Название: Krimi Jahresband 2020 - 11 Spannungsromane in einem Band!
Автор: Frank Rehfeld
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212471
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Strother Lynch ließ grinsend den schweren Stuhl sinken. Doc Caan! Das war natürlich etwas anderes. Gegen den für seine Begriffe leicht vertrottelten Mediziner hatte er nichts.
Er drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Es war tatsächlich der Arzt. Seine Miene drückte Ratlosigkeit aus, als er sich erkundigte: „Warum schließen Sie sich denn ein, Mister Lynch? Glauben Sie etwa auch an diesen angeblichen Killer, den uns Mister Stanley einreden möchte?“
Lynchs Augen wurden eng.
„Warum sehen Sie mich denn dabei so merkwürdig an?“, fauchte er. „Ich bin kein Mörder.“
Doc Caan hob beschwichtigend die Hand.
„Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig. Wenn mir auch, mit Verlaub gesagt, der Grund Ihrer Anwesenheit auf dieser Ranch sehr fragwürdig erscheint. Aber das ist nicht meine Angelegenheit. Solange Mister Stanley Sie duldet, wird es schon seine Richtigkeit haben.“
Die Augen des Jüngeren blitzten böse, als er konterte: „Und Sie? Können Sie mir vielleicht einen vernünftigen Grund nennen, warum Sie noch immer hier sind? Mister Stanley braucht keinen Totenschein. Warum reisen Sie nicht endlich wieder ab?“
Der Arzt verzog gekränkt sein Gesicht.
„Soll ich etwa laufen? Was glauben Sie, warum ich den Rancher suche? Ich will von ihm verlangen, dass er mich zum Flughafen bringen lässt.“
„Dann lassen Sie sich nicht aufhalten. Meistens hält er sich neben dem Kamin auf, obwohl darin gar kein Feuer brennt.“
Der Doc bedankte sich für den Tipp und wollte sich zurückziehen. Strother Lynch hielt ihn am Arm fest.
„Wissen Sie, was der Detektiv aus New York hier will?“
Doc Caan nahm seine randlose Brille ab und putzte sie umständlich. Danach setzte er sie wieder auf die Nase und meinte: „Detektiv? Ich habe keine Ahnung. Ist ein Detektiv eingetroffen?“
„Er heißt Reiniger. Ich kenne ihn flüchtig. Ich meine, ich habe schon von ihm gehört. Was sucht er hier?“
„Vermutlich Stanleys Mörder.“
„Blödsinn!“
Der Doc warf Lynch einen zweifelnden Blick zu, als ob dieser nicht ganz richtig im Kopf wäre. Dann entfernte er sich.
Strother Lynch trat noch einmal ans Fenster, aber Reiniger war nicht mehr zu sehen. Auch Jim hatte die Axt beiseite gelegt und war verschwunden.
Lynch kratzte sich unschlüssig am Kopf. Dann verließ auch er das Zimmer.
6
Bount lauschte. Alles war still im Haus. Er musste diesen Strother Lynch aufspüren. Es war kein angenehmes Gefühl, den Burschen hinter seinem Rücken zu wissen. James Stanley hätte ihm dessen Zimmer zeigen können, doch der Rancher ließ sich nicht mehr blicken. Also wandte sich Bount zur Küche, aus der lebhafte Geräusche und eine melancholische Melodie klangen.
Die Tür stand offen. In der Küche agierte eine beleibte Negerin, die völlig in Gedanken versunken war, denn sie bemerkte den Neuankömmling nicht. Sie sang ein altes Spiritual. Ihre Stimme klang weich und traurig. Dazu klapperte sie mit einer Vielzahl von Töpfen und fuhr erschrocken herum, als Bount sich diskret räusperte.
Sie ließ einen Topf scheppernd fallen und griff nach einem breiten Messer, mit dem sie kurz vorher anscheinend ein Huhn geschlachtet hatte.
„Jesses!“, rief sie, und ihre wulstigen Lippen zitterten. „Haben Sie mich erschreckt.“
„Schlechtes Gewissen?“, fragte Bount lächelnd und ließ das Messer nicht aus den Augen.
Tessa wurde immer verwirrter. Sie wischte sich die feuchten Hände an der nicht mehr ganz sauberen Schürze ab und verbarg sie hinter ihrem Rücken. Mitsamt dem Messer.
„Wer … wer sind Sie, Sir?“
„Ein Gast Mister Stanleys. Kochen Sie nicht zu wenig! Ich habe einen Mordshunger.“
Wieder erschrak die Schwarze.
„Sagen Sie nicht so etwas“, bat sie vorwurfsvoll.
„Aber es ist nun mal Tatsache. Ich bin hungrig. Ich habe eine weite Reise hinter mir.“
„Mordshunger ist ein böses Wort“, beharrte Tessa. „Es macht mir Angst.“
Erst jetzt verstand Bount. Die Gute hatte ihn ein wenig zu wörtlich genommen. Er grinste.
„Nun, hübsche Köchinnen verspeise ich nur im Notfall“, erklärte er beruhigend. „Ich wollte eigentlich zu Mister Lynch. Ich schätze, da bin ich hier falsch.“
„Es sind eine Menge Leute hier, die nicht hergehören“, erwiderte Tessa unwillig. Zweifellos meinte sie damit auch ihn.
Er hatte versäumt, den Rancher genauer über sein Personal zu befragen. Tessa und Jim machten jedenfalls einen reichlich abenteuerlichen Eindruck. Falls Stanley sie nicht gut behandelte, war es durchaus denkbar, dass sie den Drang verspürten, sich gegen ihren Herrn aufzulehnen.
„Würden Sie mir, bitte, sein Zimmer zeigen?“, bat er.
„Ich kann jetzt nicht weg“, antwortete sie brüsk. „Das Essen muss pünktlich auf dem Tisch stehen. Mister Stanley kann sonst sehr ungehalten werden.“
Bount ahnte, dass er in diesem Haus wenige Freunde finden würde. Aber musste deshalb gleich jeder ein Mörder sein?
Er fragte sich zum Beispiel, ob Tessa Gelegenheit gehabt hatte, in Rapid City ihren Herrn mit einem auf ihn zurasenden Auto zu bedrohen. Stanley hatte ihm im Vorbeifahren die Stelle gezeigt.
Wahrscheinlicher war, dass die Haushälterin überhaupt nicht mit einem Kraftfahrzeug umgehen konnte. Allerdings war nicht auszuschließen, dass sie sich mit Jim verbündet hatte. Vielleicht konnte er diese Frage gleich an Ort und Stelle klären.
Bount hielt seine Hände so, dass Tessa sehen konnte, dass er keine Waffe darin hielt. Langsam näherte er sich ihr, und sie wich schrittweise zurück.
„Ich habe zu arbeiten!“, stieß sie heftig hervor. Sie drehte sich um, legte das Messer so neben sich, dass sie es jederzeit erreichen konnte, und zog einen Topf, in dem es brodelte, vom Herd.
„Ich heiße Reiniger“, stellte sich Bount vor. „Ich bin hier, um das ...“
Weiter kam er nicht. Tessa stieß mit einem schrillen Aufschrei den Topf vom Herd, und Bount konnte sich gerade noch durch einen beherzten Sprung vor dem kochenden Wasser in Sicherheit bringen. Die Schwarze starrte ihn entsetzt an. Abwehrend hob sie ihre Hände. Dann rannte sie aufheulend davon.
Bount folgte ihr nicht. Er ahnte, was die Frau in Wirklichkeit so erschreckt hatte. Auch ihm war der Schuss nicht entgangen. Und anschließend hatte jemand geschrien. Dieser Schrei war ihm durch Mark und Bein gegangen.
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