»Unsinn,« schnob Tante Ulrike. »Ich wollte, es wäre einer,« seufzte Harro. »Es ist aber leider keiner. Tante Uli, mach Frieden für heute. Lege deinen Schirm weg da zu den Rosen, die dir meine Rose hingestellt. Da hast du ihn gleich wieder. Ihr müßt also dableiben.«
»Wenn ein Mann eine Schärpe anhat, so ist etwas bei ihm nicht richtig, das ist mein Eindruck, Marga,« sagte Tante Ulrike.
»Es ist nur zu richtig bei ihm. Rosmarie fürchtet sich so allein in dem fremden neuen Haus, ihr sollt ihr nur ein wenig sich eingewöhnen helfen. Sie wird euch alles zulieb tun. Ach Gott, macht mir's nicht so schwer. – – Ich brauch euch. – Tante Marga, sei so gütig und sieh nach Rosmarie, ich muß mit Tante Ulrike sprechen.«
Tante Marga gab ihm einen ermunternden Klaps und ging hinaus.
Harro warf sich auf einen Stuhl, die Tante nahm ihren Hut herunter und zog ihre Handschuhe aus.
»Du bist ein Narr, Harro.«
»Ja, der bin ich. Aber besser ein Narr als ein Schelm. Sieh, die Rosmarie ist fast noch ein Kind in einer Beziehung. Eine Mutter hat sie nicht, die ein vernünftiges Wort mit ihr spräche. Es ist auch gar nicht nötig, es ist besser so.«
»Hm.«
»Gewiß, es ist besser. Sie wird gar nichts entbehren oder sonderbar finden. Sie hat ihr Schlafzimmer, in dem nur ihr Bett steht, mit der größten Selbstverständlichkeit angesehen. Ihre Mutter ist eine unangenehme Dame.«
»Geputzt wie eine Jahrmarktspuppe. Sie versuchte mir zu imponieren. Ha!«
»Nun, Rosmarie hat irgend etwas Schlimmes mit ihr erlebt. Ich konnte nicht erfahren, was. Unsere Hochzeit war auf das nächste Jahr bestimmt, wo Rosmarie zwanzig Jahre alt würde.«
»Zu jung, viel zu jung.« –
»Jetzt ist sie neunzehn. Noch heute hat sich Rosmarie über ihre Mutter in einer mir unerklärlichen Weise aufgeregt. Es kann sein, daß Rosmarie, die eine sehr blühende Phantasie hat, sich in etwas hineingesteigert hat.«
»Dieser Frau, die jedem Mann, der sich hinter sie stellt, erlaubt, daß er ihr bis in den Magen hinuntersieht, traue ich alles zu. Aber Künstlern gefällt das vielleicht. Heidnisch.«
»Jedenfalls, ob Rosmarie nun im Recht ist oder nicht, die Abneigung ist da und die beiden Damen können nicht beisammen gedacht werden.
Wohin aber mit Rosmarie? Zu ihrer Tante in Baden kann sie nicht. Die hat ja den Fuß gebrochen und ist bei dem Wundermann in Göggingen.«
Eine Pause.
»Hm, hm. Ja, ja! aber ein Narr bist du doch, Harro. Und wie lange soll das währen?«
»Bis Rosmarie zwanzig Jahre alt ist, nun, der Tag muß nicht gerade im Kalender stehen. Rosmarie war vor einem Jahr fast am Tode.«
»Was hat ihr denn gefehlt?«
»Kummer und wieder Kummer, sie verstehen sie alle nicht.
Du siehst doch ein...«
»Daß du ein Narr bist und etwas auf dich genommen hast, was du nicht vollbringen wirst!«
»Ich habe mein Wort gegeben.«
»Um so törichter von dir.«
»Es trifft nur mich. Sie wird nichts entbehren, und die Zeit wird herumgehen. Dann werden wir Hochzeit haben. Das wird ein Fest... Ein Rosenfest. Heute ja, man wurde kommandiert und begrüßt und hin und her geschoben und angestarrt wie ein neues Tier im Zoo. Und das fatale Gefühl dabei, daß sie an den Geldsack denken, den ich doch so mühselig und mit Knirschen schleppe. – Bah – nicht daran denken.«
»Harro, wenn du zu jammern anfängst in deinem verrückten Goldschloß und mit deiner Prinzessin Tausendschön. Umsonst ist der Tod, und der kostet das Leben. Es bekommt nicht jeder Leutnant a. D. und Ruinenbesitzer eine Prinzessin. Nun kann er auch etwas um sie ausstehen. Ha!«
»Tante Ulrike, du tust mir wohl vom Kopf bis zu den Zehen! Ein Stahlbad bist du! Es geht doch nichts über die lieben Verwandten. Und nun komm zu der Rose. Sonst meint sie, ich bekomme die ganze Zeit Schelte.«
»Ein Filou bist du aber doch, Harro,« sagte Tante Ulrike, und sie gingen einträchtig miteinander in das Speisezimmer hinunter, wo die gedeckte Tafel mit einer großen Schale Herbstveilchen darauf sie erwartete.
Rosmarie machte eine entzückende Hausfrau. Noch ein wenig nervös, aber sonst tadellos.
Tante Marga war sehr munter geworden und schien heute alles gesehen und gehört zu haben. Man saß noch eine kleine Weile im Schmollwinkel, dann erklärte Harro, daß Festlichkeiten etwas ungemein Zehrendes hätten, und daß die Tanten Rosmarie zu Bett bringen würden.
Und sie solle gewiß auf ihre Träume achten, denn sie sei nun der erste Mensch, der im Haus schlafe ...
»Ja wo bist denn du, Harro?«
»Ich schlafe immer noch im Atelier, auf meinem alten Bett: das habe ich aus der Ruine mitgenommen. – Und Rosmarie wird sich doch nicht fürchten?« »O nein, aber es ist sehr lieb, wenn die Tanten noch einen Augenblick bei mir sind.« Und Rosmarie lächelt zu ihm auf. »Gute Nacht!« ganz strahlend und selig. »Auf morgen!«
Die Tanten gehen hinüber, und die zwei steifen alten Damen sind wie Kinder mit einer neuen Puppe. Sie streicheln ihr über die Hände und bewundern das herrliche Goldhaar und stehen an ihrem Kissen wie zwei lange dunkle Wächterinnen.
Und die junge Seele des neuen Hauses tut ihren ersten Atemzug.
Achtundzwanzigstes Kapitel.
Schweigen
Am nächsten Morgen erscheint Rosmarie schön und strahlend wie ein Maimorgen, und Tante Ulrike so finster wie eine Gewitterwolke. Auf Harros freundliche Frage, wie sie geschlafen, kann sie nur mit einem plötzlichen Griff nach seinen Haaren antworten. Und Marga erzählt:
»Du glaubst nicht, Harro, wie Ulrike klettern kann. Wie eine Gazelle. Oder klettern die nicht? Aber Ruhe gab sie nicht, bis sie mit ihrem Handtuch dein Kunstwerk zugedeckt!«
»Rosmarie, ich hoffe von dir, daß du nicht gewußt hast, was für eine Nachtruhe mir mein lieber zärtlicher Neffe zugedacht hat.« Rosmarie blickt unruhig auf: »Ich weiß nicht...?«
Und Tante Marga erzählt mit viel Behagen:
»Uli knipst ihr Kunstlicht an und steigt in ihr Bett, und da hör ich sie sagen: ›Das geht zu weit!‹ Eben, wie ich auch in der getäfelten Nische mein eigenes Konterfei erblickte. Geschmeichelt hast du mir übrigens, Harro, was Ulrike von sich durchaus nicht findet.«
»Ihr seid doch die guten Genien des Hauses Thorstein, und es ist nicht mehr als billig, СКАЧАТЬ