Die Verborgene Harmonie. Osho
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Название: Die Verborgene Harmonie

Автор: Osho

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия: Edition Osho

isbn: 9783942502863

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СКАЧАТЬ Jahren, als ich mein Buch „Das Dritte Ohr“ schrieb, brauchte ich Informationen über Heraklits „Verborgene Harmonie“. Ich fragte einen Philosophie- und Politikdozenten von der Technischen Universität Berlin – Hans-Peter Hempel, Autor des Buches „Heidegger und Zen“. Der sprach von dem engen Zusammenhang des Denkens Heideggers und dem Oshos am Beispiel des Heraklit. Ich traute meinen Ohren nicht. Ich schwöre, Hempel hatte nichts mit Sannyasins am Hut. Er kannte selbstverständlich die Literatur und Oshos Werk, er wusste, wo man sich am besten kundig macht.

      2.

      Heraklit und Osho: Die beiden sind wie die Quellflüsse eines gemeinsamen Stromes – der eine fließt über die Jahrtausende hinweg, der andere in unserem Jahrhundert entsprungen und doch bereits ähnlich mächtig und reißend. Der Leser steht am Ufer und sieht und verfolgt staunend, bewegt, verunsichert, manchmal auch lachend die Gedanken – sich wandelnd, sich verzweigend, wieder zusammenfließend, in Strudeln und Katarakten – in unerschöpflicher Fülle vorbeiströmend. Es ist schön, am Ufer zu stehen und den Fluss anzuschauen. Ganz viele Osho-Leser tun das. Aber es ist auch notwendig, in den Fluss zu springen und selbst zu schwimmen. Deshalb hat Osho so oft gesagt: „Bücher müssen überschritten werden.“

      Wer das Ufer überschreitet, fällt in den Fluss. Dann muss er schwimmen können. Um ein Ufer überschreiten zu können, braucht man das Ufer. Um Bücher überschreiten zu können, braucht man Bücher. Wer aus Oshos Forderung, Bücher müssen überschritten werden, folgert, er brauche keine Bücher zu lesen, hat nichts verstanden.

      Ich habe in den USA einen Freund, dessen Haus direkt am Mississippi steht. Da sitzt er stundenlang am Fenster und schaut auf den sich in jeder Welle wandelnden Strom.

      „Ich wohne hier schon 25 Jahre lang“, sagt er, „aber der Fluss ist jede Minute anders. Du wirst süchtig, wenn du ihn anschaust. Es ist, als siehst du das Leben selbst.“

      Als junger Mann war ich süchtig nach der Sprache Nietzsches. Man kann süchtig nach Oshos Sprache werden. Ich kann diejenigen verstehen, die es werden. Man steht am Ufer und schaut den Worten, Sätzen und Gedanken zu, als seien sie Wellen. Osho schwimmt in ihnen – wie jene großen chinesischen Denker, die einmal in ihrem Leben den Gelben Fluss durchschwammen. Osho schwimmt sein Leben lang durch Ströme, die so breit sind wie der Gelbe Fluss: Den Strom Laotse. Den Strom Buddha. Den Strom Jesus. Den Strom Pythagoras. Die Ströme der großen Zen-Weisen. Den Strom Heraklit.

      Wer jemals durch einen Strom geschwommen ist, hat hinterher das Gefühl: jetzt ist er mein eigener. Aber er hat auch erfahren: „Man schwimmt niemals durch den gleichen Fluss.“ Das ist einer der großen Sätze Heraklits. Über die Jahrtausende hinweg wurde er immer wieder aufgegriffen – bis hin zu Hermann Hesse.

      Osho: „Irgendwie müsst ihr es verstehen lernen, dieses ewige Fließen… nichts als ein Fließen, das immer weitergeht.“

      Wenn der Fluss in jeder Sekunde ein anderer ist, dann ist der Mensch noch viel mehr von Sekunde zu Sekunde ein anderer. Osho zitiert Buddha: „Es gibt nichts in dir, das Dauer hat, nichts, das Wesen hat. Du bist etwas Fließendes, ein Strom.“

      Man könnte an dieser Stelle auf die moderne theoretische Physik verweisen. Der Einstein-Schüler David Bohm hat das neue physikalische Weltbild des „Holomovement“ geschaffen – von holos – ganz, und movere (lateinisch) – sich bewegen. Alles ist eins und dennoch in steter Bewegung. Das genau sagt Heraklit, das sagt Osho, das sagen heute auch die Physiker. Nachdem sie jahrhundertelang das Gegenteil dessen gesagt haben, was die spirituellen Weisen meinten, sagen sie heute genau das Gleiche.

      3.

      Oshos Heraklit-Buch beginnt mit dem berühmtesten Heraklit-Fragment:

       „Die verborgene Harmonie

       ist mächtiger

       als die offensichtliche…

      Die Menschen sehen nicht,

      dass alles, was sich widerspricht,

       dadurch mit sich in Einklang kommt.“

      Diese Worte sind auch Schlüsselsätze meines eigenen Denkens. Der erste, vorstehend wiedergegebene Heraklit-Satz ist eingespannt in den Kontrast zwischen den Adjektiva „verborgen“ und „offensichtlich“. Wir kennen alle die offensichtliche Harmonie: den fröhlichen Zusammenklang zwischen Menschen – das harmlose, „harmonische“ Zusammenklingen der Töne in Tagesschlagern oder Meditationsmusik – die Übereinstimmung zwischen dir und mir, die schon morgen durch Hass ersetzt werden kann. Heraklit meint, diese „offensichtliche“ Harmonie ist zwar gut und mächtig, aber es gibt eine andere Harmonie, die noch viel besser und mächtiger ist, das ist die „verborgene“.

      Was könnte mit „verborgene Harmonie“ gemeint sein? Ich glaube, es ist gut, sich Heraklit im griechischen Original anzuschauen. Der vollständige Spruch umfasst nur vier Worte – halb so viel wie die deutsche Übersetzung:

      Armonia aphanes phaneres kreisson.

      Wahrhaftig ein Satz, an dessen gedanklicher und schriftstellerischer Prägnanz sich Generationen von Philologen die Zähne ausgebissen haben. Man spürt, dass der Satz auf das Wort kreisson zuläuft. Ich schlage in meinem Schul-Lexikon nach, das schon meinem Vater in seiner Kindheit gedient hat, und finde dort, dass es eine ganze Skala von Bedeutungen besitzt: stärker, mächtiger, gewaltiger, vorzüglicher, kräftiger, nützlicher, besser, glücklicher, überlegen, obsiegen, Sieger, Herrscher. All das schwingt mit, wenn Heraklit die öffentliche, für jedermann sichtbare, leuchtende, wohlklingende Harmonie für weniger mächtig hält als die unsichtbare, verborgene, nicht auf Anhieb erkennbare. Man könnte völlig richtig übersetzen: „Die verborgene Harmonie ist Sieger über die sichtbare“ – und hätte damit einen Spruch vom Zuschnitt Laotses.

      Die beiden Worte, die im griechischen Original aufeinanderprallen wie Rammböcke, sind – das wird im Griechischen noch deutlicher als im Deutschen – Sehworte: aphanes und phaneres. Ihre gemeinsame Wurzel steckt in dem Wort phanos – die Fackel, die Leuchte. Unser Wort Fantasie ist damit verwandt; im Griechischen bedeutet es Erscheinung, Vorzeichen, Wunder, Traumbild, Gespenst. Also: Harmonie kann leuchtend sein. Wie eine Fackel. Aber dann ist sie lediglich eine Erscheinung, ein Traumbild, ein Gespenst. Mächtiger und besser als diese Art von Harmonie ist diejenige, die nicht leuchtet und die niemand sehen kann, weil sie verborgen ist. Sie ist – das macht der Komparativ kreisson deutlich – noch gewaltiger, mächtiger, trefflicher, nützlicher als die sichtbar vor aller Augen liegende „öffentliche“ Harmonie.

      Das Wort armonia war auch bei den Griechen schon ein musikalisches Wort. Harmonie erklingt, wird gehört. Die mächtigere Harmonie – diejenige, die wir nicht sehen können, als sei sie eine Fackel – können wir allein durch unsere Ohren wahrnehmen. Auf diese Weise steckt gleich auch noch drin in dem Heraklit-Wort: Was wir hören können, geht tiefer, ist mächtiger, vorzüglicher, nützlicher, besser, glücklicher als das, was wir sehen können.

      Dass hier nichts hineininterpretiert wird, macht der zweite Heraklit-Spruch vollends deutlich: „Die Menschen sehen nicht, dass alles, was sich widerspricht, dadurch mit sich in Einklang kommt.“ Das zu betonende Wort ist „dadurch“.

      Heraklit will sagen: Die Dinge kommen eben dadurch in Einklang – in Harmonie! –, dass sie einander widersprechen. Sie sind also nicht in wahrer Harmonie, wenn ihr Einklang offensichtlich ist, wenn er nur dem Auge einsehbar СКАЧАТЬ