Название: Der Kaiser
Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806240108
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Aber sie schrieben vergebens, und nachdem die Nachricht von der Brüsseler Krönungszeremonie nach Spanien gelangt war, hatten Cisneros und seine Räte auch kaum eine andere Wahl, als sich den neuen Realitäten zu beugen. Am 3. April 1516 genehmigten sie die Durchführung einer Zeremonie, bei der ganz offiziell »das Banner des Königs aufgepflanzt« wurde – die traditionelle kastilische Art, den Regierungsantritt eines neuen Monarchen zu feiern. Mehrere Städte proklamierten umgehend ihre Gefolgschaft: »Kastilien, Kastilien, Kastilien für Königin Johanna und König Karl, unsere erhabenen Herrscher«, während andere trödelten. In Zamora wurde das königliche Banner erst am 18. Mai gehisst, in Plasencia gar erst am 25. Juli. Der englische Gesandte John Stile notierte, dass viele Kastilier »großen Anstoß nehmen und verstimmt sind darüber, dass die Flamen ihren Prinzen zum König von Kastilien erklärt haben ohne [ihre] Einwilligung«.33
Die ungewisse Lage brachte – im Zusammenspiel mit dem Wunsch, sich bei dem neuen Herrscher und seinen Beratern möglichst beliebt zu machen – etliche von Karls neu gewonnen Untertanen dazu, die Reise von Spanien nach Brüssel anzutreten. Im April 1516 kamen nach Auskunft des englischen Botschafters in den Niederlanden »tagtäglich so viele Spanier hier an, dass der Hof schon ganz voll ist von ihnen«. Drei Monate später »begingen sie«, wie Cisneros Agent in Brüssel schreibt, »das Jakobsfest auf spanische Art: 24 Ritter nahmen an der Vesper und der Messe teil«.34 Dieser Umstand signalisierte eine entscheidende Entwicklung, denn die besagten Ritter entstammten der Elite der spanischen Gesellschaft und standen rangmäßig deutlich über den Felipistas. Die Mitglieder einer anderen Gruppe von Neuankömmlingen, später als Fernandinos bezeichnet, hatten dem verstorbenen König gedient, jedoch ihre Posten verloren, als Cisneros die Macht übernahm. Einer von ihnen war Francisco de Los Cobos, der seit den 1490er-Jahren im kastilischen Sekretariat der Königin Isabella tätig gewesen und seit 1503 von Ferdinand mit Geldzuwendungen bedacht worden war. Er konnte sich einer gründlichen Vertrautheit mit den Feinheiten nicht nur der kastilischen (Steuer-)Verwaltung, sondern auch der amerikanischen Kolonien rühmen. Am 31. Oktober 1516 wies Karl Cisneros an, Los Cobos fortan ein Gehalt aus der kastilischen Staatskasse auszuzahlen, »denn er ist hergekommen, um uns zu dienen, und befindet sich nun seit einer Weile in unseren Diensten«. Sechs Wochen darauf leistete Los Cobos seinen Eid als königlicher Sekretär, und bis zu seinem Tod 31 Jahre später sollte er Tausende von Briefen öffnen, lesen und zusammenfassen, die an Karl adressiert waren und sich mit nahezu sämtlichen Aspekten der Regierung und seiner überseeischen Besitzungen befassten. Auch entwarf Los Cobos die Antwortschreiben, die Karl dann prüfte und unterschrieb. Als der Kaiser 1543 eigenhändig die vertraulichen Instruktionen für seinen Sohn niederschrieb, widmete er Los Cobos in seiner Beurteilung mehr Raum als irgendeinem anderen Minister – und erwähnte unter anderem auch die hartnäckige Rivalität zwischen Fernandinos wie Los Cobos, die erst vergleichsweise spät in Karls Dienste getreten waren, und Felipistas wie Juan de Zúñiga, die schon gut zehn Jahre zuvor aus Spanien geflohen waren.35
Einer der wenigen Punkte, in denen die Anhänger beider Parteien übereinstimmten, war die von ihnen als dringend notwendig erachtete Rückkehr Karls nach Spanien. Bereits im März 1516 hatte Bischof Manrique gemeldet, es sei »in einer Sitzung des Rates, bei der alle sich zu Wort meldeten und abstimmten, beschlossen worden, dass der Prinz unser Herr nach Spanien aufbrechen sollte« – und zwar noch in diesem Sommer. Dennoch hegte Manrique aus demselben Grund dieselben Bedenken, die ein Jahrzehnt zuvor auch Karls Vater gegolten hatten (siehe S. 29): Zwar habe »der Prinz mit schönen Worten von seiner Entschlossenheit zur Abreise gesprochen«, bemerkte der Bischof, jedoch seien »die Menschen hierzulande überaus wankelmütig, und was sie heute beschließen, ist morgen vergessen«. Er fürchtete daher, »wenn sie nicht in diesem Sommer die Segel setzen, wird die Reise – da der Winter ja eine gefährliche Zeit ist für die Seefahrt – wohl bis zum nächsten Sommer aufgeschoben werden«. Seine Befürchtung sollte sich als Prophezeiung erweisen. Sechs Wochen später teilte Karl seinem Bruder Ferdinand zwar mit: »Ihr könnt Euch das Verlangen und den Eifer nicht vorstellen, die mich erfüllen«, nach Spanien zu kommen, und versprach ihm, dass »Ihr der Erste sein werdet, der den Platz oder Hafen erfährt, wo wir anlanden werden«. Vorerst jedoch, fügte Karl hinzu, »können wir nicht ganz sicher sein: Gott und das Wetter werden es entscheiden.« Im Oktober 1516 entschuldigte er sich abermals bei Ferdinand, dass »gewisse sehr dringliche Angelegenheiten sich eingestellt haben, sodass ich zum Schutz all der anderen Königreiche und Herrschaften, über welche die Katholische Königin – meine Mutter – und ich herrschen, meine Reise bis zum Frühjahr aufschieben muss«. Im März 1517 ließ Karl dann tatsächlich in Middelburg eine Flotte zusammenziehen – in demselben Hafen, von dem aus seine Eltern elf Jahre zuvor nach Spanien aufgebrochen waren.36
Manrique vermutete, dass der eigentliche Hauptgrund für die Verzögerung die Notwendigkeit war, Karls burgundisches Erbe für die Zeit seiner Spanienreise gegen die Gefahr einer Invasion zu schützen, und der Bischof nannte auch gleich drei potenzielle Feinde: England, Frankreich und Geldern. Der Erste von ihnen sollte sich am einfachsten besänftigen lassen: Schon im April 1516 unterzeichneten Abgesandte Heinrichs VIII. in Brüssel einen Vertrag, mit dem bestehende Handelsstreitigkeiten beigelegt wurden; außerdem versprachen die Engländer Karl ihre Unterstützung, sollte irgendjemand während seiner Abwesenheit in die Niederlande einfallen. Heinrich sicherte Karl außerdem zu, in England willkommen zu sein, sollte seine Flotte auf dem Weg nach Spanien einen sicheren Hafen brauchen. Der Abschluss eines vergleichbaren Abkommens mit Frankreich erwies sich als deutlich schwieriger: Die im Mai in der picardischen Stadt Noyon begonnenen Verhandlungen scheiterten zunächst daran, dass beide Parteien Anspruch auf das Königreich Neapel erhoben, wurden im August jedoch wieder aufgenommen. Franz (der sich nun »König von Frankreich, Herzog von Mailand und Herr von Genua« nannte) entband Karl zwar von seiner Verpflichtung, Renée zu heiraten, erlegte ihm aber stattdessen auf, seine eigene kleine Tochter Luise zur Braut zu nehmen. Zu deren Mitgift sollte dann auch der Anspruch der französischen Krone auf Neapel gehören. Bis zur Hochzeit sollte Karl einen jährlichen Tribut von 100 000 Kronen für jenes Königreich zahlen, wodurch er die Rechtmäßigkeit des französischen Anspruchs natürlich eingestanden hätte. Der im August unterzeichnete Vertrag von Noyon verpflichtete Karl zudem, dem von Ferdinand vertriebenen König von Navarra (einem Verbündeten Frankreichs) »Genugtuung zu leisten«, und zwar binnen acht Monaten nach seiner Ankunft in Spanien und »in einem Umfang, den er selbst nach gründlicher Betrachtung der Ansprüche [Navarras] für gerecht erachtet«. Im Gegenzug gelobte Franz, niemals einem Feind Karls Hilfe zu gewähren. Zweifellos sahen Chièvres und Le Sauvage (als persönlich anwesende Unterhändler) gewisse Zugeständnisse mit Blick auf die entlegenen Territorien von Neapel und Navarra als durchaus vertretbar an – als einen kleinen Preis dafür, dass die Niederlande sicher sein würden, während Karl unterwegs war, um seine Autorität über Spanien und den damit verbundenen Besitz in Übersee zu festigen. Auf dem Papier zumindest erschien Karls Verpflichtung, dereinst Claude de France zu heiraten, als das größere Risiko, da die Prinzessin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kaum ein Jahr alt war. Das bedeutete, dass Karl unter Umständen erst in den 1530er-Jahren einen rechtmäßigen Erben würde zeugen können. Aber vielleicht rechneten die Unterhändler ja damit, dass man von diesem Teil des Abkommens später noch würde zurücktreten können, ganz so, wie Ludwig XII. von seiner Verpflichtung zurückgetreten war, Karl seine Tochter zur Frau zu geben.37
Der Vertrag von Noyon stieß Karls englische Verbündete vor den Kopf: »Der König von Kastilien, durch sein reiches Erbe der größte und mächtigste Fürst, den die Welt seit fünfhundert Jahren gesehen hat … wird nun wohl nach der Pfeife des französischen Königs tanzen«, unkten Heinrichs Diplomaten. Außerdem habe »der besagte französische König es sich in den Kopf gesetzt, dass es in ganz Italien niemanden geben solle, der ihm überlegen oder auch nur gleichrangig sei«, weshalb er sich vermutlich sowohl Neapel als auch das Papsttum untertan machen werde. Schlimmer noch: Franz habe beteuert, dass »die Krone des [Heiligen Römischen] Reiches recht eigentlich in das Haus Frankreich gehörte, wofür er auch sorgen wolle, wenn es sich machen ließe« – und der jüngst geschlossene Vertrag ließ ein solches Ergebnis wahrscheinlicher werden. Die Engländer СКАЧАТЬ