Название: Seelische Erkrankungen bei Menschen mit Behinderung
Автор: Walter J. Dahlhaus
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
Серия: aethera
isbn: 9783825162009
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In jahrelanger Begleitung wich die Angst einer wachsenden Sicherheit. Mit dem Ausgleich der beiden Pole stärkte sich auch der mittlere, der »rhythmische« Bereich: Der Schlaf vertiefte sich, die zunächst hohe Pulsfrequenz beruhigte sich, ebenso die Atemfrequenz. Die Fähigkeit zur Ausdauer, die Aufmerksamkeitsspanne, nahm deutlich zu.
Zugänge zur viergliedrigen menschlichen Organisation 22
physischer Leib
•Das Prinzip des viergliedrigen menschlichen Organismus beschreibt – von außen betrachtet – zunächst den formbaren, gestalteten, tastbaren Leib (»physischer Leib«).
Ätherleib und Lebensprozesse
•Dieser ist von Leben durchzogen, in ihm finden Prozesse von Ernährung, Absonderung, Regeneration und Wachstum statt; weiter erhalten ihn Atmung und Wärmung lebendig. Die Gesamtheit dieser Lebenskräfte wird auch »ätherischer Leib« genannt. Von besonderer Bedeutung in der Begleitung vor allem von Kindern mit einem heilpädagogischen Hintergrund ist die Kenntnis der sogenannten sieben Lebensprozesse – gewissermaßen eine Differenzierung der oben genannten Lebenskräfte. Diese umfassen die Prozesse der Atmung, der Wärmung, der Ernährung und Absonderung, der Erhaltung, des Wachstums und der Reproduktion.
astralischer Leib
•Zusätzlich ist der menschliche Organismus »beseelt«, in ihm leben Stimmungen, Affekte, Begierden, Triebe, Freude, Schmerz, Spannung wie auch Entspannung (»astralischer Leib«).
Ich
•Und er ist getragen und durchdrungen von einer unverwechselbaren Individualität, einem Wesenskern – von einer Instanz, die bemüht ist, die Ausgestaltung des eigenen Lebens an inneren Werten auszurichten (»Ich«).
Diese vier Bereiche des menschlichen Organismus werden auch Wesensglieder genannt.
Timo war bei der Aufnahme in Schule und Internat ein zehnjähriger Junge, dessen Verhalten stark von plötzlich einschießenden Stimmungen und Impulsen geprägt war. Eine große Unruhe umgab ihn, die Aufmerksamkeitsspanne war bei hoher Ablenkbarkeit minimal. Eine mangelnde Impulskontrolle führte häufig dazu, dass er Gegenstände zerstörte, ohne es zu wollen; selten kam es auch zu fremdaggressivem Verhalten. Wollte man eine Diagnose stellen, konnte man unter anderem eine ADHS-Symptomatik attestieren.
Die Berücksichtigung des viergliedrigen Organismus ergab ein Überwiegen des Astralleibes – ablesbar an der erheblichen Spannung und Unruhe sowie an den abrupten Stimmungsschwankungen. Zusätzlich wurde diese Kräfteorganisation nicht gestützt, gehalten und ausgeglichen durch die Kräfte des Lebensleibes (quasi »von unten« – ersichtlich aus der mangelnden Befähigung zu Erholung und Regeneration) und des Ichs (»von oben« – ablesbar an der mangelnden Befähigung zu Selbststeuerung, Selbststruktur und Impulskontrolle).
Der therapeutische Zugang zielte – unter anderem – vor allem auf eine Stärkung der Lebenskräfte ab, indem rhythmische Abläufe (Tagesstruktur, Mahlzeiten, Schlafzeiten) intensiv gepflegt und begleitete Zeiten von Regeneration eingeführt wurden, es wurde auf Durchwärmung und eine gute natürliche Ernährung geachtet, aufbauende Substanzen (Aufbaukalk und anderes) verabreicht, Leibwickel (Kamille) und Einreibungen (Primula) angewendet – immer getragen von einer beruhigend-ermutigenden Beziehungsgestaltung.
Nachdem auf diese Weise ein Boden geschaffen worden war, wurde versucht, die Selbstwahrnehmung und Selbstregulation zu stärken: »Was magst du dir vornehmen?« – »Welche Ziele setzt du dir?« – »Was schaffst du?« Damit wurde dem übergeordnet-ordnenden Prinzip des »Ichs« Rechnung getragen.
Zugänge zu den polaren Krankheitstendenzen
Heilpädagogische Zustände sind keine »Defektzustände«, sondern Einseitigkeiten, die nach Ausgleich suchen.
Grundtypen heilpädagogischer Entwicklung
Rudolf Steiner beschreibt in seinem Heilpädagogischen Kurs Krankheitsbilder bzw. Formen oder Grundtypen heilpädagogischer Entwicklung. Dabei werden in diesem anthroposophisch orientierten Ansatz zur Heilpädagogik beispielhaft drei Bereiche herausgehoben und an jeweils polar gegenüberliegenden Paaren von spezifischen Krankheitstendenzen verdeutlicht:23
Verkrampfung und »Ausfließen«
•Beeinträchtigung von Einschlafen und Aufwachen. Dahinter steht die Frage des Inkarniertseins, die Verbindung von Seele und Körper, konkret, im Sinne von Rudolf Steiners Menschenkunde, das beeinträchtigte Eingliedern der oberen in die unteren Wesensglieder.24 Eine Neigung zu Verkrampfung (Stau bzw. zu starkes In-sich-Sein) wird einem »Ausfließen« (d.h. zu großer Offenheit, zu starkem Außer-sich-Sein) gegenübergestellt. Steiner verwendet hierfür die Begriffe »epileptisch« auf der einen und »hysterisch« auf der anderen Seite. Dies bedeutet aber keine Begrenzung auf ein konkretes epileptisches Anfallsgeschehen bzw. auf hysterische Zustände, vielmehr sind übergreifende Seinszustände gemeint (siehe hierzu auch das Kapitel »Psychiatrische Aspekte der Epilepsie«, Seite 345 ff.).
Entwicklungsverzögerung und Zwangszustände
•Ein zweites polares Paar beschreibt den Umgang mit Vergessen und Erinnern. Hier wird Leiblich-Seelisches auf konkrete Stoffwechselprozesse bezogen, insbesondere auf das Gleichgewicht von Schwefel zu Eisen. Ein Ungleichgewicht in diesem Bereich kann Entwicklungsverzögerungen verursachen (beispielsweise eine Phenolketonurie bei einer schwefelbedingten Stoffwechselstörung) oder zu Zwangszuständen führen (bei einem Übergewicht der Eisenkomponente; siehe hierzu auch das Kapitel »Zwangsstörungen«, Seite 210 ff.).
gehemmte und ruhelose Bewegung
•Ein drittes sich polar gegenüberstehendes Paar bezieht sich auf den Bewegungstypus: Schwere, gehemmte, verlangsamte Bewegung wird in einen Zusammenhang mit der Sinnesbefähigung gebracht; dem gegenüber steht ein überbewegliches und ruheloses Bewegungsbild, das Menschen kennzeichnet, die schwer nur bei einem Eindruck verweilen können.
Im Kontext des Heilpädagogischen Kurses benennt Rudolf Steiner diesen Zustand des ruhelosen Bewegungsdrangs als »maniakalisch«, angelehnt an den Begriff der »Manie«.25
leibliche Konstitution und seelische Bedingtheit
Hintergrund dieser polaren Bilder ist die sich gegenseitig bedingende Verbindung von leiblicher Konstitution und seelischer Bedingtheit. Die jeweiligen Zustände werden dabei vom Gesichtspunkt des Ungleichgewichts her beschrieben. Das therapeutische Bemühen hat daher einen Ausgleich zum Ziel und setzt auf unterschiedlichen Ebenen an.
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