Название: Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung
Автор: Walter J. Dahlhaus
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
Серия: aethera
isbn: 9783825162009
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Die Förderung von Resilisienz können wir als eine herausragende Aufgabe in Heilpädagogik und Sozialtherapie verstehen.
Ohnmacht und Hilflosigkeit
Vereinfachend können wir sagen, dass Ohnmacht und Hilflosigkeit wesentlich dazu beitragen, dass ein Geschehen zu einem traumatischen oder traumatisierenden Geschehen wird. Gemeint sind also Erfahrungen, die die Verarbeitungsfähigkeit des Einzelnen überfordern.
Die jeweilige Grenze der Überforderung des Einzelnen, der jeweilige Beginn der Hilflosigkeit kann nicht generell beschrieben oder definiert werden, ebenso wie wir nicht wissen, über welche resilienten Möglichkeiten der andere verfügt. Was uns bleibt, ist die aufmerksame, wache und anteilnehmende Zuwendung zum anderen.
Das Erleiden von Gewalt
Formen körperlicher Gewalt
Ein zentraler Bereich von Traumatisierungen ist das Erleiden von körperlicher Gewalt. Gerade Kinder, auch Menschen mit Intelligenzminderung, erleben sich einer solchen Gewalt gegenüber hilflos und ausgeliefert. Diese kann körperliche Gewalt wie vor allem Schläge umfassen, aber auch Einschließen, Essensentzug, massive körperliche Bedrohungen oder andere Formen von zwingendem Ausgeliefertsein und entsprechender Ohnmacht.
Hinzu kommt das Erleiden von Gewalt und Aggressivität auch außerhalb der Familie. Dazu gehört auch, Folter oder kriegerischen Handlungen schutzlos ausgeliefert zu sein.
Weiterhin müssen in diesem Zusammenhang die Opfer von Raub, Geiselnahme, Entführung, Nötigung und Ähnlichem erwähnt werden. Das Erleiden von Mobbing kann ebenfalls diese Dimension erreichen.
Selbstverständlich ist auch all die Gewalt relevant, die Menschen im Zusammenhang mit Genozid und Holocaust erleiden mussten und müssen.
sexuelle Gewalt
Eine sehr häufig auftretende besondere Form von Gewalt ist die des sexuellen Ausgeliefertseins, der sexuellen Gewalt oder des sexuellen Missbrauchs. Dies müssen Menschen in jedem Lebensalter erleiden. Bedingt durch ihre Schutzlosigkeit und Schutzbedürftigkeit sind Kinder hier – wie bei fast jeder Form einer Traumatisierung – vorrangig betroffen. Aber auch Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen können dem ausgeliefert sein.
Letztlich ist hier jede Form einer sexuellen Nötigung gemeint, beginnend bei dem ungewollten oder unsensibel vermittelten Wahrnehmen von Nacktheit, dem ungewollten Miterleben sexueller Handlungen anderer über erlittene ungewollte Berührungen, auch wenn diese nicht primär Intimzonen betreffen, bis hin zu erzwungenen sexuellen Handlungen und schweren Formen des sexuellen Übergriffs, vor allem Formen der Vergewaltigung.
Nicht ausschließlich, aber ganz überwiegend sind Mädchen und Frauen Opfer einer solchen Traumatisierung. Allerdings werden zunehmend auch Fälle sexueller Gewalt gegenüber männlichen Kindern und Jugendlichen bekannt, oft von Vertrauenspersonen wie beispielsweise Geistlichen, Lehrern, Erziehern oder Sporttrainern ausgeübt.
Primärfamilie oder unbekannter Täter
In Bezug auf das Erleiden von Gewalt, auch von sexueller Gewalt, ist es generell von großer Bedeutung, ob diese innerhalb der Primärfamilie oder durch dem Opfer unbekannte Menschen erlitten wurde. Die Familie ist der Ort, an dem ein heranwachsender Mensch die primären Beziehungserfahrungen macht. Hier wird der Grund für die Erfahrung von Sicherheit und Geborgenheit gelegt. Die Förderung von »Resilienz« hängt stark mit den hier gemachten Primärerfahrungen zusammen.
Bedeutung von Vertrauen, Geborgenheit und Sicherheit
Erlebt ein Mensch in diesem Zusammenhang das beschriebene ohnmächtige und hilflose Ausgeliefertsein, dann erleidet er nicht »nur« die Traumatisierung durch die entsprechende Tat oder Handlung, einem solchen Menschen wird gleichermaßen der Boden für die Entwicklung von Vertrauen, Geborgenheit und Sicherheit entzogen. Das hat zur Folge, dass diese Formen von Traumatisierung sich oft sehr tief und schwer auswirken und therapeutische Möglichkeiten begrenzter sind bzw. dass oft ein deutlich längerer therapeutischer Weg gegangen werden muss. Vielleicht ein Leben lang.
Traumatisierungen durch das Erleben überwältigender Ereignisse
Erfahrungen können eine traumatisierende Dimension haben, auch wenn sie die jeweilige Person nicht primär betreffen. Dies kann in unterschiedlicher Weise geschehen, beispielsweise durch das Miterleben eines schweren Unfalls oder indem ein Mensch Zeuge eines Verbrechens wird (einen Mord mit ansehen muss, eine Leiche auffindet etc.). Hierzu gehört auch das Miterleben von Großbränden oder Naturkatastrophen wie schweren Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Hurrikans oder Ähnlichem. Auch die Konfrontation mit einer schwerwiegenden Erkrankung oder dem Tod besonders von Angehörigen kann traumatisierend wirken, vor allem, wenn die Vermittlung dieser eingreifenden Veränderung in unsensibler Weise geschieht.
Gemeinsam ist all diesen schmerzlichen Erfahrungen die eigene Ohnmacht, die Hilflosigkeit, das Entsetzen und die damit zusammenhängende schwere Angstsymptomatik.
Das Erleiden einer emotionalen Traumatisierung
Unterschätzung durch »undramatischen Verlauf«
Eine besondere Form der Traumatisierung stellt die emotionale Traumatisierung dar. Da diese Form der Traumatisierung meist »undramatisch« verläuft, für die Umgebung oft nicht unmittelbar wahrnehmbar, werden die Bedeutung, die Schwere und die Auswirkungen dieser Erfahrungen für die Entwicklung eines Menschen häufig gravierend unterschätzt. Hierzu gehört all das, was mit Vernachlässigung, Deprivation (d.h. Mangel, Verlust oder Entzug von elementaren Beziehungen), seelischer Verwahrlosung oder auch mit der Missachtung von primären Bedürfnissen zusammenhängt.
Einschätzung oft nicht möglich
Kinder können durchaus spüren, ob die erlittene Gewalt, der sie ausgesetzt sind, ungerecht, »nicht richtig« ist. Je älter sie werden, können sie auch das grundlegend Falsche und für sie Schädliche von sexueller Gewalt ahnen und zunehmend erkennen. Den Formen der emotionalen Gewalt sind sie jedoch in besonderer Weise ausgeliefert. Sie verstehen oft nicht das Unrechte daran, erleben diese Bedingungen als gegeben. Oder sie empfinden sich selber als »schuldig«, als so wertlos, dass sie diese Art des Umgangs »verdienen«.
Diese »leisere« Form der Gewalt kommt ganz überwiegend in der Primärfamilie vor. In etwas abgewandelter Form können Kinder dies jedoch auch in Kindergarten, Schule oder anderen sozialen Zusammenhängen erleiden.
Auch der sogenannte »Liebesentzug« stellt eine subtile Form der Gewalt dar.
Da Kinder diese Erlebnisse als primäre Erfahrungen machen, fehlt ihnen ein Korrektiv, das Wissen, welches Maß an Beachtung, Unterstützung bzw. Förderung ihnen »eigentlich« zusteht.
Oft wird die Bedeutung einer emotionalen Traumatisierung erst in der СКАЧАТЬ