Название: Traumprotokolle
Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783866747807
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– langes Hin und Her in einer Wohnung, in der auch Julia ist, es geht um Essen-Kochen, aber auch Aufstehen, Organisieren, und ich verabrede mich mit Julia für den Abend, weil mich erst ein Typ mit zu Greenpeace nehmen will, von wo sie mich dann abholen will, und wir fahren lange durch bergiges Gelände, eine raue Landschaft, bei der auch ein paar Häuser wie ein Dorf aussehen, nur rechts und links der steilen Schotterstraße, bis wir zu einem gewaltigen Bergfluss kommen, vor dem eine Eisengittertreppe, schmal und mit nur zentimeterhohem Geländer, hoch geht, wie in den Himmel, direkt oben irgendwo knickt sie ab ins Waagerechte, und an der Beuge, hunderte von Metern über dem Fluss, wird die Treppe zur Brücke, ein betonierter, schmaler Weg mit Geländer an dem wir uns festhalten, es ist noch ein Dritter dabei, der sich auch mit flauem Gefühl im Magen festhält, aber der, der mich hinbringt, balanciert sogar halb auf dem Geländer, bis endlich das Ufer kommt, ich mich sicherer fühle, die Eisenkonstruktion dieser Brücke bewundere, und dicht danach ist auch das Greenpeace-Haus, das, erhöht auf dem Berg stehend, seinen Eingang durch ein Klappe nach unten hat, die geöffnet wird, und eine Frau streckt einen Zettel heraus, auf dem steht: »ich bin Sprachtherapeutin und sprachbehindert – trage deinen Namen ein« – ich denke noch, dass es ja vielleicht praktisch ist, wenn sie selbst das Problem kennt, das sie therapiert, aber nachdem ich den Zettel mit meinem Namen hochgereicht habe, gibt es oben eine lange Debatte, ob ich rein darf, ein blöder, arroganter Typ mischt sich ein, eine pickelige Frau, die Assistentin ist, und schließlich verkündet der Typ, dass ich nicht rein dürfe, angeblich »keine Zeit«, sehr schroff, und ich bin sauer, merke schon, dass es eine Sekte ist hier, betone, dass ich über diesen unfreundlichen Empfang publizistisch berichten werde, was den Schnösel leicht verunsichert, und vor allem meinem Begleiter ist es peinlich, ich sage, Sekten seien eben Sekten, und er seufzt: »es sind eben alles Ankläger hier oben«, ist also zwar kritisch, aber der Sekte hörig –
– in einer loftartigen Wohnung habe ich Krach mit Nata, worin sich viele Leute einmischen, sie höhnt auf mich, ich bin stinksauer, da kommt auch noch eine Olle vom Goethe-Institut und will was besprechen, während die anderen alle leckere Nudeln essen, ich aber nur mit einem Brot in der Hand ankomme und gnädig auch was von den Nudeln abbekommen soll, und die Frau vom Goethe-Institut hat einen Mann dabei, der eine riesige Decke mitgebracht hat, wirklich mehrere Quadratmeter groß, und dazu Bettbezüge aus Papier, die man danach wegschmeißen kann, aber der Krach mit Nata geht weiter, ich will abhauen, sie heult, hat Hunger, weswegen ich ihr an einer Kebab-Bude einen bestelle »wahed kebab«, sage ich, muss ich aber die Geschichte aufschreiben, die ich eben zwischendrin erlebt habe, und die als Story erzählenswert wäre: ein Typ hat Krach mit seiner Frau und allen, die noch dazu gehören, aber sie versuchen alle, ihn zu sich rüberzuziehen, sie wissen, was los ist, und er soll bloß mitmachen, dann ist der Krach auch vorbei und alles sei gut, aber der Typ weiß, dass er den »Wissenden« nicht glauben darf, und auf jeder höheren Etage wiederholt sich das gleiche Spiel, und er steigt immer höher, während sie ihn zurückholen wollen, aber er bricht auch oben aus dem Dach – und wird dort von freundlichen Leuten aus dem Boden, aus der Erde geholt, und es ist sofort klar: das ist die befreite Welt und es ist tatsächlich so, dass sie kaum anders aussieht als die bekannte, aber ihre Ausstrahlung ist sofort ganz anders, man sieht eine hügelige Landschaft mit ein paar Häusern, eher Schwarzwald-artig, und er/ich falle auf die Knie vor Freude und Dankbarkeit – aber dann rauche ich mit anderen Roadies einen Joint, was die Sache abmildert, der Krach ist mir egal und danach soll die Band in einem verglasten Raum auf dem Dach spielen und ich frage, ob man dann auch alles hört, aber die anderen sind sich dessen gewiss und bauen schnell auf –
– in einiger Entfernung stürzt ein Flugzeug ab, die Flügel sind schon abgebrochen, es sieht aus wie eine abstürzende Rakete, und ich denke: ›Endlich sehe ich mal, was ich sonst nur träume‹, und im selben Moment fällt mir ein, dass dort ja ein Atomkraftwerk steht: was, wenn das Flugzeug darauffällt, und alles ist verstrahlt, soll ich fliehen?, wohin?, wie weit? –
– ich gehe mit Fips zum Friseur in Englschalking gegenüber der Kirche, und weil ich nackt bin, binde ich in letzter Sekunde ein Handtuch um die Hüften, bevor wir uns beim Friseur umständlich Plätze suchen, der Friseur will uns interviewen, um eine Verhaftung zu verhindern, und während Lampen geholt werden, gibt es draußen Tumult, wir rennen raus, und sehen, wie ein Lastwagen voller Verhafteter vorbeifährt, zum Teil hängen sie draußen an Gestängen, werden abtransportiert, und ich packe Hasenfratz am Kragen, schüttle ihn und schreie ihn an: »genauso läuft es, dass hinterher wieder alle sagen, sie hätten nichts gewusst«, aber Hasenfratz sieht mich nur entgeistert an, und als wir wieder drinnen auf unseren Friseurstühlen bereit zum Interview sitzen, kommen schwarz gekleidete Bullen und tragen riesige Lampen rein, wonach mein Interview sofort beginnt, aber der Interviewer versteht kein Deutsch, ich seine Sprache auch nicht, es dauert ewig, bis ich seine Fragen, beziehungsweise er meine Antworten versteht, und ich sage mehr oder weniger das Übliche, und als danach Fips dran kommt und zu den Behinderungen der Tiere des Bundeskanzlers was sagen soll, tut er mir leid, weil er immer nur den Betroffenheitsstatus bekommt –
– ich liege hinten im Flugzeug bei einer Frau, die ich besänftige, damit sie einschlafen kann, und als sie schläft, stelle ich fest, dass wir uns schon im Landeanflug befinden, und setze mich ein paar Reihen weiter vorne zu Angelika Müller, die sich sehr reserviert mir gegenüber verhält, fast scheu, dauernd auch zum Fenster rausschaut, wobei mich langsam wundert, wie lange die Landung dauert, immer noch fliegen wir dicht über dem Boden, und jetzt auch schon bei der Stadt, ich sehe ganz deutlich Hinterhöfe von Wohnhäusern, Wäsche, Leute, Autos, nur noch ein paar Meter unter uns, und dann sind wir sogar unter einer Elektroleitung, ich weiß gar nicht, wie der Pilot da wieder raus will, beziehungsweise kann, und dann wird durchgesagt, dass das Flugfeld in Düsseldorf voller Erbsen ist, und wir deshalb nicht landen können, es aber in der Innenstadt von Düsseldorf schon vorbereitet wird, dass wir kommen, und trotzdem dauert es und dauert es, bis wir endlich landen, dicht zwischen dunkelbraunen Hochhäusern entlang, wobei ich mich frage, warum die Flügel nicht daran streifen, hinten kotzt eine Frau, und der Steward, der einen weißen Kittel wie ein Pfleger trägt, stellt eine Leiter weg, woraus ich schließe, dass es jetzt wohl bald so weit sein wird, und tatsächlich landen wir dann auch, und als die Leute aufstehen, beginne ich zu klatschen, weil es ja nun schon eine Meisterleistung war, was der Pilot da geschafft hat, und die anderen Passagiere fallen ein; draußen sind Kaffeeautomaten aufgestellt, und ich genehmige mir einen, obwohl das Schlafprobleme geben könnte, aber dann sagt einer, dass es auf der anderen Straßenseite ja ein richtiges Büfett gibt, wo ich natürlich sofort hingehe; es ist in einem rechten Winkel aufgebaut, zartes Fleisch, wie Gänsebrust, die man auf einem Stück Brot zusammenschieben kann, der Kellner, der ausgibt, lacht, und ich weiß nicht, ob es verächtlich oder anteilnehmend ist, ich packe an den anderen Stellen so viel auf die Teller, dass ich alles kaum halten kann, will aber dann mit allem zurück zu dem Kaffeeautomaten, wo Nata ja auch sein müsste, aber dazu muss ich durch unterirdische Gewölbe, und ich finde den Weg nicht mehr genau, geradeaus endet er, beziehungsweise mündet er in einen unterirdischen Bahnhof, einfach leere Gleise, und zurück an der Kreuzung treffe ich Wolfgang Stein auf dem Motorrad; das Vorderrad quergestellt sitzt er in der Mündung eines dieser Gewölbe und schimpft gegenüber zwei Typen, die da sitzen, auf Peymann, wie doof der sei, aber dann weist er mir den Weg, und ich laufe durch diese Gewölbe, in denen auch verkauft und gearbeitet wird, ein Schuhmacher, ein Schneider, auch noch hinten, also hinter den Läden, kann man Werkstätten sehen, im Grunde wie Suqs5, unglaublich eigentlich, dass es hier mitten in Düsseldorf Suqs gibt, was beweist, dass die Kulturen gar nicht so weit auseinander liegen, und das muss ich unbedingt Nata erzählen –
– auf dem Gang durch die Berge komme ich im Tal zu einem Haus, in dem zwei Typen sind, die mich kennen und mit denen ich auch rede, aber ich will weiter, fahre mit dem Mofa den Berg hoch, die Straße ist vereist, überall am Rand und im Tal wird gebaut, und die Entgegenkommenden rasen den Berg hinab und drängen mich an die Seite, oben schau ich mich erstmal СКАЧАТЬ