Название: Begierde
Автор: Lilly Grünberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783942602808
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Es gab viele Frauen, auch viele attraktive, aber so eine wie Vicky war ihm schon lange nicht mehr begegnet. Sie hatte Rasse. Kein Wunder, dass es für sie ein Leichtes war, die Männer zu verführen.
»Willst du damit sagen, du hast häufig wechselnde Männerbekanntschaften?«
Wenn sie nur nicht so überheblich und zufällig meine Schwester – er verbesserte sich in Gedanken – Stiefschwester, wäre. Ich würde sie wirklich zu gerne, nein – wie absurd. Letzten Endes trat Vicky in die Fußstapfen ihrer Mutter und aller anderen Frauen, die in seinem bisherigen Leben eine Rolle gespielt hatten. Alle legten denselben Egoismus an den Tag und dachten nur an ihre Vorteile. Was hatte sie erst vor wenigen Minuten gesagt? Am liebsten würde sie reich heiraten? Er malmte mit den Kiefern. Dolce vita.
»Warum sagst du es nicht gerade raus? Du hältst mich für geil und nymphoman.« Sie lachte. »Na und? Ich schäme mich nicht deswegen. Ich liebe Sex – du etwa nicht? Aber warum immer derselbe Mann? Das ist doch öde. Ich brauche den sexuellen Kick, je öfter und überraschender – desto besser. Es ist doch alles nur ein Spiel.«
Das Gespräch begann ihn zu strapazieren. Er hätte nicht kommen sollen. Allen negativen Erfahrungen zum Trotz war er im Herzen ein Romantiker und träumte ziemlich weltfremd von der einen treuen Geliebten und Ehefrau, mit der er glücklich werden würde und Kinder zeugen, obwohl Jahr um Jahr verging und die Wirklichkeit dagegen sprach. Vicky war auf dem besten Wege, seine Träume erneut ins Wanken zu bringen. Wie alt war sie jetzt? Er rechnete wortlos nach. Dreiundzwanzig. Wie viele Männerbekanntschaften hatte sie in dieser Zeit wohl schon gehabt? Ekel stieg in ihm auf. Er sollte endlich den Tatsachen ins Auge schauen. Waren nicht alle Frauen so wie sie? Wankelmütig, egoistisch, berechnend, arrogant? Er konnte ihre Äußerungen nicht einfach im Raum stehen lassen, sondern sah sich genötigt, ihr ein letztes Mal zu widersprechen, ehe sich ihre Wege unwiderruflich trennten.
»Eine feste Beziehung hat doch auch gewisse Vorteile, die du völlig außer Acht lässt, zum Beispiel Geborgenheit, Sicherheit, Vertrauen. Und es gibt auch Männer, die das mit fantasievollen erotischen Liebesspielen vereinen und mit denen man durchaus noch nach Jahren des Zusammenseins sexuelle Abenteuer erleben kann.«
Vicky lachte schrill auf und warf den Kopf zurück. »Wenn du einem von ihnen begegnest, schick ihn bei mir vorbei. Ich würde ihn auf der Stelle heiraten und treu werden.« Sie beugte sich vor und flüsterte. »Zu was für Spielchen bist du denn bereit? Wie spannend ist dein Liebesleben? Bist du deiner Freundin treu? Oder ab und zu scharf auf einen Blowjob nebenher? Glaub mir, ich bin gut darin. Jetzt gleich, hier?«
Sie schaute sich um und machte Anstalten, unter dem Tisch zu verschwinden. Er packte verärgert über ihre Schamlosigkeit ihr Handgelenk und zischte: »Nicht, hör auf damit, du –« Er schluckte die Schlampe hinunter.
Vicky lachte schallend.
Marc beeilte sich, sein Glas auszutrinken. Ihm reichte, was er erfahren hatte, mehr als er ertragen wollte. Er war froh, dass Vicky ihn nicht weiter nach seinem Privatleben fragte, so brauchte er nicht zu lügen, denn eine Freundin hatte er derzeit überhaupt nicht. Aber das ging Vicky nun wirklich nichts an.
Marc winkte dem Ober, um zu bezahlen und kurz darauf verabschiedeten sich beide voneinander.
In dieser Nacht lag Marc lange Zeit wach. Ohne dass er es wollte, ging Vicky ihm nicht mehr aus dem Kopf. Seine Augen taxierten ihr Gesicht, ihr Dekollete, ihre Figur, die schlanken Beine. Ihre meergrünen Augen erwiderten selbstsicher und frivol seinen Blick. Je länger er über ihre Unterhaltung nachdachte, desto mehr ärgerte er sich über ihr Verhalten. Hatte sie nur gepokert oder wäre sie wirklich für einen Blowjob unter den Tisch gekrochen? Ob sie wohl tatsächlich gut darin war? Er zuckte erschrocken zusammen. Was für ein Gedanke!
Er sprang aus dem Bett und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. An Schlaf war nicht zu denken. Dabei war Vicky früher ein vollkommen unbescholtenes Geschöpf gewesen, ein ehrliches und natürliches Mädchen bis – er weigerte sich, den Gedanken zuende zu führen. Ohne Ziel wanderte er mit dem Bierglas in der Hand auf und ab. Das Ein-Zimmer-Appartement, das er bei seinen seltenen Besuchen in Frankfurt bewohnte, bot nur wenig mehr Ablenkung als Radio und Fernseher. Nun, er würde sowieso nicht lange bleiben. Noch ein paar Kundentermine in Frankfurt und Köln, dann ging es zurück nach Hause – nach Italien.
Vickys Jugendfreund
Marc war gestresst. Den ganzen Tag über hatte er gebüffelt wie ein Wahnsinniger. Jetzt war sein Genick steif und in seinen Schläfen pochte es. Er rieb sich die Augen und sah dann auf die Uhr. Bereits Mitternacht vorbei. Er streckte die Arme in die Höhe und dehnte sich. Die Prüfung rückte unaufhaltsam näher. Noch zwei Wochen, dann würde sich zeigen, ob er genügend und das Richtige gelernt hatte. Mit diesem Diplom würde sich sein Traum erfüllen lassen, nach Italien zu gehen und dort seine kreativen Ideen zu Geld zu machen.
Sein Handy vibrierte. Er schaute auf das Display und lächelte. Vicky. Niemals hätte er geglaubt, dass man eine Stiefschwester derart ins Herz schließen könnte. Aber Vickys unbeschwerte fröhliche Art war wohltuend. Italien. Er war hin und hergerissen zwischen seinem Wunsch, dort zu arbeiten, und dem Schmerz, Vicky zurückzulassen. Wenn sie mit der Schule fertig war, würde er sie zu sich holen.
Als hätte er geahnt, dass sie genau jetzt ihre SMS schicken würde, hatte er im richtigen Augenblick aufgehört zu lernen. Die Info war knapp. Bitte hol mich ab.
Marc knipste die Schreibtischlampe aus und rannte polternd die alte Holztreppe hinunter. Wieder einmal waren sie am Wochenende alleine. Manchmal würde er schon gerne wissen, wohin seine Eltern dauernd fuhren. Vielleicht hatten sie heimlich ein Wochenendhaus gemietet? Aber eigentlich war er froh, wenn er sie nicht sehen musste. Für das geile Herumgetue fand er nur ein Wort passend: ätzend.
Er startete den alten Opel Escort, den ihm sein Patenonkel zum Führerschein geschenkt hatte. Nichts Besonderes und ganz gewiss nicht sein Traumauto, aber Patenonkel Peter hatte wenigstens Wort gehalten und ihm auch noch die Versicherung für das erste Jahr bezahlt, eine Aufgabe, die er eher von seinen Eltern erwartet hatte.
Eltern. Welch ein Hohn. Er hatte wohl irgendwelche Erzeuger. Aber Eltern? Es schien ihm, als sei das eine halbe Ewigkeit her. In dem Maße, wie das Interesse seines Vaters für seine Mutter abflaute und er sich mit Geliebten herumtrieb, schien auch das Interesse seiner eigenen Mutter an ihm, ihrem einzigen Kind nachzulassen. Als ob er an dem Zerbrechen ihrer Ehe schuld wäre. Natürlich hatte sie ihm erklärt, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte, dass sie einfach nur sehr unglücklich gewesen sei und sich deshalb vielleicht mehr zurückgezogen hatte, als für ihn als Kind verständlich war. Dennoch begriff Marc bis heute nicht, warum sie ihn beim Vater zurückgelassen hatte. Er war gar nicht um seine Meinung gefragt worden.
Sobald er sich der Innenstadt näherte, wurde der Verkehr dichter. Samstagnacht schien die halbe Stadt unterwegs zu sein. Marc seufzte und drehte das Radio lauter. Mal wieder richtig unterwegs sein, Spaß haben – diese Sehnsucht wurde immer größer. Aber er hätte es sich niemals verziehen, wenn er sich den Abschluss durch Faulheit vermasselte und damit seinen Traum. Dieses halbe Praktikumsjahr in Italien hatte viel verändert. Zusammen mit Antonio, seinem italienischen Studienkollegen, hatte er das zum Innenarchitektur-Studium gehörende Praktikumssemester in der Firma von Antonios Vater СКАЧАТЬ