Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
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СКАЧАТЬ großes Boot fahren? So einen Jollenkreuzer! Der ist doch viel zu groß für ihn, das kann so ein Mann, dessen beste Jahre nun inzwischen wohl auch schon vorbei sind, gar nich' bewältigen! Was glauben Sie, was für Kräfte dabei wirksam werden, wenn der Wind so richtig ins Segel haut und der Mastbaum herumschlägt?"

      Der Redefluss der Wirtin wäre mit Sicherheit noch lange nicht abgeebbt, aber in diesem Augenblick rief jemand aus dem Schankraum etwas hinauf.

      "Wir unterhalten uns ein andermal", sagte Beate Jakobs und rieb die Handflächen über das weiße Hauskleid aus Perlon, das schon fast museumsreif war. Ist wahrscheinlich genauso alt wie die Wasserleitung, dachte Lorant. Also dreißig Jahre. Immerhin hatte Frau Jakobs seitdem offenbar ihre Figur gehalten, denn die Knöpfe gingen gut zu, ohne dass es spannte.

      Sie verließ den Raum.

      "Ja, ich bin ja schon da!", rief die Wirtin die Treppe hinunter.

      Lorant ließ sich in den plüschigen Sessel fallen. Die Federn waren mehr oder weniger durchgesessen. Lorant sank sehr viel tiefer ein, als er erwartet hatte.

      Was jetzt?, dachte er, holte dabei das Kuvert aus der Innentasche, das ihm Bernhardine Sluiter gegeben hatte. Die Namens- und Adressenliste.

      Er öffnete den Umschlag, faltete das eng von beiden Seiten beschriebene Blatt auseinander. Sehr akkurat hatte Frau Sluiter das gemacht. Sie hatte eine ziemlich kleine, sehr genaue Handschrift. Die Handschrift einer Pedantin, dachte Lorant. In Bezug auf die Liste konnte ihm diese Eigenschaft seiner Klientin nur von Nutzen sein.

      Heute werde ich niemandem mehr einen Besuch abstatten!, dachte Lorant. Aber vielleicht kann ich mir ja noch den Tatort ansehen.

      Und Morgen?

      Seine erste Adresse war mit Sicherheit die von Kriminalhauptkommissar Meinert Steen.

      Lorant hoffte, dass Steen einigermaßen kooperativ war und ihn nicht als lästige private Konkurrenz betrachtete. Revierdenken war immer etwas ziemlich Unproduktives. Aber leider musste man immer wieder damit rechnen, wenn man sich mit ungeklärten Todesfällen beschäftigte.

      Lorant schloss die Augen.

      Das Gesicht seiner Frau erschien vor seinem inneren Auge. Ihr Lachen. Ihr langes, dunkelblondes Haar. Die blauen Augen.

      Lorant schluckte.

      Deinen Mörder habe ich nicht finden können.

      Leider.

      Der Witwe von Gretus Sluiter sollte es besser gehen als ihm. Dafür würde er sorgen. Seine Hände krampften sich zusammen, ballten sich zu Fäusten. Er atmete regelmäßiger. Die Vergangenheit ist nicht mehr zu ändern, dachte er. Die Zeit ist eine verfluchte Einbahnstraße, und es hat keinen Sinn, da den Geisterfahrer spielen zu wollen...

      Die Akkorde von BESAME MUCHO klangen aus dem Background seines Bewusstseins. Er mochte die mit einem Augenzwinkern gespielte Version, die Michel Petrocchiani auf seinen Solo-Livekonzerten gespielt hatte. Lorants Finger lösten sich aus ihrer Verkrampfung. Sie zuckten, begannen dann auf der Sessellehne herumzuticken. Ein wirksames Mittel gegen trübe Gedanken. Die Musik wurde lauter, rückte mehr in den Vordergrund. Lorant konnte sich ihrem Sog nicht entziehen. Er wollte es auch gar nicht. Denn, wenn er den Harmonien und Melodieläufen gedanklich folgte, dann war sein Kopf unfähig dazu, sich in der Vergangenheit zu verlieren. Eine wirksame Methode, um einen klaren Verstand zu bekommen, um alles los zu werden, was auf der Seele lastete und Lorant daran hinderte, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

      Auf den Augenblick kommt es an, dachte er.

      Die Gegenwart existiert.

      Die Vergangenheit ist ein Konstrukt der Erinnerung.

      Die Zeit ist eine Illusion des menschlichen Geistes.

      Drei Gedanken, die für Lorant so etwas wie einen Rettungsanker darstellen.

      Der Augenblick, das waren die Akkorde von BESAME MUCHO. Sonst nichts. Und über diesen Akkorden und dem furchtbar traurigen Thema begann Lorant jetzt zu improvisieren. Seine Finger tanzten über imaginäre Tasten. Sein Gesichtsausdruck wirkte eigenartig entrückt, entspannte sich jetzt sogar etwas.

      Die Augen blieben geschlossen.

      Lorant war in SEINER Welt.

      Einer Welt aus Tönen und Rhythmus.

      Wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte er ewig dort bleiben können.

      ––––––––

      5.

      "Ma, ich weiß nicht, ob es richtig war, diesen Detektiv zu engagieren!", sagte Rena Sluiter. Sie war eine attraktive Frau, Anfang dreißig, hatte langes, blondes Haar, das sie aufgesteckt trug. Die Jeans und der sehr enge Pullover, den sie trug, zeichneten die geschwungenen Linien ihrer perfekten Figur exakt nach.

      Bernhardine Sluiter betrachtete die Attraktivität ihrer Schwiegertochter nicht unbedingt mit Wohlgefallen. Das lag weniger daran, dass sie der Jüngeren die Jugend und Anziehungskraft neidete. Nein, über diesen Punkt war sie schon seit langem hinweg. Es war die Tatsache, dass ihr Sohn Ubbo von Renas Proportionen so fasziniert gewesen war, dass ihm einige wesentliche Aspekte an Renas Charakter völlig entgangen waren.

      So zumindest sah Bernhardine Sluiter die Situation.

      Sie hielt Rena für kaltherzig und narzisstisch.

      Eine egoistische Person, die in Bernhardines Augen keinen Familiensinn kannte und sich bei ihrem Ubbo ins gemachte Nest gesetzt hatte. Friseurin war Rena gewesen, als Ubbo sie kennen gelernt hatte. Dann hatte sie kurz in einer Boutique gejobbt. Sie hatte keinen Sinn für das Geschäft, so wie Bernhardine. Schon deswegen hatte Bernhardine immer gefunden, dass sie nicht die richtige Frau für ihren Ubbo war.

      Aber Bernhardine war klug genug gewesen, nicht zu versuchen, Rena ihrem Sohn auszureden. Sie wusste, dass sie gegen Renas Vorzüge letztlich kein Argument hatte. Und ihr Mann Gretus hatte sie wohl auch kaum objektiv betrachten können. Ganz im Gegenteil. Er hatte seiner hübschen Schwiegertochter nichts abschlagen können. Immerhin hatte Bernhardine es geschafft, Renas Einfluss in der Familie einigermaßen klein zu halten. Rena war eine gewisse Durchtriebenheit zu eigen, aber die war glücklicherweise noch nicht gleichbedeutend mit wirklicher Intelligenz. So sah Bernhardine das jedenfalls.

      Bernhardine saß ruhig im Sessel, beugte sich etwas vor und goss die Milch in den Tee. Dann wartete sie geduldig ab, bis sich der weiße Fleck verbreiterte und schließlich die gesamte Oberfläche des Tees einnahm.

      "Was hast du dagegen, wenn der Tod deines Schwiegervaters gründlich aufgeklärt wird?", fragte Bernhardine.

      Ihre Stimme klirrte wie Eis.

      Eine dunkle Röte überzog Renas Gesicht.

      "Ma, das ist Aufgabe der Polizei!"

      "Die hat bis jetzt ihren Job nicht allzu gut gemacht, wie du zugeben musst!"

      "Und dieser...dieser..."

      "Lorant СКАЧАТЬ