Paris abseits der Pfade (Jumboband). Georg Renöckl
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Название: Paris abseits der Pfade (Jumboband)

Автор: Georg Renöckl

Издательство: Bookwire

Жанр: Путеводители

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isbn: 9783991002970

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СКАЧАТЬ angesprochen und hineingebeten wird, ein Spießrutenlauf.

      Lohnender finde ich die ruhige Passage des Petites-Ecuries (auch ein hübscher Name: „Kleine-Pferdestall-Passage“), die einen starken Kontrast zur quirligen Rue du Faubourg Saint-Denis bildet. Einige Schritte in ihrem inneren liegt die Brasserie Flo, eine Pariser Gastronomielegende, im Jahr 1918 von einem Elsässer namens Floederer in einem alten Bier-Depot gegründet und heute das Flaggschiff eines wahren Brasserie-Imperiums. Das Ambiente ist gediegen, die Preise sind es auch.

      Zurück auf dem Königsweg umfängt mich wieder das pralle Straßenleben. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sticht eine kleine, hübsche Kaffeerösterei heraus, daneben ein ausgezeichnet sortierter Traiteur, man bekommt kurdische Sandwiches, kann auf beiden Seiten in unzähligen Lokalen essen gehen – wieder einmal zeigt sich, dass auch untouristische Straßenzüge in Paris wahre Paradiese für Flaneure darstellen können, vor allem, wenn sich diese ein kleines bisschen für Gastronomie interessieren.

      Ab der Rue de la Fidélité wird die Straße deutlich ruhiger. Die Halle des Marché Saint-Quentin lasse ich links liegen, einen anderen Abstecher möchte ich wiederum keinesfalls auslassen: den Nordbahnhof, eine dieser Kathedralen des Verkehrs, die die Begeisterung des neunzehnten Jahrhunderts für die Eisenbahn und für ihre ungeheuren Möglichkeiten würdig zelebrieren. Amsterdam und Brüssel sind zum Greifen nah, doch wozu in die Ferne schweifen: Die Brasserie Terminus Nord, wieder eine dieser altehrwürdigen Brasserien, von denen auf dieser Route kein Mangel besteht, liegt genau gegenüber. Zumindest einmal sollte man sich so ein Lokal in Paris auch gönnen, allein des Spektakels wegen. Mit einer „Brauerei“, was der Name eigentlich bedeutet, haben diese Gaststätten wenig zu tun: Zwar spielt das Bier hier eine wichtigere Rolle als im typischen Restaurant, eine Brasserie zeichnet sich jedoch durch ihre Größe, ihre einfachen, aber nahrhaften Gerichte, die eher ungezwungene Atmosphäre und durchgehende Küche aus. Als ich noch in Paris gelebt und Familienbesuche gelegentlich ins Terminus Nord geführt habe, war ich immer von den Kellnern fasziniert, die riesige Meeresfrüchteplatten oder Choucroute-Schüsseln zwischen den Tischen balancierten und auch dann freundlich blieben, wenn ihnen mein kleiner Sohn dabei beinahe zwischen die Füße geriet.

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       Nordbahnhof

      Ab hier wird die Rue Saint-Denis wieder belebter und vor allem bunter: Ich nähere mich dem indischsten Stück von Paris. Die Auslagen sind voller Saris und Maharadscha-Anzüge, ich verstehe auf der Straße kein Wort mehr. Gut zweieinhalb Stunden bin ich nun unterwegs, Zeit für eine Pause. Das Restaurant Krishna Bhavan in der Rue Cail wurde mir empfohlen, preiswert und authentisch-indisch soll es sein. Etwas ratlos stelle ich fest, dass fast alle Restaurants in dieser Straße so heißen … Kurz entschlossen gehe ich ins Krishna Bhavan auf Nummer 24 – es ist gerammelt voll, doch ein winziger Tisch wird gerade frei. Manchmal hat es auch Vorteile, allein essen zu gehen. Eng ist es hier drin, wie so häufig in Paris, wo die Menschen gelernt haben, sich in einem Lokal, in dem eigentlich nicht einmal genug Platz ist, um sich umzudrehen, den Mantel auszuziehen, ohne dabei sämtliche Teller und Gläser von den nur wenige Zentimeter entfernten Tischen zu fegen. Jeder kann das hier, Tische werden ständig weg- und wieder zurückgeschoben, damit neue Gäste sich setzen können oder jemand aufs WC gelangen kann. Alles klappt reibungslos, auch die vielen Gespräche sind angeregt, aber niemand unterhält sich dabei so lautstark, dass sich jemand anderer gestört fühlen könnte. Bei gut gewürztem, aber nicht zu scharfem Kadai Vegetable Curry und einer Laddu-Kugel zum Dessert, hinuntergespült mit picksüßem Ceylon-Kaffee, genieße ich die Atmosphäre, bewundere meinen indisch aussehenden Tischnachbarn, der mit dem Handy in der linken Hand telefoniert, während er mit der rechten die verschiedenen Saucen und den Reis, den er auf einer großen Platte serviert bekommen hat, zu kleinen Bällchen formt und in den Mund bugsiert, ohne deswegen das Gespräch zu unterbrechen. Viel zu schnell vergeht an diesem Ort voller ungewohnter Gerüche, Klänge und Bilder die Zeit. Beim Bezahlen gebe ich mich weltgewandt und frage, aus welchem Teil Indiens die Küche stammt. Aus gar keinem, lautet die freundliche Antwort: Das ist ein sri-lankisches Lokal.

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       Passage de la trinité

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A Kräuterläden
B Centre Barbara
C Brasserie de la Goutte d’or
D Echomusée
E Marché Dejean
F Institut des cultures d’Islam
G Café Lomi
H Marché de l’Olive

      Der Königsweg: Teil 2

      Ins dunkle Herz von Paris

      An den Bouffes du Nord gehe ich heute nur vorüber, sollten Sie aber die Gelegenheit dazu haben, besuchen Sie eine Vorstellung dieses magischen Theaters, das so wirkt, als habe es Peter Brook mit seinem Team in seinem Verfall eingefroren. Für mich geht es unter der in diesem Abschnitt überirdisch verlaufenden Linie 2 der Métro weiter – die Gleise der Nord- und Ostbahn sowie der Canal Saint-Martin machten einen herkömmlichen Tunnel technisch unmöglich. Gut fürs Stadtbild: Die Gusseisensäulen, die Bögen und die unzähligen Nieten dieser überirdischen Bahn zeugen selbstbewusst von der technischen und ästhetischen Meisterleistung, die der Bau damals darstellte.

      Über die Nordbahnbrücke spaziere ich in Richtung Rue de Jessaint und weiche einmal mehr von der royalen Direttissima ab, die mich eigentlich in die Rue Marx-Dormoy geführt hätte. „Goutte d’Or“ heißt das Viertel, in dem ich stattdessen ankomme und wo ich mir für die Recherchen ein Zimmer gemietet habe. Die Gegend hat seit jeher einen schlechten Ruf. Schon in Émile Zolas „L‘assommoir“ (Der Totschläger) soffen sich hier die Proletarier um ihre Existenz, heute gilt das Viertel vielen noch als Immigrantenghetto, verdreckt und gefährlich, als Drogen- und Hurenviertel, No-go-Area – dabei wird man als Spaziergänger so freundlich begrüßt. Am Eck Rue Stephenson/Rue de Jessaint/Rue de Tombouctou befinden sich vier kleine Läden, in denen ausschließlich frische Kräuter verkauft werden, vor allem Minze, Koriander und Petersilie. Es duftet betörend vor diesen Läden, aus denen stets das Wasser, mit dem die Kräuter frisch gehalten werden, auf die Straße rinnt. Ein Kraut kenne ich nicht. Ein freundlicher Verkäufer drückt mir ein Büschel davon in die Hand, lässt mich raten. Blassgrün sieht es aus, wie eine überdimensionierte Flechte, es riecht süßlich-würzig, ich habe keine Ahnung. Absinth! Hat aber nichts mit grünen Feen oder sonstigen verbotenen Räuschen zu tun, man trinkt es als Kräutertee, es soll gut für die Verdauung sein. Behalten Sie es doch gleich! Mit dem Kräuterbuschen in der Hand betrete ich die Goutte d’Or. „Goldener Tropfen“ so hieß der Wein, der einmal an den Hängen des Montmartre angebaut wurde, ein ehemals sehr beliebter Weißwein, der die Reblaus-Epidemie СКАЧАТЬ