Название: Pole Poppenspäler. Novelle
Автор: Theodor Storm
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Reclams Universal-Bibliothek
isbn: 9783159610306
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Emsig spazierte er im Zimmer auf und ab. ›Wenn mich jetzt mein Vater-Papa sehen tät‹, rief er, ›der würd sich was [26]Rechts freuen! Immer pflegt’ er zu sagen: Kasperl, mach, dass du dein Sach in Schwung bringst! – O jetzund hab ich’s in Schwung; denn ich kann mein Sach haushoch werfen!‹ – Damit machte er Miene, sein Felleisen in die Höhe zu schleudern; und es flog auch wirklich, da es am Draht gezogen wurde, bis an die Deckenwölbung hinauf; aber – Kasperles Arme waren an seinem Leibe kleben geblieben; es ruckte und ruckte, aber sie kamen um keine Handbreit in die Höhe.
Kasperl sprach und tat nichts weiter. – Hinter der Bühne entstand eine Unruhe, man hörte leise aber heftig sprechen, der Fortgang des Stückes war augenscheinlich unterbrochen.
Mir stand das Herz still; da hatten wir die Bescherung! Ich wäre gern fortgelaufen, aber ich schämte mich. Und wenn gar dem Lisei meinetwegen etwas geschähe!
Da begann Kasperl auf der Bühne plötzlich ein klägliches Geheule, wobei ihm Kopf und Arme schlaff herunterhingen, und der Famulus Wagner erschien wieder und fragte ihn, warum er denn so lamentiere.
›Ach, mei Zahnerl, mei Zahnerl!‹, schrie Kasperl.
›Guter Freund‹, sagte Wagner, ›so lass’ Er sich einmal in das Maul sehen!‹ – Als er ihn hierauf bei der großen Nase packte und ihm zwischen die Kinnladen hineinschaute, trat auch der Doktor Faust wieder in das Zimmer. – ›Verzeihen Eure Magnifizenz‹, sagte Wagner, ›ich werde diesen jungen Mann in meinem Dienst nicht gebrauchen können; er muss sofort in das Lazarett geschafft werden!‹
›Is das a Wirtshaus?‹, fragte Kasperle.
›Nein, guter Freund‹, erwiderte Wagner, ›das ist ein Schlachthaus. Man wird Ihm dort einen Weisheitszahn aus [27]der Haut schneiden, und dann wird Er seiner Schmerzen ledig sein.‹
›Ach, du liebs Herrgottl‹, jammerte Kasper, ›muss mi arms Viecherl so ein Unglück treffen! Ein Weisheitszahnerl, sagt Ihr, Herr Famulus? Das hat noch keiner in der Famili gehabt! Da geht’s wohl auch mit meiner Kasperlschaft zu End?‹
›Allerdings, mein Freund‹, sagte Wagner; ›eines Dieners mit Weisheitszähnen bin ich bass entraten; die Dinger sind nur für uns gelehrte Leute. Aber Er hat ja noch einen Bruderssohn, der sich auch bei mir zum Dienst gemeldet hat. Vielleicht‹, und er wandte sich gegen den Doktor Faust, ›erlauben Eure Magnifizenz!‹
Der Doktor Faust machte eine würdige Drehung mit dem Kopfe.
›Tut, was Euch beliebt, mein lieber Wagner‹, sagte er; ›aber stört mich nicht weiter mit Euren Lappalien in meinem Studium der Magie!‹
– – ›Heere, mei Gutester‹, sagte ein Schneidergesell, der vor mir auf der Brüstung lehnte, zu seinem Nachbar, ›das geheert ja nicht zum Stück; ich kenn’s, ich hab es vor ä Weilchen erst in Seifersdorf gesehn.‹ – Der andere aber sagte nur: ›Halt’s Maul, Leipziger!‹ und gab ihm einen Rippenstoß.
– – Auf der Bühne war indessen Kasperle, der Zweite, aufgetreten. Er hatte eine unverkennbare Ähnlichkeit mit seinem kranken Onkel, auch sprach er ganz genau wie dieser; nur fehlte ihm der bewegliche Daumen, und in seiner großen Nase schien er kein Gelenk zu haben.
Mir war ein Stein vom Herzen gefallen, als das Stück nun ruhig weiterspielte, und bald hatte ich alles um mich [28]her vergessen. Der teuflische Mephistopheles erschien in seinem feuerfarbenen Mantel, das Hörnchen vor der Stirn, und Faust unterzeichnete mit seinem Blute den höllischen Vertrag:
›Vierundzwanzig Jahre sollst du mir dienen; dann will ich dein sein mit Leib und Seele.‹
Hierauf fuhren beide in des Teufels Zaubermantel durch die Luft davon. Für Kasperle kam eine ungeheure Kröte mit Fledermausflügeln aus der Luft herab. ›Auf dem höllischen Sperling soll ich nach Parma reiten?‹, rief er, und als das Ding wackelnd mit dem Kopfe nickte, stieg er auf und flog den beiden nach.
– – Ich hatte mich ganz hinten an die Wand gestellt, wo ich besser über alle die Köpfe vor mir hinwegsehen konnte. Und jetzt rollte der Vorhang zum letzten Aufzug in die Höhe.
Endlich ist die Frist verstrichen. Faust und Kasper sind beide wieder in ihrer Vaterstadt. Kasper ist Nachtwächter geworden; er geht durch die dunklen Straßen und ruft die Stunden ab:
›Hört ihr Herrn und lasst euch sagen,
Meine Frau hat mich geschlagen;
Hüt’t euch vor dem Weiberrock!
Zwölf ist der Klock! Zwölf ist der Klock!‹
Von fern hört man eine Glocke Mitternacht schlagen. Da wankt Faust auf die Bühne; er versucht zu beten; aber nur Heulen und Zähneklappen tönt aus seinem Halse. Von oben ruft eine Donnerstimme:
›Fauste, Fauste, in aeternum damnatus es!‹
[29]Eben fuhren in Feuerregen drei schwarzhaarige Teufel herab, um sich des Armen zu bemächtigen; da fühlte ich eins der Bretter zu meinen Füßen sich verschieben. Als ich mich bückte, um es zurechtzubringen, glaubte ich aus dem dunklen Raume unter mir ein Geräusch zu hören; ich horchte näher hin; es klang wie das Schluchzen einer Kinderstimme. – ›Lisei!‹, dachte ich; ›wenn es Lisei wäre!‹ Wie ein Stein fiel meine ganze Untat mir wieder aufs Gewissen; was kümmerte mich jetzt der Doktor Faust und seine Höllenfahrt!
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