Ohne die Tat ist alles nur Geplapper. Galsan Tschinag
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Название: Ohne die Tat ist alles nur Geplapper

Автор: Galsan Tschinag

Издательство: Bookwire

Жанр: Общая психология

Серия:

isbn: 9783958833081

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СКАЧАТЬ als auch der Edelstahldolch mit dem ganzen Zubehör aus weichem Weißsilber in meinem Besitz blieben.

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      VERLEIHUNG DES BUNDESVERDIENSTKREUZES DURCH FRAU DR. ANTJE VOLMER, LEIPZIG, 05.12.2002

      Doch 140 Kamele, das sind ja keine 140 Hühner, das ist schon ein unübersehbar großes Volk. Und als wir mit der Herde so unterwegs zum Ausgangsort der Karawane waren, ach, da sind wir von so vielen Menschen mächtig bewundert worden. So viele Kamele in einer Herde schienen die Menschen hierzulande noch nie gesehen zu haben. Und die anderen Tiere, die nie Kamele gesehen hatten, Pferde wie Rinder, die wurden sofort panisch und rissen vor uns aus, vor Angst. Ja, sie schienen vor Kamelen mehr Angst zu haben als vor Wölfen. Das war eine sehr wichtige Erfahrung! Dann begann die Karawane. Ich gab jeder Familie fünf Kamele, schenkte sie ihnen. Und dann mietete ich noch etliche LKWs, deren Fahrer waren knallharte Geschäftsleute. Gut nun, ich gab, was sie von mir verlangten. Denn ich brauchte sie ja schließlich, genauso wie ich Kamele bitternötig brauchte. Und schließlich gab ich jedem der Karawanenführer eine feste Summe Tagesgeld. Das tat ich einfach, um sie bei Laune zu halten. Dazu muss ich sagen, dass dies meine Brust mit einem gewissen Stolz erfüllte: Andere wollen haben, haben und nochmals haben, Geld und Reichtum aufhorten, ohne zu wissen, wofür. Ich aber gab mein liebes, schwer verdientes Geld aus! Und was soll ich es verheimlichen, dabei kam ich mir irgendwie freigiebig, ja, edel vor. Wie ein Sohn, der seinen Eltern diente. Wie ein Vater, der seine Kinder ernährte. Des Volkes Sohn, wie meine Rolle mir zusagte. Und nun von dieser Sohn-Rolle zu einer Vater-Rolle. Volksvater. Volksführer. Retter meines armen untergehenden Volkes, von Nachbarn gehänselt, vom Staat vernachlässigt. Die Realität, die diesem selbstverliebten Wahn folgte, war rau. Mit manchen ernüchternden wie auch enttäuschenden Details. Die ganze Karawane dauerte 105 Tage und Nächte. Sie kostete viel Schweiß, genauso, wie sie viel Geld gekostet hat. Ich fror, schwitzte, litt Hunger wie Durst. Viele Nächte schlief ich nur zwei bis drei Stunden, andere Nächte gar nicht. Aber ich merkte dabei eine Sache: Ich wurde fester sowohl im Körper als auch in meiner Anschauung. Ich wuchs, wurde mehr, nahm insgesamt zu. Also, die Karawane verlieh mir Gewicht und Umfang. Meine Gedanken drehten sich nun nicht nur um das kleine Volk der Tuwa, sie erfassten auch andere Völker, verbreiteten sich auf größere Flächen. Auf die ganze Mongolei, auf das Schicksal des größeren Mongolen-Volkes. Aber auch das war nicht das Ende, als ich dann anfing, noch dies und jenes zu unternehmen. Da begannen sich die Gedanken schon um die Menschheit und deren Wohnort, den Planeten Erde, zu drehen. Das ist der Grund, weshalb ich einen Artikel „Der Planet Erde ist meine Heimat und die Menschheit ist mein Volk“ geschrieben habe. So arbeite ich heute für die Mongolei, pflanze Bäume und versuche auch noch, Regen zu erzeugen. Aber was heißt hier Mongolei? Im Grunde stehen dahinter auch der ganze Planet Erde und die ganze Menschheit. Ich bin also ein Mitglied der Menschheit und ich bin ein Bewohner des Planeten Erde.

      BAUMWESENSEELEN

      DAS GANZE ALL LEBT, IST EIN LEBEWESEN, EIN GEISTWESEN, EIN SEELENWESEN UND WIR SIND KLEINE SPLITTER VON DIESEM GROSSEN, HEILIGEN WESEN.

      Ob wir nun Menschen heißen, wir Wesen, die wir uns selbst Mensch genannt haben, oder ob das nur Schafe sind oder Bäume oder eine Wasserquelle, alles ist beseelt, begeistet und belebt. Nun, wenn ich in einem Wald bin, dann rede ich mit den Bäumen, oft stumm noch, indem ich nur meine Gedanken an sie richte. So führe ich mit ihnen ein stummes Gespräch. Denn ich weiß doch, das sind belebte, begeistete und beseelte Wesen, die mit uns Raum und Zeit teilen. Wobei die Bäume es einerseits schlechter, andererseits besser haben. Warum schlechter? Wenn ein Feind kommt, können sie nicht wegrennen, sind sie dem Feind, dem bösen Wesen, ausgeliefert. Aber dann haben sie es besser. Wir haben unser kurzes Lebensfristchen von 60 Jahren, während jene viel länger leben dürfen.

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      Die Nomaden leben im Durchschnitt 60 Jahre. Die Bäume stehen womöglich 600 Jahre, dann soll es auch 1.000-jährige Bäume geben. Sie sind langlebige Wesen, also deswegen verneige ich mich vor einem Baum in Gedanken: Du hast gestanden, als meine Eltern noch Kinder waren. Du hast gestanden, als meine Großeltern, deren Großeltern noch Kinder waren. Du hast Zeiten gesehen, die ich nicht kenne. Und du wirst immer noch stehen, wenn ich gegangen bin, sichtbar für meine Kinder, meine Kindeskinder und deren Enkelsenkel. Wenn ich jetzt so einen Baum genau betrachte, so im Querschnitt, dann erkenne ich die Geschichten, die Musterungen seines Lebens.

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      ALLES, WAS WIR UM UNS HERUM SEHEN, ERDE, HIMMEL, MOND, SONNE, STERNE UND DIESER BLASSBLAUE, MANCHMAL BLAUSCHWARZE RAUM, DAS IST ALLES BESEELT, BEGEISTET, BELEBT.

      So wie ich bei einem geschlachteten Schaf die Geschichte seines Lebens lese. Ist das eine Schrift aus lauter feinen Fäserchen. Und da ich nun dieser Schrift kundig bin, weiß ich, wie ich ihr mit meinem scharfen Messer folge, damit ich den einmal getöteten Körper nicht noch einmal töte, mit ihm nicht mörderisch brutal verfahre, ja, den ruhenden Körper, dieses feine Gewebe der Natur, womöglich nicht noch entstelle. Jeder Schafkörper, wohl wie der unsere auch, besteht aus so feinen, wunderschönen Musterungen. So nun auch jeder Baumkörper. Ich muss nicht erst einen Menschenkörper sezieren, um meinen eigenen kennenzulernen. Denn ich weiß doch, wie der eines Schafes oder Pferdes ausschaut. Im Grundbau sind wir alle gleich: Mensch, Yak, Murmeltier, Hase, Rebhuhn. Wir alle haben vier Glieder und den Kopfteil. Also, die Nomaden sagen, jedes Lebewesen bestehe aus fünf Gliedern. Und tatsächlich schneidet man aus diesen fünf Teilen immer einen Brocken ab, gleich, unter wie vielen ein Körper verteilt wird. Also, neuerdings bin ich in der Lage, das alles auch bei dem Baum zu erkennen, indem ich den Maserungen und Musterungen folge und die Schrift lauter Kanälchen, Adern und Ringen lese, geschrieben Jahr um Jahr. Da kann ich ungefähr das Alter eines Baumes abzählen. Manchmal tue ich das auch mittels einer Lupe. Und da ist mir, als läse ich die Lebensgeschichte einer Baumpersönlichkeit. Und dabei spüre ich, der Baum sieht mich an und bildet sich eine Meinung von mir. Da glaube ich zu wissen: Wenn sich meine Hände stümperhaft bewegen oder ich mich gar grob und gemein zu ihm benehme, dann wird er bestimmt gekränkt sein. Wenn ich aber ehrfürchtig vor ihm dastehe und vor seinem toten Körper, auch da werde ich registriert, dessen bin ich mir gewiss. Darum rede ich in Gedanken mit dem Baum.

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       Das Baumwesen redet, auch noch im Tode. Und wenn man dem mit geschlossenen Augen zuhört, dann ist man mit Ehrfurcht erfüllt und auf alle Fälle vermischt mit einem gewissen Schuldgefühl.

      Die Nomaden gehen mit der Natur dermaßen vorsichtig um, dass sie selbst beim Schichten, beim Verbrennen von Dung eine strickte Ordnung einhalten. Wenn ein Kuh-Dung so gelegen hat auf der Erde, die obere Seite vertrocknet, manchmal graublau, und wenn der nun ins Feuer kommen soll, dann legt man ihn nie auf den Rücken, da wäre man ein Stümper, ein Grobian! Und wenn ein Stadtkind damit verkehrt umgeht, bekommt es von einem Eingeweihten sofort gesagt: „Kind, leg doch den Dung richtig hin! Sonst leidet er. Stellte man dich auf den Kopf, du würdest doch auch leiden!“ Also alle Wesen, selbst der Yak-Dung, ein Pferde-Apfel, hat seinen Wert und deshalb muss der Mensch mit ihm ehrfurchtsvoll umgehen. So nun mit dem Baum erst recht. Brennholz möchte sauber abgesägt werden und sauber gespalten sein, ehe es in den Ofen kommt. Und so richtig kann das nur ein Mensch machen, der in dieser Sache Bescheid weiß. Also wenn das Holz brennt, da riecht man den Duft des Waldes noch einmal. Und da hört man die Flamme hauchen und fauchen, das Holz knattern und knistern. Und da sieht man auch, wie die Flamme ausschaut. Jede Holzart duftet anders, erzeugt andere Geräusche. Die spärlichen Wälder bei uns im Altai bestehen meistens aus Lärchen, und sie liefern das gewaltigste Holz, so kommt es mir vor. Vielleicht dadurch, dass die Lärche besonders viel Harz absondert. Also das Lärchenholz, ein Lärchenscheit brennt nie still. Da ist ein Knacken, Krachen, Knistern, СКАЧАТЬ