Wir sind die Bunten. Erlebnisse auf dem Festival-Mediaval. Bernhard Hennen
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Название: Wir sind die Bunten. Erlebnisse auf dem Festival-Mediaval

Автор: Bernhard Hennen

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783862827657

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СКАЧАТЬ ich in der benachbarten Flüchtlingsunterkunft einen Mann zur Musik von Irxn auf dem Balkon tanzen. Die Münchner Formation spielt Folkrock mit Texten auf Bayrisch, aber der Mann auf dem Balkon genoss einfach die Musik, ohne ein Wort zu verstehen, und zauberte mir damit ein Lächeln ins Gesicht.«

Bild

      © Jo Fischer

      Stefanus Rex

      Stefanus Rex, bürgerlich Stefan Sacharjew, erblickte 1981 das Licht der Welt im fernen Sofia, wuchs in und um Berlin auf. Seit 2006 ist er Mitglied von Corvus Corax. Schon beim ersten Festival-Mediaval 2008 durfte er auf der Bühne stehen. Seitdem war er mit Corvus Corax und Berlinksi Beat regelmäßiger Gast. Das Festival-Mediaval gehört für ihn eindeutig zu den Höhepunkten der Festival-Saison. Stefanus, studierter Historiker, frönt neben der Musik auch seiner zweiten Leidenschaft: dem Schreiben. In seinen satirischen Texten verarbeitet er mit einem Augenzwinkern die Geschehnisse des Alltags. Derzeit schreibt er an seinem Debütroman.

      www.stefanusrex.blogspot.com

      Schwurbel I. – König aller Reptiloiden

      Wie Sie mich hier bei Naseweis sitzen sehen, trinke ich grad mein fünftes Bier. Ich habe mein Konzert schon gespielt, da ist das nicht so schlimm.

      Aber warum tue ich das, fragt sich der ein oder andere jetzt. Tja, Ich hatte eine Begegnung der dritten oder vielleicht auch eher der vierten Art.

      Es geschah auf dem Weg hierher nach Selb zum Festival-Mediaval. Auftritt mit meiner Band. Immerhin sind wir seit dem ersten Festival dabei und immer wieder gerne hier.

      Ich saß also hinten in einem Taxi und tippte geschäftig auf meinem Handy hin und her.

      Es folgte eine, Stunden später noch immer nachhallende, Fahrt durch die Welt der geistig Erwachten oder meiner Meinung nach eher geistig Eingebrochenen.

      »Sie sollten nicht so viel mit dem Handy rummachen …«

      Ich ignorierte den Fahrer, er sollte mich ja schließlich nur vom Hotel zum Festplatz chauffieren und mir nicht erklären, wie ich mein Leben zu leben hätte.

      Ich hatte jedoch nicht mit der Beharrlichkeit dieses Herren gerechnet.

      »Sie sollten nicht so viel mit dem Handy rummachen«, wiederholte er. »Die Strahlung unterbricht die Verbindung zu Ihrem Schawarma.« Nun schaute ich doch auf. »Was für ein Falafel?«

      »Schiwuma! Ihr spiritueller Begleiter in dieser Welt.«

      Erst jetzt schaute ich mir den Herren genauer an. Ein Mann, Mitte 50, schütteres blondes Haar, Bierbauch und eine Brille aus den 80ern.

      »Sehen Sie, es verhält sich nämlich so …«, startete Schawarma. »Der Schiwuma reinigt Ihren Geist. Er ist eine Art Engel, den Jesus auf unsere Welt geschickt hat, als die Erde in fremde Hände fiel.«

      Ich wollte nicht zuhören. Wirklich nicht. In diesen Zeiten sprudelte der Schwurbel nur so aus den Leuten heraus, als hätte man einen Damm eingerissen. Und wie ein Dammriss fühlte sich diese Situation gerade an.

      Ohne mein Augenrollen zu bemerken – oder er ignorierte es einfach – fuhr Schawarma fort: »Wissen Sie, warum der Virus Corona heißt? Das kommt vom lateinischen Wort für Krone. Es soll die Krönung des Werkes der Feinde Gottes sein.«

      »Meinen Sie Reptiloide?«

      Er lachte auf. »Haha. Nein, wer glaubt denn bitte an sowas? Das ist ja verrückt. Wer von Reptiloiden spricht, der meint auch, die Erde wäre eine Scheibe.« Ich sah ihn durch seinen Rückspiegel grinsen und spürte einen Hauch von Erleichterung.

      Dann wurde sein Gesicht plötzlich beängstigend ernst. »Nein, ich meine die Rothschildler, dämonische Wesen aus dem Oriongürtel.«

      Ich wollte antworten, dass das gar nicht verrückt klingen würde, aber ich brachte kein Wort heraus, da Schawarma bereits fortfuhr: »Die kamen nämlich bereits im Mittelalter, also genauer gesagt im 17. Jahrhundert, auf die Erde.«

      Ich erwiderte, dass das 17. Jahrhundert nicht mehr zum Mittelalter gehöre.

      »Ja, das will man Sie glauben lassen, um die Ankunft der Rothschildler zu verschleiern. Die Deutschen waren die einzigen, die sich immer wieder gewehrt haben. Aber wir haben die Kriege verloren.«

      »Sie meinen die Weltkriege?«

      »So nennen das nur fremdbestimmte Systemler. Wir Erwachten nennen sie die Widerstandskriege.«

      Ich begann, nervös auf meinem Handy rumzutippen, in der Hoffnung, er würde mich in Ruhe lassen. »Ich sage Ihnen, das schadet nur. Außerdem ist mein Taxi isoliert, Sie dürften keinen Empfang haben«.

      Und tatsächlich, das Netz war so schlecht, dass nur noch ein kleiner Balken zu sehen war, der schien, als würde er langsam verblassen.

      »Was machen Sie denn auf dem Festival?«, erfragte Schawarma.

      Ich antwortete brav: »Ich bin mit meiner Band da. Spiele Dudelsack«, immerhin war ich nicht ohne Stolz, vor so vielen Menschen als einer der Hauptacts auftreten zu dürfen. Dieses Gefühl, welches mich durchströmt, wenn ich vor mehreren tausend Menschen auf der Bühne stehe und Musik mache. Wenn die Melodien, die ich spiele, den ganzen Platz einnehmen. Die Zuhörer vor mir bewegen sich im Takt und wir werden zu einer großen Gemeinschaft, in der es nur noch um Musik geht. Nicht um Herkunft, Beruf, Vermögen oder sonst was … nur um Musik.

      Aber ich schweife ab. »Dudelsack?« rief Schawarma aus. Das ist doch das Instrument der Feinde Gottes. Sind Sie Rothschildler?«

      Ich zuckte zusammen. »Was, wie, äh nein? Wie kommen Sie darauf, dass Dudelsack ein Instrument Ihrer Stoppschilder sei? Immerhin gibt es dieses Instrument schon länger.«

      Der Taxifahrer wurde ernster. »Rothschildler. Schlimme Wesen. Haben den Dudelsack in Schottland eingeführt und von dort ihre dämonische Musik auf die Welt gebracht. Sie sollten so ein Instrument des Bösen nicht spielen.«

      Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich wollte schnell aus dem Taxi raus.

      Es war zwar nicht mehr weit bis zum Ziel, aber wir standen nun an einer roten Ampel.

      »Ich kann Ihnen gerne Informationsmaterial mitgeben, wenn Sie wollen.« Er hielt einen Ordner aus Alufolie hoch. »Kostenlos, natürlich.« Die Ampel war immer noch rot. Waren Ampeln jemals in der Geschichte des Ampelwesens so lange rot? Oder hatte Schawarma »Schiwuma«?

      »Danke.«

      »Gerne.«

      Moment, was??? Oh Gott, es wirkt noch nach. Ich brauche mehr Bier. Also: Hatte »Schiwuma« einen Knopf, der die Ampel auf Rot hielt?

      Er drehte sich etwas zu mir und reichte den Ordner rüber. Auf dem stand mit großen Buchstaben in altdeutscher Schrift: Jesus ist dein Freund und Hitler auch.

      Nein! Hitler war nie, ist nicht und wird nie mein oder irgendeines Menschen Freund sein. Also, zumindest, wenn jemand seinen Verstand noch nicht in Rente geschickt hat. Und ob Jesus mein Freund ist, weiß ich erst, wenn er ein Bier mit mir trinken war. Persönlich.

      Ich СКАЧАТЬ