machte ich meine Abendtoilette und ging ins Bett. Der Tag hatte mich angestrengt und nach ein paar verwaschenen Gedanken an das Kind schlief ich ein. Am nächsten Morgen wurde ich durch ein drängendes Klopfen geweckt. Nachdem ich mich orientiert und auf den Wecker geguckt hatte, wusste ich, woher der Lärm kam. Das alte Kind klopfte an die Terrassentür. Es war früh, halb sieben. Wir frühstückten zusammen. Kein Wort von meinem Gast, nur viel Kauen und genüssliches Essen. Nach dem Frühstück wandte ich mich meiner gewohnten Zeitungslektüre zu und schaltete das Radio ein. Deutschlandfunk. Radio hören fand der Junge gut. Konzentriert hatte er den Kopf dem Apparat zugewandt. Musik fand er besser als Wortbeiträge, wie ich bei meinem unauffälligen Schielen über den Zeitungsrand feststellte. Der zarte Körper und das schmale Köpfchen bewegten sich im Takt der Musik. – Mein Gast müffelte. Ich überlegte, wie ich ihn von Körperhygiene überzeugen konnte. Ich verschob meinen Plan aber. Ich konnte mich an seine heftigen Abwehrreaktionen von gestern Abend erinnern, als ich ihm das Gästebett angeboten hatte. Ich ging hinaus in den Garten, der Junge hinter mir her. Er hatte sich eine Plastikplane unters Gesträuch am Grundstücksende gespannt und sich ein Lager aus Blättern bereitet. Dort also hatte er die Nacht verbracht. Das würde er auch zukünftig tun und ich sah keinen Grund, ihn davon abzuhalten.

      Wir hatten jetzt schon einige Tage miteinander verbracht. Das alte Kind hatte immer noch nichts mit mir gesprochen. Wir aßen regelmäßig zusammen, es blieb stumm. Wir hörten häufig Musik aus meiner CD-Sammlung. Einmal hörten wir Peer Gynt von Edward Grieg. Das alte Kind war bei Ases Tod besonders berührt. Tränen schimmerten in seinen geheimnisvollen, dunklen Augen, so dass ich es fortan Peer nannte. Wenn sich der Junge unbeobachtet fühlte, tat er etwas total Ungewöhnliches. Er übte, sich aufzulösen. Mal verschwand eines seiner dünnen Ärmchen, mal war nur noch der halbe Kopf zu sehen, mal war der mittlere Teil seines Körpers verschwunden. Peer sprach immer noch nichts, aber er konnte verblüffend gut zeichnen. Einmal zeigte er mir eine Zeichnung, auf der er und eine Wand zu sehen waren, in der er halb verschwunden war.

      Die gestromte junge Katze aus der Nachbarschaft liebte ihn. Sie genoss sein Streicheln und folgte ihm ständig mit in den Himmel gerecktem Schwanz und zeigte ihre rosige Katzenrosette.

      Einmal stand ich an der Supermarktkasse, vor mir zwei Frauen aus meiner Nachbarschaft. Sie hatten mich nicht gesehen. Ich hörte Gesprächsfetzen. »Neffe aus Hamburg, so, so.« »Ich sage dir, Pädophilie!« Ich fragte mich, ob ich mich in ihr Gespräch einmischen sollte, aber es verstummte von ganz allein, als sie mich sahen und sich dann ganz abrupt »Schönen Tag, noch!« wünschten.

      In der Nacht hatte sich ein heftiges Sommergewitter gebildet. Ich stand am geöffneten Fenster. Der Regen trommelte auf die Ziegel der Gaube, die Luft vibrierte vom Krachen der einschlagenden Blitze. Ich liebe die Geräusche, die dem eigentlichen Donner vorangehen. Das Bersten, Knacken, Knattern, Knistern. Als kleiner Junge hatte ich mich vor Gewitter immer sehr gefürchtet. Die Blitze warfen meine mächtige Silhouette auf die Wand. Ich meine auch, Peers Schatten im Garten gesehen zu haben. Am nächsten Morgen war er verschwunden und blieb es auch. Ich hatte mich so an es gewöhnt, das alte Kind.

      Der freundliche Riese

      Ganz oben, sehr zurückgezogen, gleich unterhalb des Deisterkammes, lebt der freundliche Riese. Er haust in einer geräumigen Felsenhöhle, deren Eingang er immer sehr sorgfältig tarnt, wenn er ausgeht, um Wildschweine am Schinken zu zwicken oder Wanderer und Mountainbiker zu erschrecken. Er ist fünf Klafter hoch und wiegt dreizehn Doppelzentner. In letzter Zeit hat er etwas zugelegt. Das liegt an der Angst der Menschen, die rund um den Deister wohnen und von deren Angst er lebt. Angst vor der Zukunft, Angst um den Euro, Angst um den Partner und um die Kinder, Angst vor der Angst. Die Angst wird mit dem Wind die Hänge herauf geweht, und der Riese ernährt sich von ihr. Er nimmt sie über seine gewaltige Körperoberfläche osmotisch auf, denn meistens, wenn es die Witterung zulässt, bewegt er sich mit freiem Oberkörper durch den für ihn eigentlich zu kleinen Wald. Wenn man die Klitschko-Brüder aufeinanderstellte und dann noch mit drei malnähme, hätte man einen Eindruck von der Größe des Riesen. Aber nur die wenigsten haben ihn je gesehen und denen schenkt man wenig Glauben. Sein rundes Haupt ist bedeckt von semmelblondem Haar, das golden in der Morgensonne leuchtet. Er hat ein freundliches Gesicht, und Kinn und Wangen sind von einem mächtigen Seemannsbart bedeckt, den ihm die Deistertrolle regelmäßig kurz scheren und ihre Kissen und Betten damit füllen. Dann ist auch sein krauses Brusthaar fällig. Der freundliche Riese legt sich für die Prozedur auf den Rücken und genießt das Kribbeln und Krabbeln der emsigen kleinen Kerle.

      Stets trägt er ein Lächeln im Gesicht und in alten Zeiten half er den Forstgesellen und deren schwer arbeitenden Rückepferden, ohne dass sie es bemerkten. Oft erledigte sich die Fron wie von Zauberhand und die Holzknechte murmelten dann ehrfurchtsvoll: Das muss wohl Sigmar, der freundliche Riese gewesen sein. Mit Rübezahl, seinem übellaunigen weitläufigen Verwandten aus dem Riesengebirge hat er charakterlich nur wenig zu tun. Ursprünglich hatten die Bergleute, die im Deister Kohlegruben unterhielten, nur Spott für die Holzknechte. Doch manch wundersame Rettung aus Bergnot ging auf das Konto des freundlichen Riesen, der Schächte vorm Einstürzen bewahrte und Kinder, die sich verlaufen hatten, auf den СКАЧАТЬ