Название: Rot ist die Rache
Автор: Stefan Huhn
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783942672733
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Frederick spitzte den Mund und blies den Rauch in kleinen Ringen in die warme Spätsommerluft. Wenn er erst mal angefangen hatte, sich in seinen Tagträumereien zu verlieren, gab es kein Halten mehr. Die werden alle Augen machen, wenn ich auf der Bühne stehe und die Fans in der ausverkauften Mercedes-Benz-Arena meine Songs textsicher mitrappen. Besonders mit den Lehrern seiner Realschule hatte er noch eine Rechnung offen. Aus dir wird nichts, wenn du nicht büffelst, hatten sie immer gesagt. Bald würde er mehr Kohle bei einem Gig verdienen als diese Spastis in einem Jahr.
Fredericks Leben als gefeierter Star wurde jäh unterbrochen, als er einen kurzen, aber lauten Schrei von der anderen Straßenseite vernahm. Er erhob sich aus seiner Liege und richtete den Blick auf den Hauseingang gegenüber. Hatte der Typ den anderen gerade zu Boden gezogen? Frederick wohnte mit seinen Eltern im Erdgeschoss, er war also auf Sichthöhe, der Bürgersteig jedoch gute zwanzig Meter weit entfernt. Außerdem war es schon recht dunkel geworden. Wenn die Straßenlaternen doch nur heller leuchten würden. Frederick beugte sich vor.
Jetzt entkleidete der Angreifer den Oberkörper des regungslos daliegenden Mannes und fummelte mit irgendeinem Gegenstand auf dessen nackter Brust rum. War das etwa ein Messer?
Da wird gerade einer abgemurkst, schoss es ihm durch den Kopf. Panisch drückte er seine Zigarette in dem Aschenbecher aus und stellte die Bierflasche leise auf den steinernen Boden. Vorsichtshalber ging Frederick in die Hocke und betrachtete das Geschehen durch die Stäbe des Balkongitters.
Der Täter kniete mit dem Rücken zu ihm, eingehüllt in einen Kapuzenpullover. Zu seinen Füßen lag ein geöffneter Rucksack. Genau konnte Frederick die Situation nicht einschätzen. Aber dass sich der Mann dort drüben an einem leblosen Körper zu schaffen machte, war mehr als nur unheimlich. Fredericks Neugier gewann die Oberhand. Hatten die Titelseiten der Zeitungen an der Kasse nicht über einen Mord hier in Berlin berichtet? Über einen Killer, der Leute aufschlitzte? Vielleicht war das derselbe Täter!
Frederick beschloss ein Foto zu machen. Manchmal stellte die Polizei doch eine Belohnung in Aussicht, wenn man zur Aufklärung eines Falls beitrug. Die Kohle könnte er gut gebrauchen – ein professionelles Mischpult war unter tausend Euro nicht zu haben. Dafür musste er näher an den Täter heran. Oder besser noch, er würde ihm folgen. Mann, das wäre ein Ding, wenn er den Behörden Informationen über den Aufenthaltsort des Mörders preisgeben könnte.
Ganz langsam bewegte sich Frederick rückwärts durch die Balkontür in sein Schlafzimmer, zog sich rasch seine sündhaft teuren Marken-Sneaker an, steckte Handy und Haustürschlüssel ein und verließ die Wohnung lautlos. Seine Eltern, die im Wohnzimmer gerade schlaftrunken die Wiederholung einer Kochsendung im Privatfernsehen konsumierten, hatten nichts gehört.
Die Person auf dem Boden war tot, das war Frederick nun klar. Durch die eine Handbreit geöffnete Haustür beobachtete er, wie der Mörder den Leichnam anhob und im Eingangsbereich des Gebäudes gegenüber positionierte.
Dann ging alles schnell. Von irgendwoher rief jemand „Hey, was machen Sie da?“, der Mann steckte die Tatwaffe in seinen Rucksack und rannte los.
Frederick wartete einen Moment, bis der Täter einen Vorsprung hatte, aber noch einholbar war. Dann sprintete auch er los. Dabei musste Frederick die Straße gut fünfhundert Meter runter hasten, um schließlich zu sehen, wie seine Zielperson links abbog. Sie wollte zum S-und-U-Bahnhof Jannowitzbrücke. Verdammt, ist der fit, dachte Frederick, dessen Puls spürbar in die Höhe geschossen war. Doch war der Täter überhaupt ein Mann? Anhand des Laufstils und der Statur schien es sich eher um eine Täterin zu handeln.
Kurz vor der Station reduzierte die Verfolgte das Tempo, um gemäßigten Schrittes die Rolltreppe nach oben zu betreten, wo die S-Bahnen ein- und abfuhren. Frederick nahm die Treppe, wollte schneller sein, doch in diesem Moment kam ihm eine grölende Meute von Fans der Eisbären Berlin entgegen. Frederik schlüpfte durch die nach Schweiß und Alkohol riechende Menge hindurch, nicht ohne dass ihm einer der Trunkenbolde aus Versehen einen halben Plastikbecher Bier auf seine Baggy Pants kippte. Mitten in Fredericks Schritt. Die Menge lachte, pfiff und schrie. Frederick fluchte kurz, aber er musste weiter.
Oben angekommen hörte er das Quietschen der einfahrenden S-Bahn. Am Bahnsteig drängelten sich die Menschen – schließlich war Samstag. Samstag in der Partymetropole Berlin.
Auf dem Gleis stand die S5 in Richtung Berlin Westkreuz. Die Durchsagestimme kündigte die Abfahrt an. Frederick schaute hektisch in alle Richtungen. Da – in eines der vorderen Abteile stieg eine Person mit Kapuze und Rucksack ein. Frederick setzte zu einem Schlussspurt an und schaffte es so gerade noch hineinzuschlüpfen, bevor die automatische Tür unter Begleitung des piependen Warnsignals schloss.
Während die S-Bahn langsam anfuhr, schaute sich Frederick verstohlen um. Fast alle Plätze waren besetzt, viele Fahrgäste standen wie er im Eingangsbereich oder auf dem Gang und hielten sich an den Stangen und Schlaufen fest.
Wo bist du, Kapuzenmörderin, dachte Frederick. Nicht, dass sie ihm jetzt noch entwischte. Um das zu verhindern, musste er sich wohl oder übel durch das Gedränge kämpfen.
„Tschuldigung, müsste hier vorbei. Darf ich eben mal?“
„Hinten ist auch alles voll, du siehst doch, dass es hier nicht vor und nicht zurück geht“, grummelte ein Mann im Maler- und Lackieranzug. Die blaue Hose war mit lauter weißen Farbklecksen beschmiert. Im Gegensatz zu den meisten anderen Fahrgästen, die angeregt plauderten, lachten oder entspannt der Musik aus ihren Kopfhörern lauschten, war dieser Typ genervt. Frederick nun auch. Um einer möglichen Konfrontation aus dem Weg zu gehen – schließlich hatte er ja gerade eine Mission – bat er noch einmal höflich um Durchlass. Der Maler verdrehte die Augen und quetschte sich in den Zwischenraum des nächsten Vierersitzes. Dabei berührte sein famoser Bierbauch die weiße Bluse eines dieser – wie Frederick fand – lächerlichen It-Girls mit verspiegelter Sonnenbrille auf dem Kopf und Adiletten an den Füßen. Die sah in Frederick den Verursacher der unerwünschten Körpernähe und strafte ihn mit bösen Blicken.
Ihr habt doch alle den Arsch auf, fluchte Frederick innerlich und schlängelte sich weiter durch die Menschenmenge. Er musste sich beeilen, schließlich konnte die Kapuzenfrau jederzeit wieder aussteigen. Die Haltestellen Alexanderplatz und Hackescher Markt hatten sie bereits passiert.
Als sich die S-Bahn der Station Friedrichstraße näherte, war Frederick endlich auf der anderen Seite des Waggons angekommen. Es standen bereits mehrere Fahrgäste an der letzten Tür. Eine Frau mit Kinderwagen wartete in der ersten Reihe. Die musste sich bücken, nachdem das Baby seinen Schnuller über Bord geworfen hatte.
Und da stand sie plötzlich, fast so als hätte sie sich vor Fredericks suchenden Blicken hinter der Mutter versteckt. Den Kopf zur Seite geneigt, sodass Frederick ihr Gesicht nicht sehen konnte.
Die Tür ging auf und die Täterin huschte aus dem Waggon. Frederick hastete hinterher. Jetzt würde er sie nicht mehr aus den Augen verlieren. Das Katz- und Mausspiel ging weiter, entlang der Gleise bis zur Fußgängerbrücke, die über die Spree führte. Frederick rannte ihr so schnell er konnte nach.
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