Pole Poppenspäler. Novelle. Theodor Storm
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Название: Pole Poppenspäler. Novelle

Автор: Theodor Storm

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclams Universal-Bibliothek

isbn: 9783159610306

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СКАЧАТЬ der Vorhang in die Höhe. – – Ein Blick auf die Bühne versetzte mich um tausend Jahre rückwärts. Ich sah in einen mittelalterlichen Burghof mit Turm und Zugbrücke; zwei kleine ellenlange Leute standen in der Mitte und redeten lebhaft miteinander. Der eine mit dem schwarzen Barte, dem silbernen Federhelm und dem goldgestickten Mantel über dem roten Unterkleide war der Pfalzgraf Siegfried; er wollte gegen die heidnischen Mohren in den Krieg reiten, und befahl seinem jungen Hausmeister Golo, der in blauem silbergestickten Wamse neben ihm stand, zum Schutze der Pfalzgräfin Genovefa in der Burg zurückzubleiben. Der treulose Golo aber tat gewaltig wild, dass er seinen guten Herrn so allein in das grimme Schwerterspiel sollte reiten lassen. Sie drehten bei diesen Wechselreden die Köpfe hin und her und fochten heftig und ruckweise mit den Armen. – Da tönten kleine langgezogene Trompetentöne von draußen hinter der Zugbrücke, und zugleich kam auch die schöne Genovefa in himmelblauem Schleppkleide hinter dem Turm hervorgestürzt und schlug beide Arme über des Gemahls Schultern: ›O mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die grausamen Heiden nur nicht massakrieren!‹ Aber es half ihr nichts; noch einmal ertönten die Trompeten, und der Graf schritt steif und würdevoll über die Zugbrücke aus dem Hofe; man hörte deutlich draußen den Abzug des gewappneten Trupps. Der böse Golo war jetzt Herr der Burg. –

      Und nun spielte das Stück sich weiter, wie es in deinem Lesebuche gedruckt steht. – Ich war auf meiner Bank ganz wie verzaubert; diese seltsamen Bewegungen, diese feinen oder schnarrenden Puppenstimmchen, die denn doch wirklich aus ihrem Munde kamen, – es war ein [18]unheimliches Leben in diesen kleinen Figuren, das gleichwohl meine Augen wie magnetisch auf sich zog.

      Im zweiten Aufzuge aber sollte es noch besser kommen. – Da war unter den Dienern auf der Burg einer im gelben Nankinganzug, der hieß Kasperl. Wenn dieser Bursche nicht lebendig war, so war noch niemals etwas lebendig gewesen; er machte die ungeheuersten Witze, so dass der ganze Saal vor Lachen bebte; in seiner Nase, die so groß wie eine Wurst war, musste er jedenfalls ein Gelenk haben; denn wenn er so sein dumm-pfiffiges Lachen herausschüttelte, so schlenkerte der Nasenzipfel hin und her, als wenn auch er sich vor Lustigkeit nicht zu lassen wüsste; dabei riss der Kerl seinen großen Mund auf und knackte, wie eine alte Eule, mit den Kinnbackenknochen. ›Pardauz!‹, schrie es; so kam er immer auf die Bühne gesprungen; dann stellte er sich hin und sprach erst bloß mit seinem großen Daumen; den konnte er so ausdrucksvoll hin und wider drehen, dass es ordentlich ging, wie ›Hier nix und da nix; kriegst du nix, so hast du nix!‹ Und dann sein Schielen; – das war so verführerisch, dass im Augenblick dem ganzen Publikum die Augen verquer im Kopfe standen. Ich war ganz vernarrt in den lieben Kerl!

      Endlich war das Spiel zu Ende, und ich saß wieder zu Hause in unserer Wohnstube und verzehrte schweigend das Aufgebratene, das meine gute Mutter mir warm gestellt hatte. Mein Vater saß im Lehnstuhl und rauchte seine Abendpfeife. ›Nun, Junge‹, rief er, ›waren sie lebendig?‹

      ›Ich weiß nicht, Vater‹, sagte ich und arbeitete weiter in meiner Schüssel; mir war noch ganz verwirrt zu Sinne.

      Er sah mir eine Weile mit seinem klugen Lächeln zu. ›Höre, Paul‹, sagte er dann, ›du darfst nicht zu oft in diesen [19]Puppenkasten; die Dinger könnten dir am Ende in die Schule nachlaufen.‹

      *

      Mein Vater hatte nicht Unrecht. Die Algebra-Aufgaben gerieten mir in den beiden nächsten Tagen so mäßig, dass der Rechenmeister mich von meinem ersten Platz herabzusetzen drohte. – Wenn ich in meinem Kopfe rechnen wollte: ›a + b gleich x – c‹, so hörte ich stattdessen vor meinen Ohren die feine Vogelstimme der schönen Genovefa: ›Ach, mein herzallerliebster Siegfried, wenn dich die bösen Heiden nur nicht massakrieren!‹ Einmal – aber es hat niemand gesehen – schrieb ich sogar ›x + Genovefa‹ auf die Tafel. – Des Nachts in meiner Schlafkammer rief es einmal ganz laut ›Pardauz!‹ und mit einem Satz kam der liebe Kasperl in seinem Nankinganzug zu mir ins Bett gesprungen, stemmte seine Arme zu beiden Seiten meines Kopfes in das Kissen und rief grinsend auf mich herabnickend: ›Ach, du liebs Brüderl, ach, du herztausig liebs Brüderl!‹ Dabei hackte er mir mit seiner langen roten Nase in die meine, dass ich davon erwachte. Da sah ich denn freilich, dass es nur ein Traum gewesen war.

      Ich verschloss das alles in meinem Herzen und wagte zu Hause kaum den Mund aufzutun von der Puppenkomödie. Als aber am nächsten Sonntag der Ausrufer wieder durch die Straßen ging, an sein Becken schlug und laut verkündigte: ›Heute Abend auf dem Schützenhof: Doktor Fausts Höllenfahrt, Puppenspiel in vier Aufzügen!‹ – da war es doch nicht länger auszuhalten. Wie die Katze um den süßen Brei, so schlich ich um meinen Vater herum, und [20]endlich hatte er meinen stummen Blick verstanden. – ›Pole‹, sagte er, ›es könnte dir ein Tropfen Blut vom Herzen gehen; vielleicht ist’s die beste Kur, dich einmal gründlich satt zu machen.‹ Damit langte er in die Westentasche und gab mir einen Doppelschilling.

      Ich rannte sofort aus dem Hause; erst auf der Straße wurde es mir klar, dass ja noch acht lange Stunden bis zum Anfang der Komödie abzuleben waren. So lief ich denn hinter den Gärten auf den Bürgersteig. Als ich an den offenen Grasgarten des Schützenhofs gekommen war, zog es mich unwillkürlich hinein; vielleicht, dass gar einige Puppen dort oben aus den Fenstern guckten; denn die Bühne lag ja an der Rückseite des Hauses. Aber ich musste dann erst durch den oberen Teil des Gartens, der mit Linden- und Kastanienbäumen dicht bestanden war. Mir wurde etwas zag zumute; ich wagte doch nicht weiter vorzudringen. Plötzlich erhielt ich von einem großen hier angepflockten Ziegenbock einen Stoß in den Rücken, dass ich um zwanzig Schritte weiterflog. Das half! als ich mich umsah, stand ich schon unter den Bäumen.

      Es war ein trüber Herbsttag; einzelne gelbe Blätter sanken schon zur Erde; über mir in der Luft schrieen ein paar Strandvögel, die ans Haff hinausflogen; kein Mensch war zu sehen noch zu hören. Langsam schritt ich durch das Unkraut, das auf den Steigen wucherte, bis ich einen schmalen Steinhof erreicht hatte, der den Garten von dem Hause trennte. – Richtig! dort von oben schauten zwei große Fenster in den Hof herab; aber hinter den kleinen in Blei gefassten Scheiben war es schwarz und leer, keine Puppe war zu sehen. Ich stand eine Weile, mir wurde ganz unheimlich in der mich rings umgebenden Stille.

      [21]Da sah ich, wie unten die schwere Hoftür von innen eine Handbreit geöffnet wurde, und zugleich lugte auch ein schwarzes Köpfchen daraus hervor.

      ›Lisei!‹, rief ich.

      Sie sah mich groß mit ihren dunklen Augen an. ›Bhüt Gott!‹, sagte sie; ›hab i doch nit gewusst, was da außa rumkraxln tät! Wo kommst denn du daher?‹

      ›Ich? – Ich geh spazieren, Lisei! – Aber sag mir, spielt ihr denn schon jetzt Komödie?‹

      Sie schüttelte lachend den Kopf.

      ›Aber, was machst du denn hier?‹, fragte ich weiter, СКАЧАТЬ