Название: Thriller-Paket 11 Krimis Juni 2020 Sammelband 11002
Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745212617
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Unterdessen sprach Waldmüller über die Bilanzverluste, die durch fehlerhafte Abgrenzungen entstehen könnten. Er hob die Hand und zählte an den Fingern ab, wo im Falle der Firma Quast die Verluste hergekommen sein könnten.
Abel interessierte das nicht. Nur, dass Insolvenz drohte, war wichtig. Er sagte: »Und als Sie die Maschine geliefert haben, haben Sie nichts geahnt?«
»Exakt! Sonst wär ich ...«
»Ja, ja.« Abel wollte die Verträge und Lieferscheine sehen. Waldmüller packte aus. Sein bordeauxroter Koffer riss das Maul auf und gab die Papiere frei. Es roch für einen kurzen Augenblick nach Leder. Abel sagte: »Mal sehen, wie wir an die Maschine rankommen.« An Geld wagte in einer wirtschaftlichen Situation wie dieser keiner zu glauben. Man musste den Eigentumsvorbehalt an der Maschine geltend machen.
Abel begann die Dokumente zu lesen, und Waldmüller klopfte sich einen Zigarillo zurecht, schlug die Beine übereinander und ließ den Blick in der Kanzlei umherschweifen. Er begann zu rauchen, ohne Abel zu fragen.
*
Sie hatten Gretchen für die Nacht fertig gemacht, es nicht gewaschen, aber ihm eines von den Krankenhausnachthemden übergestreift. Zur Kreislaufkontrolle war Gretchen an einen Monitor angeschlossen. Sie schlief jetzt, gegessen hatte sie nichts, nur apathisch alles mit sich geschehen lassen. Der kleine Körper lag nun auf der Seite, die Bogenspannung hielt an. Natürlich konnte jetzt noch keine Wirkung der Medikamente festgestellt werden.
Käthe saß auf einem hölzernen Besucherstuhl und blätterte in zerlesenen Zeitschriften, die uralt waren, deren Inhalt vergessen und verjährt war. Wie schnell die Zeit oft wegflutschte, dachte sie. Und wenn dem Kind was passierte? Was dann? Vier Jahre hatte Käthe ihr Gretchen schon gehabt. Wie das Kind jetzt gebogen und fiebrig dalag! Aber es konnte alles wieder normal werden. Alles. Und wenn nicht? Ob die Erinnerung an Gretchen auch mal verjährte? So ein Menschengedächtnis reicht nicht sehr weit. Aber das Herz? Käthe begann, verstohlen zu weinen, verstohlen, obwohl sich niemand in der Nähe befand. Sie sagte sich, dass sie sich zusammennehmen müsse. Was sollte es denn helfen, wenn sie jetzt den Kopf verlor?
Sie musste an Gretchens Vater denken, wie er geschaut hatte, als sie ihm erzählt hatte, dass da was Kleines unterwegs war. Sie hatte es so sachlich zu sagen versucht, wie es bei großer Anstrengung möglich war, in einem Stadtbistro im Glockenbachviertel mit hellem Licht und mäßig besetzten Tischen. Vormittags. Es war eine nüchterne Stunde voller ängstlicher Nervosität. Einer anderen Nervosität als jetzt. Ja, ich bin schwanger, hatte sie gesagt, und dann gleich darauf, dass sie jetzt mit dem Rauchen aufhören würde. Nicht nur, weil's der Arzt geraten hatte, sondern auch dem Kind zuliebe.
»Von wem?«, hatte er gefragt. Sofort kamen ihr Zweifel.
»Von dir«. Ein langer Blick, den Käthe aushielt. Knut Singer wusste, dass Käthe keine Frau war, die sich mit einem anderen Mann einlässt, wenn sie verliebt ist. Nicht, dass er von ihr weggerückt wäre oder dass er ihr vorgeworfen hätte, dass sie, Krankenschwester zumal, unfähig gewesen war, gegen so einen Fall Vorsorge zu treffen. Aber sie hatte es seinen Augen angesehen, wie er im Kopf schnell durchkalkuliert hatte, wie er am besten aus dieser Sache herauskommen könnte, und was bestenfalls und schlechtestenfalls die Folgen wären. Knut war gut im Rechnen, das hatte Käthe immer an ihm gefallen. Ein nüchterner Mann, Prüfingenieur für Aufzuganlagen beim TÜV Bayern. Als er fertig war und die Resultate bewertet hatte, sagte er: »Ich zahle die Abtreibung. Geh in eine gute Klinik. Egal was es kostet, ich zahl's.«
»Nein«, hatte sie urplötzlich geantwortet, spontan und ohne noch einmal gründlich nachzudenken, obwohl sie schon einen Termin gehabt hatte, um das Kind abtreiben zu lassen. »Nein, ich behalte es.«
»Und ich finanzier's dann?« Es war eine Knut-Singer-Frage gewesen. »So kann man doch nicht entscheiden!«
»Doch«, hatte Käthe aus Trotz geantwortet.
Der Kellner war gekommen und hatte gefragt, ob man noch was trinken wolle. »Nein«, hatten sie beide abgewunken. So hatten sie eine Zeit lang dagesessen, hatten hinausgestarrt durch die klar geputzten Scheiben auf den grauen Straßenverkehr, das ständige Aneinandervorbeihasten, und Käthe hatte geglaubt, dass alles geklärt wäre. Dabei hatte sie sich über sich selbst gewundert, dass sie den unwiderruflichen Entschluss gefasst hatte, dass das Kind bleiben solle. Sie war im Sternbild des Widders geboren worden, und man wusste ja, dass Widder ihre Entschlüsse durchbrachten. Sie sah Knut in die Augen. Er wich ihr nicht aus.
»Überlege es dir, dein ganzes Leben ist verpfuscht.«
»Mein Leben?«
»Ja.«
Klarer konnte ein Mann in einer solchen Situation nicht zum Ausdruck bringen, dass er außer Alimente keine Verantwortung für ein Kind übernehmen würde.
So war die Existenz Gretchen, als sie noch äußerst zerbrechlich gewesen war, beschlossene Sache.
Singer hatte später noch auf sie eingeredet. Natürlich hatte das keinen Zweck mehr gehabt. Sie hatte dann so getan, als müsse sie mal raus aufs Klo, hatte aber beim Kellner die Frühstücksrechnung beglichen. Für beide. Dann war sie ohne Gruß hinaus auf die Straße gegangen. Und Knut hatte es noch nicht einmal bemerkt, weil er am Zigarettenautomat stand und in der Hosentasche nach Kleingeld suchte.
Käthe hatte nicht mit dem Rauchen aufgehört. Sie hatte Singer noch einige wenige Male getroffen. Förmliche Termine mit förmlichen Fragen nach dem Wohlbefinden beider. Mutter und Kind. Die Zahlungen nach der Geburt kamen pünktlich. Und zu jedem Geburtstag Spielsachen und eine Karte von Singers Mutter.
*
Käthe verließ Gretchens Zimmer und trat auf den Balkon am Flurende hinaus. Sie blickte über die nächtlich ruhige Straße und die kurze Schlange mit Taxis vor dem Haupteingang. Die Zigarette tat ihr jetzt gut, besänftigte ein wenig die Angst. Im blauen Nachthimmel flackerte der Mond zwischen den dahinziehenden Wolkenrudeln. In den Ästen der Pappeln im Krankenhauspark wühlte der warme Südwestwind. Es rauschte und wehte überall. Die Glut an der Spitze ihrer Zigarette funkelte hellrot. Hinter sich hörte sie ein Kind schreien und wimmern. Obwohl sie wusste, dass es nicht Gretchen sein konnte, schnippte sie die Kippe über das Balkongeländer und eilte zurück.
*
Abel erläuterte dem Mandanten Waldmüller die Rechtslage: Die Maschine sei so lange Waldmüllers Eigentum, bis der Kaufpreis vollständig bezahlt worden wäre. Definitiv.
»Weiß ich«, knurrte Waldmüller dazwischen. »Dafür braucht man keinen Anwalt.«
»Bloß kann man mit seinem Eigentum in so einem Fall nicht so verfahren, wie man will«, fuhr Abel ungerührt fort, »der Käufer hat ein Recht zum Besitz und zur Benutzung ...«
»... wenn er zahlt.«
»Ja«, antwortet Abel, »aber zahlen muss man erst bei Fälligkeit. Und im Augenblick ist nichts fällig. Das ist der Casus!«
»Und meine Maschine bin ich los?«, fragte Waldmüller. Man konnte Panik in seiner СКАЧАТЬ