Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey
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Название: Jesus war kein Europäer

Автор: Kenneth E. Bailey

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783417228694

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СКАЧАТЬ wusste, was sie tat, und sie war nicht dumm. Ihr Plan hatte Erfolg: Der König bemerkte sie und binnen kurzer Zeit ließ David sie in seinen Palast bringen. Sie ging hin, schlief mit ihm und wurde schwanger. Dann betrieb David „Schadensbegrenzung“ und ließ ihren Ehemann an der Front in seinen sicheren Tod gehen. Nach dieser abscheulichen Tat nahm er Batseba in seinen Harem auf. Der Prophet Nathan zog den König für seine tief greifende Verletzung von Gottes Gesetz zur Verantwortung; David tat Buße und schrieb daraufhin der Überlieferung nach Psalm 51. Das Kind starb, doch ein zweites wurde geboren, dem die Eltern den Namen Salomo gaben.

      Matthäus benannte Salomo bereitwillig, doch offensichtlich mochte er Salomos Mutter nicht, also bezeichnete er sie abwertend als „die Frau des Uria“. Er nennt sie nicht „die Frau des David“. Trotz allem ist sie aber die vierte Frau in Jesu Stammbaum. Sie war zwar Hebräerin, jedoch mit einem Nichtjuden verheiratet. Und anders als Rut war sie ihrem Ehemann untreu. Zu ihren positiven Eigenschaften gehören jedoch Intelligenz, Wagemut, Initiative und Mut bei der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen. David hatte also eine nicht jüdische Großmutter, und Salomos Mutter, die zuerst mit einem Hetiter verheiratet war, hätte ebenso gut eine Nichtjüdin sein können. Beide Frauen sind im Stammbaum aufgeführt.

      Die Aufzählung schließt mit Maria, einem intelligenten, aber einfachen Bauernmädchen. Sie war von Anfang bis Ende eine tiefgläubige Frau und bereit, den aufopfernden Gehorsamsschritt zu gehen, die Mutter Jesu zu werden. Sie nahm ihre Schwangerschaft als Wunder Gottes an, doch man kann sich nur schwer vorstellen, dass besonders viele Menschen in ihrer Umgebung ihre Geschichte glaubten. Die meisten von ihnen betrachteten sie wahrscheinlich als unmoralische Frau, die gesteinigt werden sollte. Als sie die Botschaft des Engels erhielt, antwortete sie einfach: „Es geschehe mir nach deinem Wort!“ (Lk 1,38). Sie akzeptierte demütig einen Weg der Nachfolge, der ihr, wie ihr sehr wohl bewusst war, Schande in den Augen ihrer Umgebung einbringen würde und ihren Tod bedeuten konnte.

      Warum also nennt Matthäus die oben genannten vier Frauen als Vorfahren Jesu? Wir wissen es nicht genau.44 Doch einige Gründe sind denkbar.

      1. Matthäus nennt Männer und Frauen. Das ist revolutionär. Jesus nahm auch Frauen in den Kreis seiner Nachfolger auf (Lk 8,1-3) und Frauen haben einen hohen Stellenwert in seinem Wirken. Was er lehrt, ist oft sowohl auf männliche als auch auf weibliche Zuhörer ausgelegt. Vielleicht nannte Matthäus die Frauen in der Ahnentafel als Zeichen für das neue Königreich Gottes, wo „nicht Jude noch Grieche, … nicht Sklave noch Freier, … nicht Mann und Frau [wörtlich: Männliches und Weibliches]“ ist (Gal 3,28).

      2. Matthäus nennt Juden und Nichtjuden. Wenn Matthäus bewusst Juden und Nichtjuden in der Ahnentafel nennen wollte, stand er vor dem Problem, dass alle Männer in Jesu Stammbaum Juden waren. Nichtjuden konnten nur dann am Anfang des Matthäusevangeliums – in Vorausschau auf den Missionsbefehl am Ende (Mt 28,18-20) – Erwähnung finden, wenn diese Frauen genannt wurden. Rut und Rahab waren keine Jüdinnen, Tamar wahrscheinlich auch nicht, und Batseba war ursprünglich mit einem Nichtjuden verheiratet. Der verblüffende Umstand, dass diese Frauen in dem „Männerklub“ eines Stammbaums auftauchen, musste bei einem Leser bzw. Zuhörer des ersten Jahrhunderts Aufmerksamkeit erregen. Nach einigem Nachdenken würde dieser Leser bzw. Zuhörer vielleicht den Zusammenhang zwischen dem Anfang und dem Ende des Evangeliums erkennen, die beide Nichtjuden einschließen.

      3. Die ausgewählten Frauen umfassen Heilige und Sünder. Tamar kämpfte um Gerechtigkeit, und Juda bescheinigte ihr: „Sie ist im Recht mir gegenüber“ (oder: „Sie ist gerechter als ich“), obwohl sie mit ihm als ihrem Schwiegervater geschlafen hatte. Rahab betritt die Szene als Prostituierte. Batseba begeht Ehebruch und ist ganz sicher nicht unschuldig. Rut hingegen wird im gesamten gleichnamigen Buch als Heilige dargestellt. Marias Frömmigkeit beschließt die Reihe.

      4. Alle vier Frauen legten Intelligenz, Kühnheit und Mut an den Tag. Wie Raymond Brown schreibt: „Diese Frauen zeigten Initiative oder spielten eine wichtige Rolle in Gottes Plan. So kam es, dass man sie als Werkzeuge der Vorsehung Gottes oder seines Heiligen Geistes betrachtete.“45

      Mit dieser Aufstellung liefert Matthäus uns Hinweise darauf, welchen Menschen der Messias zur Rettung kam. Er sollte Retter für Frauen und Männer sein, für Heilige und Sünder, Juden und Nichtjuden. Diese Ahnentafel ist wahrhaft umfassend. Viele können die Geschichten dieser Frauen betrachten und sich darin wiederfinden.

      Doch welche Rolle spielte Josef?

      Eine zweite Überraschung in der Geburtsgeschichte findet sich direkt nach der Ahnentafel in Matthäus 1,18-19:

      Mit dem Ursprung Jesu Christi verhielt es sich aber so: Als nämlich Maria, seine Mutter, dem Josef verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger befunden von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht öffentlich bloßstellen wollte, gedachte sie heimlich zu entlassen.

      Die Frage ist: Was hat es zu bedeuten, dass Josef hier „gerecht“ genannt wird? Dieser Ausdruck bezieht sich normalerweise auf einen Menschen, der das Gesetz hält und gleiches Recht für alle herrschen lässt. Der Schuldirektor, der gerecht mit seinen Schülern umgeht, umgeht keine Vorschriften für seine Lieblingsschüler. In 5. Mose heißt es, wenn eine verlobte Jungfrau einen Mann in der Stadt trifft und mit ihm schläft, sollen beide gesteinigt werden (5Mo 22,23 f). Doch Matthäus 1,18-19 behauptet, weil Josef „gerecht“ war, beschloss er, das Gesetz des Mose zu brechen und sich in aller Stille von Maria zu trennen, anstatt sie öffentlich bloßzustellen. Über eine so mutige Tat lohnt es sich, ernsthaft nachzudenken.

      Offenbar wendete Josef eine außergewöhnliche und unerwartete Definition von Gerechtigkeit auf diese Krise mit Maria an. Gerechtigkeit war für ihn mehr als nur „gleiches Recht für alle“. Hatte sich ihm ein umfassenderes Verständnis von Gerechtigkeit eröffnet?

      Im Jahr 1843 schrieb der berühmte dänische Theologe und Philosoph Søren Kierkegaard ein Buch mit dem Titel Furcht und Zittern. Darin argumentiert er, dass bei echtem Glauben „der Einzelne als Einzelner in einem absoluten Verhältnis zum Absoluten steht“.46 Der Glaubende steht nackt und bloß vor Gott, ohne dass das Gesetz dazwischen stünde. Kierkegaards wichtigstes Beispiel für diese Blöße vor Gott ist die Geschichte von Abraham, der bereit war, Isaak zu opfern (1Mo 22), um Gott gehorsam zu sein. Alle Gesetze aus alter und neuer Zeit verbieten die Tötung des eigenen Sohnes. Abrahams Gehorsam Gott gegenüber verlangte von ihm, etwas zu tun, das gegen jegliches Gesetz ging. Kierkegaard erwähnt auch Maria, die in einem „absoluten Verhältnis zum Absoluten“ Gottes Willen akzeptierte und dabei „die Not …, die Angst, das Paradox“ erlebte.47 Als drittes Beispiel hätte Kierkegaard Josef anführen können, der in seinem Gehorsam gegen eine höhere Gerechtigkeit über die ethischen Erwartungen des Gesetzes hinausging. Diese erhabene Sicht von Gerechtigkeit konnte er bei Jesaja finden.

      In den Prophezeiungen Jesajas findet sich ein Bild eines besonderen „leidenden Knechts“, durch den Gott eines Tages rettend in die Geschichte eingreifen würde. Es gibt vier einzigartige Lieder im Buch Jesaja, die diesen Knecht beschreiben. Das erste steht in Jesaja 42,1-9; dort heißt es in Vers 3:

      Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen,

      und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.

      In Treue bringt er das Recht hinaus.

      Gerechtigkeit, so, wie sie von diesem besonderen Knecht Gottes verstanden wird, ist weder „vergeltende Gerechtigkeit“ (du schadest mir und ich sorge dafür, dass dir auch geschadet wird) noch „gleiches Recht für alle“ (ich zahle meine Steuern und du musst das auch). Vielmehr bedeutet Gerechtigkeit hier Barmherzigkeit den Schwachen und Erschöpften СКАЧАТЬ