Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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СКАЧАТЬ bitte dich, Charlotte, laß das genug sein,« rief der Fürst mit so gequälter Stimme, daß selbst die Fürstin nun sich mit einem stummen Achselzucken begnügte.

      So wurde denn zur großen Erleichterung des Fürsten vorderhand die Geschichte begraben, es ahnte ihm allerdings, daß sie wohl noch einmal umgehen würde.

      Am Nachmittag ließ er sogar die beiden Damen allein, während er seine Post erledigte. Von dem großen Ereignis des gestrigen Tages war nur in jener Andeutung die Rede gewesen.

      Die Fürstin saß in Rosmaries Korbstuhl, sie sah aus, als ob sie des Runzelmittels der Pariserin bedürfte. Man sah ihr den anstrengenden Berliner Winter mit Diners und Soireen, das ganze aufreibende Dasein einer Mondaine an. Die beständige Jagd nach dem Vergnügen, die, wenn man sie mit der nötigen Inbrunst betreibt, zur allerhärtesten Arbeit wird. Sie klagt auch beweglich.

      »Berlin war mir über. Dein Vater ist ja so riesig exklusiv, wie es jetzt gar nicht mehr Mode ist, und da trifft man immer die gleichen Menschen. Und schließlich mögt ihr euch in Brauneck als noch so große Herren fühlen, was sind wir denn in Berlin, wo jeder Amerikaner-Eisenbahnaktienmensch es uns zuvor tun kann! Du solltest sehen, wie die leben! Nicht einmal ein Auto habe ich und muß mich mit den heiligen Gäulen behelfen, die ewig geschont werden müssen. Wenn ich denke, was dein Vater an seine alten Geisterburgen vergeudet! Wir können doch auch nur in einer wohnen. In Weitersberg kracht jeder Stuhl, wenn man sich darauf setzt, und in die Gobelins sind die Motten gekommen. Ich wollte die Gobelins in Berlin haben; es hätte in der Zeitung gestanden. Sie sollen ja jetzt einen fabelhaften Wert haben. Aber nein – in Weitersberg müssen sie bleiben.«

      »Liebe Mama, sie werden wohl nirgends so gut hinpassen, sie sind ja für die Wände gewebt worden.«

      »Nun, daß du in allem deinem Vater recht gibst, weiß ich ja, und ich denke, ihr werdet dort wohnen wollen.«

      Es ist das erstemal, daß sie die Zukunft erwähnt. Rosmarie wird dunkelrot: »Nein, Mama, daran haben wir nie gedacht.«

      Die Fürstin richtet sich steil in die Höhe: »Doch nicht in der Ruine, das kann dein Ernst nicht sein!«

      »Nein, aber in dem neuen Haus, das Harro baut.«

      »Ein Haus, nun ja, er kann es ja mit deinem Gelde ausbauen!«

      »Oh, es ist ganz recht, wie es ist. Es wird sehr schön, du wirst erstaunt sein. Harro hat so viel selbst gemacht. Es wird noch lange nicht ganz fertig sein. Der Festsaal oben.«

      »Ein Festsaal!«

      »Und noch viel anderes Schöne. Harro arbeitet doch seit Jahren daran.«

      Rosmarie erschrak. Hatte sie nicht schon zu viel gesagt? Das Gesicht ihrer Mutter veränderte sich fast erschreckend. Rote Flecken sprangen auf unter ihren dunkel umränderten Augen, in die ein unstetes Flackern kam, das Rosmarie immer als Vorboten von schlimmen Szenen kannte. Aber diesmal ging noch das Wetter an Rosmarie vorüber. Ganz unvermittelt brach die Fürstin in die bittersten Klagen aus über ihr eigenes Leben. Wenn Frauen zu klagen anfangen, pflegt die Logik in unerreichbare Gefilde zu entfliehen. So erweckte die Vorstellung von dem schönen Haus Thorstein die Erinnerung an irgend welche gesellschaftliche Brüskierung, die die Fürstin erlebt zu haben glaubte. Und damit war eine bunte Pyramide umgestoßen.

      Rosmarie mußte mit Erstaunen hören, welch leidensvolles Dasein ihre Mutter führe. Wie sie sich nun vor Berlin ekele, vor der preußischen Steifheit und Langeweile, und vor dem Geisterschloß Brauneck fürchte. Rosmarie müsse selbst zugeben, daß sie Grund dazu habe! Aber um Gottes willen nicht davon reden, sonst würde die Sache schlimmer, und keine Kammerfrau der Welt bliebe trotz noch so hohen Lohnes bei ihr. Ob Rosmarie nicht selbst zugeben müsse, daß es wahrhaft entsetzlich sei, sein Leben täglich unter so vielen toten, gemalten Augen zubringen zu müssen und nie für voll angesehen zu werden und das beständig zu fühlen bekommen, daß noch kein Sohn da sei.

      Natürlich nur bis jetzt. Sie sei überzeugt, wenn man ihr das letztemal nicht mit Verordnungen und Verboten das Leben vergällt hätte, so wäre alles gut geworden. Allein diese altmodischen Ärzte, die man in Brauneck konserviere, wie alles andere, bis sie abgestanden geworden, seien schuld daran. Niemals würde sie sich denen wieder ausliefern lassen. Auch über die ganze Zeit Brauneck nicht wieder betreten, wo sich Türen, Menschen, Bilder gegen sie verschworen hätten.

      »Ja, das haben sie, Rosmarie, und du kannst nichts dagegen sagen.«

      Und Rosmarie schlang ihre Arme um ihre heftig schluchzende Mutter.

      »Arme Mama!« flüstert sie und streicht ihr über die zuckenden Achseln und hört die immer wieder ausbrechenden Klagen und Anklagen mit solch zarter Teilnahme an, unter der ein sanftes Mitleiden liegt für die tiefe Zerrissenheit, die all diesen Worten zugrunde liegt. Sie ist ja so reich. Alle ihre Kerzen der Liebe und des Erbarmens brennen.

      Und seltsam, mehr als seltsam, der Fürst findet seine beiden Damen in einer ihm ganz wunderbaren sanften Stimmung vor.

      Noch immer darf er das große Ereignis nicht berühren, Rosmaries Augen warnen ihn davor. Aber welche Wohltat, daß sich der Eiswind vom heutigen Morgen gelegt hat.

      Fünfundzwanzigstes Kapitel.

       Zwei Welten

       Inhaltsverzeichnis

       Bordighera, sechsten April.

      Mein liebster Harro!

      Heute habe ich den Frühling gesehen. Er kam übers Meer, und wo er den Strand betrat, da lief unter den Palmen ein grüner Hauch. Da standen zwischen dem Grün weiße, gelbe und feuerrote fremde Lilien, wie Flammen schlugen sie aus dem weichen Grase auf. Hohe Zypressen schauten auf sie herunter, und damit sie nicht so einsam blieben in ihrer Höhe, schlangen sich Teerosen an ihren Stämmen hinauf und drückten ihre sanften Blumenwangen an die rauhe Rinde und verbanden sie mit ihren Ranken und ketteten sie aneinander und lächelten dazu mit ihren deinen, blassen Gesichtern. Kennst Du die Olive, die auf der gelben Felswand ihre feinen Zweige in hundertfältigem Schattenspiel abzeichnet? Und die so alt und zerklüftet und zerrissen ist, daß Maßliebchen in ihren Stamm hineingewandert sind und da wohnen und leben?

      Nun kennst Du sie aber nicht mehr, die alte Seele. Sie blüht über und über von rosa Rosen. Bis zum Wipfel sind sie gestiegen, ihr Grün sieht man nicht, nur die rosa Köpfchen und das silbergraublaue und das leuchtende Rosa zusammen, wie lachen einem da die Augen!

      Die liebe, alte, feine Seele mit ihren Rosenkränzen!

      Dann ging wohl der Frühling mit seinen leichten Füßen die Schlucht hinauf, wo hinter der Felswand die Palmen stehen. Die grüßen ihn ein wenig, ihr Freund ist ja der glühheiße Sommer, der ihnen die alte Heimat wieder bringt, sie rühren sich nicht viel. Da verfängt sich des Frühlings blauer wehender Mantel an einer Mimose.

      Wie flammt sie auf! Ein Berg von purem Gold ist sie geworden, der herausschießt aus dem Gestein und alles ringsum mit seinem Goldstaub und Duft erfüllt. Wie ein Wunder steht die Mimose da, als wäre sie heute verpflanzt worden aus dem Paradiesesgarten. Und der Frühling mag wohl eine Weile bei ihr stehen und mit seinen strahlenden Augen um sich sehen. Und da steht zwischen den stolzen abweisenden Palmen ein schlanker dunkler Baum. Ein Hauch darüber, und nun steht er in weißen Blüten, der Kirschbaum, und trägt seine Last von Blütennestchen auf den schwanken Zweigen.

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