Название: Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке
Автор: Бернгард Келлерман
Издательство: КАРО
Жанр: Зарубежная классика
Серия: Моderne Prosa
isbn: 978-5-9925-0204-6
isbn:
Schon wochenlang hatte Fabian sich auf dieses Wiedersehen gefreut und ihm voller Spannung entgegengesehen. Seitdem seine Ehe mit Clotilde in die Brüche gegangen war[35], übte er eine große Zurückhaltung gegen Frauen. Er empfand eine starke Zuneigung zu Christa und hatte im Grund seines Herzens gewünscht, dass sie ihn nach der langen Trennung enttäuschen würde. Fast ärgerlich über sich selbst, musste er sich gestehen, dass er sie in gleichem Maße anziehend fand wie früher.
«Ich bin glücklich, Sie wiederzusehe», sagte er aufrichtig. Von allen seinen Bekannten hatte er in Wahrheit am häufigsten an sie gedacht.
Christa Lerche-Schellhammer war eine junge Dame mit braunen Augen, so weich wie Samt. Ihre regelmäßigen, schlichten, auffallend klaren Gesichtszüge fanden viele für ungewöhnlich schön, während andere diese Schönheit nicht entdecken konnten. Niemand aber leugnete den Reiz ihres Lächelns, das ihr ganzes Wesen erhellte, wie ein Licht, das von irgendwoher aus ihrem Innern strahlte.
Auch heute war Fabian von ihrem Lächeln wieder bezaubert.
Wie reizend ist doch ihr Lächeln? dachte er, während er plaudernd mit ihr ins Haus trat. Ist es nicht merkwürdig, dass ich es selbst während meiner langen Abwesenheit nicht ganz vergessen konnte? Und wie wundervoll ist doch der Klang ihrer Stimme! Nein, du kannst sagen, was du willst, sie ist wirklich ein wahrhaft reizendes Wesen. «Sie kommen gerade recht zum Tee, Mama erwartete Sie seit Tage», sagte Christa und öffnete die Tür zum Empfangszimmer.
Auch diese einfachen Worte gefielen ihm. Es ist schließlich ganz gleichgültig, was sie sagt, dachte er. Es liegt am Zauber ihrer weichen Stimme.
«Ich bitte Sie herzlich, beruhigend auf Mama einzuwirke», begann Christa und deutete auf einen Sessel. «Sie war in den letzten Tagen unsagbar aufgeregt».
«Aufgeregt, sagt sie». rief in diesem Augenblick mit lauter Stimme Frau Beate Lerche-Schellhammer, die breit und mit vor Zorn geröteten Wangen in der geöffneten Tür erschien. «Geplatzt bin ich vor Wut! Räuber und Spitzbuben, das sind meine verehrten Herren Brüder, Banditen». Sie lachte wütend auf, indem sie auf Fabian zuging. «Endlich zurück von der Reise, lieber Freund». fügte sie ruhiger hinzu und reichte ihm die Hand.
Fabian begrüßte sie herzlich wie eine alte Bekannte. «Behalten Sie ruhig Platz, mein verehrter Freun», fuhr sie fort. «Ich habe wieder, wie so oft, Ihren Rat dringend nötig. Sofort werde ich Ihnen den Brief geben, den meine edlen Brüder an mich geschrieben haben. Wo habe ich denn den Brief dieser Schurken hingelegt, Christa».
Frau Beate Lerche-Schellhammer war eine schwere, massige Frau mit kräftigen Schultern und einem geröteten, in die Breite gegangenen Gesicht. Sie hatte die gleichen braunen Augen wie Christa, nur dass sie um eine Schattierung dunkler waren und nicht dieselbe samtartige Weichheit zeigten. Sie waren härter. Wenn man die beiden auf der Straße sah, so konnte man nicht eine Sekunde im Zweifel darüber sein, dass sie Mutter und Tochter waren.
Endlich hatte Frau Beate den Brief auf einer Kommode in der Ecke gefunden und reichte ihn Fabian:«Lesen Sie den Brief in aller Ruh», sagte sie, «und erklären Sie mir dann, worauf meine edlen Brüder hinauswollen. Es scheint, als hätten sie endlich die Maske abgeworfen! Wenn ich sie recht verstehe, soll ich aus den Werken Schellhammer ausscheiden, kurzerhand ausbooten wollen sie mich, da ich ihnen im Wege bin! Sie werden ja sehen». Sie entnahm einer Schachtel eine schwarze Zigarre, ließ sichin einen bequemen Sessel nieder und begann in erregten Zügen zu paffen. Dabei ließ sie Fabian nicht eine Sekunde aus den Augen.
Sobald er nur die Brauen hochzog, richtete sie sich im Sessel auf und rief: «Nun, habe ich recht». «Er muss ja den Brief erst lese», warf Christa ein.
Fabian nickte nachdenklich. «Es scheint, dass Sie recht behalten, gnädige Fra», erwiderte er.
Frau Beate stieß eine mächtige Rauchwolke zur Decke empor und lachte wütend. «Natürlich kann ich meine edlen Brüder recht gut verstehe», begann sie von neuem. «Nützen kann ich ihnen nichts mehr, und schaden kann ich ihnen noch weniger. Was für ein Interesse sollten sie also an mir haben? Ich bin nicht in der Lage, ihnen den Ehrendoktor zu verleihen oder glänzende Orden, wie ihre Weiber sie lieben, oder haushohe Titel, vor denen ihre Dienstboten herumkriechen. Ich verstehe ja, dass ihnen ihre Weiber näherstehen als ihre Schwester».
Das Mädchen brachte den Tee, und sie brach ab. Christa half, den Tisch zurechtzumachen.
Fabian las den Brief zu Ende und versuchte sich nochmals, die Rechtslage vorzustellen.
Die Schellhammerschen Werke repräsentieren heute einen bedeutenden Wert, den man auf mehrere Millionen schätzte. Im Weltkrieg hatte der alte Schellhammer die erste große Halle gebaut, heute waren es zehn riesenhafte Anlagen. Erst heute hatte er sie im Vorbeigehen bewundert. In erster Linie fabrizierten die Werke schwere Lastwagen, Autobusse und Schlepper, erst in den letzten Jahren produzierten sie auch landwirtschaftliche Maschinen. Der alte Schellhammer hatte die Werke seinen Kindern hinterlassen, zwei Söhnen und einer Tochter. Von den Söhnen leitete der ältere, Otto, den kaufmännischen Teil, während der jüngere, Hugo, der als Ingenieur einen ziemlichen Ruf genoss, die technische Leitung übernahm. Die einzige Tochter war Frau Beate Lerche-Schellhammer.
Fabian stand Frau Beate seit Jahren als Anwalt zur Seite. Sie hatte sich wiederholt über die Bezüge beklagt, die ihr die Brüder zubilligten. Mehrmals stand man vor einem Prozess. Schließlich hatte aber immer die Rücksichtnahme der Brüder, die Fabian als großzügige Menschen kannte, die Oberhand gewonnen[36]. Auch in dem heutigen Schreiben deutete eine Wendung auf die Bereitwilligkeit der Brüder hin, einen Weg der Verständigung zu suchen, die für beide Teile tragbar wäre.
Als das Mädchen aus dem Zimmer schlüpfte, erhob sich Fabian, um den Brief auf den Tisch zu legen.
«Es kann gar kein Zweifel mehr bestehen, gnädige Fra», sagte er, «der Wunsch Ihrer Brüder, dass Sie aus der Firma ausscheiden, könnte kaum unverhüllter ausgedrückt werden». Frau Beate fuhr auf, und abermals färbte der Zorn ihre Wangen dunkelrot. Sie zerdrückte die schwarze Zigarre in einer Aschenschale. «Nicht unverhüllter, wahr, wahr». rief sie mit erregter Stimme aus. «Aber können Sie mir den Grund angeben? Was hat all das zu bedeuten».
Fabian zuckte die Achseln. «Wir werden erst Klarheit gewinnen müssen».
«Ich bitte dich, Mama, rege dich nicht von neuem auf». bat Christa.
«Ich rege mich nicht im geringsten au», beruhigte sie Frau Beate. «Ich will nur wissen, was das bedeutet». Sie schlug heftig auf die Lehne des Sessels. «Was ist plötzlich in meine edlen Brüder gefahren? Ein kleines Gläschen». Frau Beate goß sich aus der Karaffe Kognak ein.
«Ihre Brüder schreibe», erläuterte Fabian, «dass wir lebhaften Zeiten entgegengehen, die oft blitzschnelle Entscheidungen fordern werden. Das könnte immerhin manches andeuten».
Frau Beate schüttelte den Kopf. «Ich kenne doch meine Brüde», sagte sie. «Es müssen besondere Ereignisse eingetreten sein». Sie begann nachdenklich durch das Zimmer zu gehen. «Besondere Ereignisse». wiederholte sie zuweilen.
«Der Brief scheint mir sogar eine schlecht verborgene Dringlichkeit zu verrate», warf Fabian ein.
«Nicht wahr». Frau Beate blickte Fabian ins Gesicht, und zum erstenmal sah er die feinen Linien, die ihren Mund umgaben. «Sie scheinen es eilig zu haben, die beiden Räuber. Um so unerklärlicher erscheint mir die ganze Geschichte». Sie nahm eine neue Zigarre aus der Schachtel und steckte sie in Brand. «Oh, ich werde euch schon auf die Schliche kommenСКАЧАТЬ
35
in die Brüche gehen – разрушиться, рухнуть
36
die Oberhand gewinnen – ваять верх, превзойти