Название: Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung
Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783745205053
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"Moin", sagte der Mann hinter dem Tresen.
"Guten Tag", erwiderte Lorant und offenbarte sich dadurch gleich schon als Auswärtigen. "Eine Tasse Kaffee hätte ich gerne und irgendwas zu essen."
"Hier ist die Karte, junger Mann!"
Der Mann hinter dem Tresen reichte Lorant ein in Kunstleder gebundenes Exemplar. Junger Mann, hatte er gesagt. Lorant versuchte sich daran zu erinnern, wann zuletzt das jemand zu ihm gesagt hatte. Musste schon ziemlich lange her sein. Der gönnerhafte Unterton darin missfiel Lorant. Außerdem war der Mann hinter dem Tresen vermutlich sogar jünger als Lorant. Zumindest, wenn man nach dem Anteil der grauen Haare ging.
Lorant entdeckte eine Urkunde an der Wand. "Hiermit wird Herr Benno Folkerts zum Meerwart des Großen Meeres bestellt", stand dort unter anderem zu lesen.
Lorant deutete mit dem Finger darauf.
"Sind Sie das?"
"Jau, dat bin ik!", bestätigte der Mann hinter dem Tresen. Er grinste dabei.
"Wieso nennt sich dieser kleine See eigentlich Großes Meer? Ist doch ein bisschen übertrieben? Da könnte sich ja jede Talsperre im Sauerland mit größerem Recht Meer nennen."
Folkerts lachte kurz auf.
"Sie sind nicht von hier, was?"
"Nein."
"Junger Mann, dann hören Sie mir mal gut zu."
"Bin gespannt."
"Hier in Ostfriesland heißt ein geschlossenes stehendes Gewässer Meer. Aber das, was die Auswärtigen unter einem Meer verstehen, das heißt bei uns die See."
"Ah ja."
"Darum heißt es ja auch Nordsee hier bei uns und nicht Nordmeer."
"Nein, das Nordmeer ist ja auch bisschen woanders."
"Eben!"
"Noch eine Frage."
"Junger Mann, es gibt hier so einen Wettbewerb für die Touristen, der nennt sich Friesen-Abitur, da können Sie dat alles lernen."
Lorant schüttelte den Kopf.
Er lächelte mild.
"Nein, es geht nur um den Weg."
"Wo wollen Sie denn hin?"
"Forlitz-Blaukirchen. Ich habe kein Schild mehr gesehen."
"Junger Mann, Forlitz-Blaukirchen ist auch keine Großstadt. Fahren Sie einfach die Straße weiter, dann können Sie es nicht verfehlen."
"Danke."
"Keine Ursache."
Lorant warf einen Blick in die Karte, entschied sich nach kurzem Überlegen für ein Schwarzbrot mit Krabben. "Bringen Sie es mir an den Tisch dahinten", wies er den Meerwart an.
"Kein Problem, junger Mann!"
Wenn du noch einmal junger Mann sagst, passiert was!, durchzuckte es Lorant, obwohl ihm natürlich insgeheim klar war, dass überhaupt nichts passieren würde. Selbst dann nicht, wenn Meerwart Folkerts noch zwanzigmal junger Mann zu ihm sagte.
Während Lorant zum Tisch ging, hörte er, wie der Meerwart seinen Essenswunsch auf Plattdeutsch in die Küche hinüberrief.
Lorant setzte sich. Der Tisch, den er sich ausgesucht hatte, stand direkt am Fenster. Man konnte auf das Meer hinausblicken. Auf das Meer im ostfriesischen Sinn des Wortes.
Die Tür öffnete sich, und ein Mann in Gummistiefeln trat ein. Er schien den Meerwart gut zu kennen.
"Moin!"
"Moin, moin!"
"Dat is ein moie Weer, Benno! So ein Wetter hatten wir lange nicht."
"Letztes Jahr um diese Zeit hatten wir Frost, Harm."
"Jau, ich weiß wohl."
"Nächste Woche soll schon wieder alles anders werden."
"Ach, was die im Radio so erzählen, das trifft doch für uns hier an der Küste nie zu."
Harm beugte sich jetzt etwas über den Tresen. Benno Folkert goss ihm einen Korn ein.
"Hör mal, was ist eigentlich wegen der Sache mit Gretus Sluiter noch passiert?"
"Liest du keine Zeitung, oder was?"
"War zwei Wochen in Urlaub, Benno!"
Benno Folkert sprach jetzt ebenfalls in gedämpftem Tonfall. "Also, soweit ich weiß, ist der Fall abgeschlossen. Die Polizei war noch mal hier, hatte alle möglichen Leute gefragt."
"Aber ist wohl nix bei 'rausgekommen, wat?"
"Nee. Gretus ist wohl mit seinem Boot rausgefahren und hat den Mastbaum vor den Kopf gekriegt."
Lorant spitzte die Ohren.
Seine Auftraggeberin war Bernhardine Sluiter aus Forlitz-Blaukirchen. Die Mitinhaberin mehrerer Geschäfte in Emden hatte Zweifel daran, dass der Tod ihres Mannes tatsächlich ein Unfall gewesen war. Für die Justiz schien der Fall jedoch inzwischen mehr oder weniger den Weg auf den großen Aktenstapel gefunden zu haben.
Benno Folkerts sagte leise: "Also, was ich mich frage, ist, wieso Gretus an dem Abend überhaupt rausgefahren ist. Es war saukalt. Wirklich saukalt und außerdem gab es fast keinen Wind. Dazu stockdunkel. Niemand ist so bescheuert und fährt dann hinaus."
"Jau, da sagst du was!", stimmte Harm zu.
"Außerdem frage ich mich, wieso Gretus rausgefahren ist, ohne das Segel hochzuziehen!"
"Ja, aber wenn die Polizei das meint!"
"Man steckt da ja nicht drin!"
"Ich denke, die werden nicht gerade bei dir vorbeigekommen sein, um dir die Akten zu zeigen!"
Benno Folkerts schüttelte den Kopf, nahm sich selbst einen Korn. "Nee, das nun allerdings nicht!"
Eine weibliche Stimme schrillte aus der Küche.
Lorant konnte nicht verstehen, was sie sagte. Erstens sprach sie plattdeutsch, zweitens verhallte ihr Klang auf Grund der akustischen Gegebenheiten im Küchenbereich zu sehr. Machten wohl die gekachelten Wände.
"Ja, ich komme!", rief Benno Folkerts zurück und Lorant ahnte schon, dass es irgendwie um sein Krabbenbrot ging.
Folkerts verschwand.
Lorant bedauerte, dass das Gespräch zwischen Harm und dem Meerwart damit fürs Erste zu Ende war.
Einige Augenblicke später kehrte СКАЧАТЬ