Название: Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1
Автор: Johanne T. G. Joan
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Контркультура
Серия: Das Geheimnis des Evangeliums der Essener
isbn: 9783347094482
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Während er die aramäischen Texte übersetzte, stieß er auf eine Stelle, die er aus einem Paulusbrief an die Korinther gut kannte und die in dem aramäischen Essener Evangelium beinah wörtlich zu lesen war.
„Das Hohelied der Liebe“
Durch Liebe werden der Himmelsvater und die Erdenmutter und der Menschensohn eins. Denn der Geist des Menschensohns wurde aus dem Geist des Himmelsvaters geschaffen, und sein Körper aus dem Körper der Erdenmutter. Und so liebt euren Himmelsvater, wie er euren Geist liebt. Und so liebt eure Erdenmutter, wie sie euren Körper liebt. Und so liebt eure wahren Brüder, so wie euer Himmelsvater und eure Erdenmutter sie lieben. Und dann wird euch euer Himmelsvater seinen heiligen Körper geben. Und dann werden die Menschensöhne sich wie wahre Brüder lieben mit der Liebe, die sie von ihrem Himmelsvater und ihrer Erdenmutter erhielten, und sie werden einander trösten. Und dann wird von der Erde alles Übel und alle Traurigkeit verschwinden, und es wird Liebe und Freude auf Erden geben. Und dann wird die Erde wie der Himmel sein, und das Königreich Gottes wird kommen. Und dann wird der Menschensohn in all seiner Herrlichkeit kommen, um das Reich Gottes zu erben. Und die Menschensöhne werden ihre göttliche Erbschaft teilen, das Königreich Gottes. Denn die Menschensöhne leben im Himmelsvater und in der Erdenmutter, und der Himmelsvater und die Erdenmutter leben in ihnen. Und mit dem Reich Gottes wird das Ende der Zeiten kommen; denn die Liebe des Himmelsvaters gibt sich allem Leben im Reich Gottes immerdar. Denn Liebe ist ewig, Liebe ist stärker als der Tod.
Wenn ich mit den Zungen der Menschen und Engel rede, aber keine Liebe habe, klinge ich wie Blech oder weine scheppernde Zimbel; wenn ich Kommendes voraussagen kann und alle Geheimnisse kenne und alle Weisheit, auch wenn ich so einen starken Glaube habe wie der Sturm, der Berge versetzen kann, aber keine Liebe haben, bin ich nichts. Und wenn ich alle meine Güter hergebe, um die Armen zu ernähren, und alle mein Feuer, das ich von meinem Vater erhalten habe, aber keine Liebe habe, nützt es mir nichts. Liebe ist geduldig, Liebe ist gütig. Liebe ist nicht neidisch, schafft nichts Böses, kennt keinen Stolz; sie ist weder grob noch selbstsüchtig, bleibt gegenüber Ärger gelassen und stellt sich kein Unheil vor, fällt nicht in Ungerechtigkeit, sondern erfreut sich der Gerechtigkeit. Liebe verteidigt alles, Liebe hofft alles. Liebe erträgt alles; sie erschöpft sich nie; doch Worte allein werden vergehen, und Wissen wird verschwinden. Denn wir haben teilweise Wahrheit und teilweise Irrtum, doch wenn die Fülle der Vollkommenheit gekommen ist, wird alles Unvollkommene ausgelöscht. Im Kindesalter sprach ein Mensch wie ein Kind, verstand wie ein Kind, dachte wie ein Kind; aber als Erwachsener legte er die kindlichen Dinge ab; aber noch sehen wir durch trübes Glas und durch dunkle Worte. Noch haben wir nur Teilwissen, aber sind wir vor Gottes Gesicht gekommen, werden wir kein Teilwissen mehr haben, sondern ein Wissen, wie er es uns lehrt. Und nun verbleiben diese drei:
Glaube, Hoffnung und Liebe; aber das größte davon ist die Liebe. Und nun spreche ich zu euch mit der lebendigen Sprache des lebendigen Gottes, durch den heiligen Geist unseres Himmlischen Vaters. Es gibt noch niemanden unter euch, der alles, was ich sage, verstehen kann. Einer, der euch die Schriften auslegt, spricht mit einer toten Sprache toter Menschen zu euch, durch seinen kranken und sterblichen Körper. Ihn können deshalb alle Menschen verstehen, denn alle Menschen sind krank, und alle sind des Todes. Keiner sieht das Licht des Lebens. Blinde Menschen führen blind auf die dunklen Pfade der Sünden, Krankheit und Leiden: und zuletzt fallen alle in die Todesgrube.9
Ohne sich allzu viel von der Sache zu versprechen, verglich er das Hohelied der Liebe aus dem Korintherbrief mit dem Text aus dem Essener Evangelium und stellte als erstes fest, dass der Satz, der eindeutig die Verfasserschaft Jesus bewies (denn allein Jesus sprach von seinem Vater) …allmein Feuer, das ich von meinem Vater erhalten habe10 vom Verfasser des Korintherbriefes unterschlagen wurde. Dazu kam, dass Paulus, wie der Essener Prophet selbst, ebenfalls in der Ich-Form schrieb, doch Paulus sprach nie von seinem Vater, sondern immer nur von seinem Herrn Jesus oder Christus.
Carlucci las noch einmal die Predigt aus dem Essener Evangelium:
Und wenn ich alle meine Güter hergebe, um die armen zu ernähren, und all mein Feuer, das ich von meinem Vater erhalten habe, aber keine Liebe habe, nützt es mir nichts.11
Und anschließend die Version aus dem Neuen Testament:
Und wenn ich alle meine Habe zur Speisung ‚der Armen‘ austeile und wenn ich meinen Leib hingebe, damit ich Ruhm gewinne, aber keine Liebe habe, so nützt es mir nichts.
(1Kor 13,3)
Die Verwirrung war nun komplett. Und dann begann er sich zu fragen, warum der Apostel Paulus, der nach eigenen Angaben, sein Leben Jesus geopfert und für ihn so viel gelitten hatte, sich mit „fremden Federn“ schmückte. Warum riss Paulus diesen wunderbaren Inhalt aus seinem Kontext heraus und gab ihn in seinem Brief, als sein Eigenes, mehr oder weniger, aus der Luft gegriffen wieder?
Die zuvor entdeckten Widersprüchlichkeiten aus beiden Evangelien- Fassungen und das Rätsel, das daraus entstanden waren, hatten allein für Skepsis gesorgt, doch die flagrante Umformulierung des „Hohelieds der Liebe“ setzte der Sache die Krone auf. Es waren einfach zu viele Frage auf einmal. Wenn die künftigen Text-Abweichungen diesen Kurs beibehalten, dann ist die Rechnung ganz einfach und es gab nur eine Schlussfolgerung, überlegte der Geistliche und hielt sich den Kopf mit beiden Händen, als könnte er dadurch seine Gedanke besser ordnen: Es besteht nun kein Zweifel mehr, überzeugte er sich ein weiteres Mal: Ein Text stellt ein Original und der andere eine Fälschung dar.
Das plötzliche Gefühl der Ohnmacht, das ihn überkam, löste einen Magenkrampf aus, ein Zustand, der ihm Angst machte. Um sein Unwohlsein zu vertreiben, stand er auf, atmete tief durch und trat instinktiv einige Schritte von dem Tisch, auf dem die Essener Schriften lagen, zurück. Ein inneres Zittern hatte ihn vereinnahmt, ängstlich und misstrauisch betrachtete er die Unterlagen auf seinem Arbeitstisch, wie einer, der sich davor fürchtet von einem giftigen Skorpion, der sich in unmittelbarer Nähe befindet, gebissen zu werden. Er zitterte am ganzen Körper und war unfähig, seine Forschung fortzusetzen, fluchtartig verließ er den Raum.
Die darauffolgenden Tage machte er einen großen Bogen um sein Arbeitszimmer und vermied, es zu betreten, als ob der Teufel leibhaftig darin hausen würde.
Irgendwann hatte ihn jedoch die Neugierde wieder eingeholt und, obwohl er dem Raum mit dem gefährlichen „Biest“ immer noch auswich, setzte er seine Überlegungen fern von der Gefahrquelle, in einem anderen Raum fort:
„Wenn die ‚Essener-Schriften‘ älter sind, und davon ist ja auszugehen, da sie in Aramäisch und in Hebräisch verfasst wurden, dann sind die Evangelien aus dem Neuen Testament im Anschluss an sie verfasst worden“, leitete er ab. ‚Doch warum so verzerrt? Was heißt verzerrt? Es ist eine Gegenlehre‘, brachte er schließlich über die Lippen.
‚Warum sollten die Jünger Jesu die Wahrheit so verdreht haben? Und was für eine Rolle spielte Paulus wirklich? ‘
Carlucci lehnte sich in sich zusammengesackt in seinem Stuhl zurück und suchte einen Anhaltspunkt, der ihm ermöglichen würde, seine Überlegungen logisch fortzusetzen. Wie er auch die Sache anpackte, konnte er die verschiedenartigen Schriften nicht unter einen Hut bringen. Er fühlte sich überfordert. Alles was er bisher über Gott gehört und gelernt hatte, drehte sich in seinem Kopf und stürzte vor seinem inneren Auge wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Jesus der Widerspenstige – die Wunder – Jesus, der Essener Täufer, der Gutmütige; die bösen Juden, die Jesus verfolgten – die Kreuzigung – der Verrat Judas – Paulus – die Lehre der Gnade – die Lehre der Vollkommenheit…
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