Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). О. Генри
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Читать онлайн книгу Weihnachts-Sammelband: Über 250 Romane, Erzählungen & Gedichte für die Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - О. Генри страница 75

СКАЧАТЬ was meinst du, wenn Harro nun doch nicht mehr lang bleibt, sollen wir es wagen und von den Panneaux sprechen? Ich darf nur Lisa läuten, so wird sie die bringen!«

      »Was soll gewagt werden? Verzeih, ich hörte meinen Namen.«

      Harro versucht einen scherzhaften Ton anzuschlagen, der ihm aber schmählich mißlingt.

      »Wir sprachen von Ihrem Hause, Harro, und möchten beide, Rosmarie und ich, bei den Goldmosaiken als Stifter auftreten, mit unserem vollen Namen natürlich; können Sie Rosmarie nicht als frühgotischen Engel darauf brauchen, die Länge und Schmalheit hätte sie dazu! Wir Braunecker wollen doch auch in dem Haus Thorstein vertreten sein. Also mir lassen Sie die Mosaiken, und Rosmarie hat schon gestiftet. Hast du geklingelt?«

      Lisa erschien mit einem Arm voll in Seidenpapier eingeschlagener Rollen.

      So viel hatte der Fürst nun doch nicht erwartet. Rosmarie mußte sehr fleißig gewesen sein. »Lieber Harro, sei mir nicht böse! Du erinnerst dich an das Schmollzimmer und was wir uns ausdachten für die Wandbespannung. Du wolltest eine graugrünliche Leinwand als Grund nehmen, die sollte durch schmale Goldleisten gegliedert und durch die gestickten Felder belebt werden.«

      »Das hast du alles behalten, die Jahre lang, Rosmarie!«

      Rosmarie reichte ihm eine Rolle.

      »Öffne, Harro, und sieh, ob es geworden ist, wie du dir gedacht.«

      Harro öffnete. Es war der bereifte Dornbusch mit seinem Gewinde von breiten, silbernen Bändern auf einem mattopalfarbigen Grunde. Und wie Rubinen leuchteten die Beeren aus all dem Weiß, Silber und bläulichen Grau.

      Harro hielt die Rolle in der Hand und schaute darauf nieder. Das war ein Stück jenes heiligen Abends, an dem er das Kind auf seinen Armen aus dem Wintertod getragen.

      »Und das wäre für mich, für mein Haus?«

      »Es paßt nur dahin, Harro.«

      Der Fürst stand hinter Harros Stuhl und schaute herein und dann hinüber auf seine Tochter. Das schöne blasse Haupt war jetzt mehr denn je der Wasserrose ähnlich. Er legte die Hand auf Harros Schulter.

      »Eine Künstlerin ist sie doch, Harro, das müssen Sie ihr lassen!«

      »Sieh dir den Maientag an, Harro,« bat Rosmarie, »oder nein, hier kommt der Schlehenzweig mit den Zitronenfaltern. Wir nannten das die Frühlingsahnung. Denn es schneite doch immer auf die Schlehenblüten, und du meintest, es sei besser, zu sagen, man ahne den Frühling. Denn beim richtigen Frühling dürften einem nicht die Schneeflocken auf den Händen vergehen!«

      Aber Harro streckte seine Hand nicht nach der nächsten Rolle aus und bat leise: »Laß das, Rosmarie, heute abend noch ... ich ... einen Augenblick ...« –

      Der Diener trat ins Zimmer, ein Telegramm auf einem Teller, den er dem Fürsten reichte. Der Fürst runzelte die Stirne und riß es auf. Es schien eine Menge Text zu enthalten und sehr komplizierten Inhalts zu sein. Rosmarie sah traurig und fast scheu zu ihrem so veränderten Freund empor und flüsterte:

      »Harro, habe ich dir wirklich damit weh getan? Wie konnte ich das ahnen!«

      Harro beugt sich über ihre Hand: »Rosmarie, ich danke dir. Aber es überwältigt mich. All die Arbeit, – das Versenken in eine Stimmung, die du so treu festgehalten hast, durch all die Kleinarbeit ...«

      Der Fürst war aus dem Zimmer gegangen und hatte eine Entschuldigung gemurmelt. Er wollte wohl eine Antwort schreiben.

      Eine Weile war es so still, daß man durch die Nacht den leisen Atem des Meeres hören konnte, über Rosmaries blasses Gesicht liefen langsam große Tränen; sie zuckte nicht dabei, es war ein lautloses Weinen, wie es nur Menschen weinen, die das stolze einsame Leid kennen.

      Harro starrte hinaus in die Sternennacht, die durch Palmen funkelt. Und nun flüstert sie leise: »Harro, sag mir, was habe ich dir denn zuleid getan?«

      Über seine mächtige Gestalt geht ein Zucken, er beugt sich, – nun liegt er auf den Knien neben ihrem Lager, und seine Küsse brennen auf ihrer Hand und seine Tränen. Ihre Augen werden groß und dunkel. Ach, was ist ihm? Sie legt wie ein halbscheues Kind eine Hand auf seine Schulter:

      »Laß mich es wissen, was dir ist, Harro, ich will doch auch mit dir leiden.«

      Da erhebt er sein tränenüberströmtes Antlitz: »Vergib mir, Seele, meine Seele!«

      Ach, was ist in seinen Augen? Eine heiße Flamme schlägt über ihr Herz, so schnell, so atemraubend plötzlich, wie ein Sonnenstrahl eine festgeschlossene Knospe trifft und sie öffnet. Aus ihren Augen leuchtet es, und die süße Scham treibt ihr das Blut in die Wangen. Sie macht ihre Hände frei und schlägt sie vor ihr Gesicht. Harro erhebt sich langsam.

      »Laß mich deine Augen noch einmal sehen, Geliebte, Holdseligste, und dann will ich gehen ...«

      Da läßt sie langsam ihre Hände sinken und schaut zu ihm auf: »Oh, nun gehst du nie wieder von mir, Harro ...«

      Er faßt ihre Hände. »Seele – du weißt, daß ich gehen muß.«

      Es nahen Schritte ... der Fürst kommt herein. An der Wand lehnt Harro, fahl mit dunkeln Augen, – Rosmarie glühend wie eine Mohnblüte, von der in einem Augenblick die grüne Hülle gefallen, die ihre zarte Herrlichkeit verhüllte ...

      »Durchlaucht,« stammelt Harro.

      So verklärt, so strahlend von innerer Seligkeit, wie ein junger perlbetauter Morgen, sieht der Fürst sein Kind, seine arme, weiße Rose, die noch vor kurzer Zeit den langsamen schrecklichen Tod ihrem armen Dasein vorgezogen hätte. Was er in den letzten Wochen durchgekämpft, an stolzen Hoffnungen begraben und mit sich allein ausgetragen hat, das wissen die beiden nicht. Er legt seine Hand auf Harros Schulter, der darunter zusammenzuckt, und sagt:

      »Lieber Harro, ich finde, daß du Rosmarie eigentlich recht lange hast warten lassen!«

      »Durchlaucht, das ist unmöglich, das ist ...«

      »Harro, wir wollen alles ganz schön und ruhig abmachen. Das Kind dort: Sieh sie dir nur einmal an, wie sie jetzt ihre Flügel in der Sonne breitet, wie du mir damals gesagt. Es ist nichts mit ihr zu wollen ... Aber eines bitte ich dich: Im offnen Hof klopfst du mir keine Steine mehr – –«

      Über den Thorsteiner hat sich das Glück wie ein schwerer, lastender, goldener Regen ergossen. Er kann es noch nicht fassen, man muß es ihm erst sagen, daß der Fürst sich schon wochenlang mit dem Gedanken getragen hat, ihm sein Kind, wenn er es nur wollte, zu geben. Wie ihm das klar geworden, daß er nie seine Tochter von dem Thorsteiner werde losreißen können, das erfuhren sie nicht; sie sollten nicht wissen, daß er ihr Gespräch belauscht. Und noch ein Gedanke war es gewesen, der ihn fast wünschen ließ, Harro möge endlich aus seiner Zurückhaltung herausgehen.

      Das war die Erkenntnis, daß er seiner Tochter keine Heimat mehr zu bieten habe. Wie ein Blitz hatten Rosmaries Worte ihm sein häusliches Dasein erhellt. Was er sich selbst immer noch verschleiert und verborgen hatte, das stand nun klar vor ihm. Nie würde sein Kind glücklich sein können und gedeihen neben seiner Frau. Wie hatte Charlotte sich verändert, wie war sie hart und anmaßend geworden, hatte sich geweigert, irgend ein Leid mit ihm zu teilen, hatte ihn mit ihrem täglichen Einfluß immer tiefer in die Erbitterung über Rosmarie hineingesteigert.

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